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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.06.2001
Aktenzeichen: VII B 232/00
Rechtsgebiete: MinöStV, ZPO, FGO


Vorschriften:

MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3
MinöStV § 53
ZPO § 240
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Mineralölhändlerin, begehrt von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) wegen Zahlungsausfalls eines in Konkurs gegangenen Warenabnehmers die Vergütung des in den ausgefallenen Kaufpreisforderungen enthaltenen Mineralölsteueranteils aus insgesamt siebzehn mit Lieferscheinen dokumentierten Lieferungen im Zeitraum vom 27. Oktober 1995 bis 13. Dezember 1995. Den am 25. November 1996 von der Klägerin gestellten Vergütungsantrag in Höhe von ... DM lehnte das HZA ab (Einspruchsentscheidung vom 29. September 1998). Auch die hiergegen erhobene und in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) um den Betrag von 10 000 DM (Selbstbehalt) reduzierte Klage hatte keinen Erfolg.

Das FG beanstandete das Mahnsystem der Klägerin. Bei den streitgegenständlichen Lieferungen, bei denen jeweils eine Zahlungsfrist von einem Monat gesetzt gewesen sei, fehle es durchgehend an der Voraussetzung, dass die Klägerin ihrem Abnehmer auf der ersten und zweiten Mahnstufe eine Zahlungsfrist unter Androhung gerichtlicher Maßnahmen für den Fall der Nichtzahlung gesetzt habe, so dass insoweit den Erfordernissen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV) vom 15. September 1993 (BGBl I, 1602) nicht genügt sei. Soweit in den dritten Mahnungen im Dezember 1995 und im Januar 1996 eine Fristsetzung erfolgt sei und man dies als ordnungsgemäße Fristsetzung anerkennen wolle, fehle es an der Erfüllung des weiteren Tatbestandsmerkmals des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV, wonach die Ansprüche auch gerichtlich zu verfolgen seien. Die Klägerin habe indes keinerlei gerichtliche Schritte unternommen und ihre Forderungen nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen ihres Abnehmers am 1. März 1996 erst am 11. April 1996 zur Konkurstabelle angemeldet. Bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens hätte der Klägerin genügend Zeit zur Verfügung gestanden, gerichtliche Schritte einzuleiten. Die Anordnung der Sequestration am 3. Januar 1996 und der Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots habe dem nicht entgegen gestanden, da ein gerichtliches Verfahren in der Sequestration noch nicht ruhe; § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO) greife nicht ein.

Außerdem müsse sich die gerichtliche Verfolgung unmittelbar an den Ablauf der mit der Mahnung gesetzten Frist anschließen. Die Klägerin habe indessen nach dem Ablauf der in der dritten Mahnung gesetzten Frist die Zahlungsfrist weiter verlängert. So sei für die Lieferung vom 27. Oktober 1995 (Lieferschein Nr. 019824; Rechnung Nr. 15593, zahlbar bis 27. November 1995) zunächst (2. Mahnschreiben vom 13. Dezember 1995) eine Frist bis zum 27. Dezember 1995, dann mit Schreiben vom 19. Dezember 1995 (als zweite Mahnung bezeichnet) eine Frist bis zum 29. Dezember 1995 und mit Schreiben vom 29. Dezember 1995 (dritte Mahnung) schließlich eine Frist bis zum 9. Januar 1996 gesetzt gewesen. Diese Frist sei mit weiterem Schreiben vom 10. Januar 1996 nochmals auf den 22. Januar 1996 ausgedehnt worden. In gleichartiger Weise sei die Klägerin auch mit den übrigen Forderungen verfahren.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Divergenz begehrt.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Maßgeblich für die Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde sind noch die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, da die angefochtene Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze --2.FGOÄndG-- vom 19. Dezember 2000, BGBl I, 1757).

2. Soweit die Beschwerde die Auffassung des FG, bei den streitgegenständlichen Lieferungen sei jeweils die Mahnung unter Fristsetzung nicht rechtzeitig erfolgt, unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu dem Senatsbeschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98 (BFHE 188, 217) angreift, ist sie im Ansatz berechtigt.

a) Dort hatte der Bundesfinanzhof (BFH) im letzten Absatz seiner Entscheidung, von der Klägerin zutreffend zitiert, ausgeführt, dass ein Mahnsystem, bei dem die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs 20 Tage nach Lieferung bei gleichzeitigem Verzugseintritt im Falle der Nichtzahlung eintritt, und dann ein abgestuftes System von Mahnungen, denen lediglich die Funktion von Zahlungserinnerungen zukommt, auslöst, wobei erst die dritte Mahnung am 34. Tag nach Fälligkeit mit der erforderlichen kurzen Fristsetzung unter Androhung der gerichtlichen Geltendmachung verbunden wird, ebenso zu akzeptieren wäre wie jedes andere Mahnsystem, bei dem sichergestellt ist, dass im Falle der Nichtbegleichung einer Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs in die Wege geleitet wird.

Zwar waren diese Aussagen in die Form eines obiter dictum gekleidet, so dass eine Abweichung hiervon jedenfalls nicht ohne weiteres im Wege der Divergenzbeschwerde geltend gemacht werden kann. Tragend war dabei jedoch, wie die dieser Passage vorangegangenen Ausführungen des BFH in dieser Entscheidung zeigen, die Aussage, dass nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV nicht jede Mahnung, insbesondere nicht die erste in einem solchen Mahnsystem mit einer Fristsetzung verbunden sein muss, sondern dass es lediglich darauf ankommt, dass die letzte und entscheidende Mahnung unter Fristsetzung zu erfolgen hat, weil dem Schuldner durch die Mahnung unter Fristsetzung eine letzte Chance eingeräumt werden soll, den Zahlungsanspruch, mit dessen Erfüllung er in Verzug geraten ist, außergerichtlich, d.h. ohne Einleitung einer gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs, zu erfüllen. Gleichzeitig mit der Fristsetzung für einen letzten Zahlungstermin muss aus dieser entscheidenden Mahnung hervorgehen, dass nach erfolglosem Ablauf dieser letzten, kurz bemessenen Zahlungsfrist der Zahlungsanspruch unabweislich rechtshängig gemacht wird.

Die Klägerin hat demgegenüber zutreffend dargelegt, dass das FG bei seinem Urteil von diesen Grundsätzen abgewichen ist, indem es für jede Mahnung innerhalb des abgestuften Mahnsystems nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung grundsätzlich eine Fristsetzung für erforderlich hielt und aus dem Fehlen einer solchen Fristsetzung geschlossen hat, die Klägerin habe es versäumt, rechtzeitig bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung zu mahnen.

b) Gleichwohl führt diese Abweichung im Streitfall nicht zur Zulassung der Revision, denn das angefochtene Urteil beruht nicht auf dieser Divergenz. Das FG hat sich nämlich auf einer zweiten Begründungsebene auf den insoweit zutreffenden Standpunkt der Klägerin gestellt, dass nach dem von der Klägerin angewendeten Mahnsystem lediglich die dritte Mahnung als die entscheidende Mahnung mit einer Fristsetzung unter Androhung gerichtlicher Geltendmachung der Forderung nach fruchtlosem Ablauf dieser letzten Frist verbunden sein musste. Ausgehend von diesem Standpunkt hat das FG aber ferner beanstandet, dass sich die gerichtliche Geltendmachung der Forderung nicht unmittelbar, wie von der Rechtsprechung des BFH gefordert (Beschluss in BFHE 188, 217, sowie Beschluss vom 8. Februar 1999 VII B 251/98, BFH/NV 1999, 1130), an den Ablauf dieser letzten Frist angeschlossen hat, sondern dass die Klägerin eine neue Frist gesetzt und damit die Zahlungsfrist erneut verlängert hat. Damit hat die Klägerin sich nicht so verhalten, wie es die Allgemeinheit von einem Mineralölhändler erwarten darf, der sich den daraufhin eintretenden Schaden teilweise vom Fiskus vergüten lassen möchte. Mit Recht hat das FG aus diesem Verhalten der Klägerin gefolgert, dass sie dadurch ihren Vergütungsanspruch nach § 53 MinöStV verloren hat.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin, die --so versteht es der Senat-- die vom FG auf dieser Ebene gegebene Begründung unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob und wann eine gerichtliche Verfolgung des Anspruchs wegen Unzumutbarkeit oder aus sonstigen Rechtsgründen nicht mehr gefordert werden dürfe, angreift, wäre nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist eine gerichtliche Verfolgung des Anspruchs noch ohne weiteres möglich gewesen. Sieht man hinsichtlich der ersten im Streit befindlichen Lieferung vom 27. Oktober 1995, die am 27. November 1995 zahlbar war, die Mahnung vom 29. Dezember 1995 als die entscheidende dritte Mahnung mit Fristsetzung bis zum 9. Januar 1996 an, so ist festzustellen, dass die Klägerin nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist keine gerichtlichen Schritte unternommen, sondern mit Schreiben vom 10. Januar 1996 erneut, jetzt mit Fristsetzung bis zum 22. Januar 1996, privatschriftlich gemahnt hat.

Eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung, etwa durch Beantragung eines Mahnbescheids, wäre bei Ablauf der Frist (9. Januar 1996) auch durchaus noch rechtlich möglich und der Klägerin zuzumuten gewesen. Anders als die Klägerin meint, ist die hierzu gegebene Begründung des FG zutreffend. Die bloße Anordnung der Sequestration in Verbindung mit dem Erlass eines allgemeinen Veräußerungsverbots (§ 106 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Konkursordnung) am 3. Januar 1996 hinderten nach dem bis 31. Dezember 1998 geltenden alten Konkursrecht zwar den in finanzielle Nöte geratenen Abnehmer der Klägerin an der Erfüllung der Forderung, standen aber der Durchführung eines gerichtlichen Mahnverfahrens und sogar der Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach herrschender Auffassung nicht im Wege (vgl. Kilger/K. Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl. 1993, § 106 Anm. 3, m.w.N.); § 240 ZPO in der bis dahin geltenden Fassung war nicht anwendbar (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl. 2001, § 240 Rz. 5 mit Vor § 239 Rz. 8, m.w.N.). Daher hätte die Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist wenigstens das gerichtliche Mahnverfahren gegen ihren Abnehmer einleiten müssen. Wer sich nicht nachdrücklich um die Realisierung seiner Forderungen auch durch Einschaltung der Gerichte bemüht und rechtlich mögliche und zu Gebote stehende Maßnahmen in dieser Richtung unterlässt, selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten durchgeführt werden müssen, dem Mineralölhändler aussichtslos erscheinen, verdient die Abwälzung des Steuerrisikos auf die Allgemeinheit nicht (Senatsurteil vom 17. Dezember 1998 VII R 148/97, BFHE 188, 199).

c) Im Übrigen hätte der Senat Zweifel, ob ein Rechnungs- und Mahnwesen wie dasjenige der Klägerin den Anforderungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV überhaupt genügt. Ungewöhnlich ist bereits die lange Frist von einem Monat nach Belieferung, bis die Forderung überhaupt fällig gestellt wird. Wer eine so lange Zahlungsfrist gewährt, muss jedenfalls im Falle der Überschreitung dieser Frist, sofort das privatschriftliche Mahnverfahren in Gang setzen und es zügig bis zur geforderten "Mahnung unter Fristsetzung" durchführen. Insofern erscheint es unangemessen, dass die Klägerin nach Fälligkeit der Forderung einen weiteren Monat bis zur entscheidenden Mahnung unter Fristsetzung (29. Dezember 1995) hat verstreichen lassen und diese Frist mit 11 Tagen (9. Januar 1996) noch dazu äußerst großzügig bemessen hat. Insgesamt ergibt sich ein Zeitraum von 74 Tagen nach Belieferung, ehe gerichtliche Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Dieser Zeitraum wäre übermäßig lang und mit den vom Senat in seinem Beschluss in BFHE 188, 217 überschlägig gemachten Vorgaben nicht zu vereinbaren. Nach den vom FG in Bezug genommenen und daher vom Senat nachprüfbaren Liefer- und Mahnunterlagen handelt es sich dabei auch nicht lediglich um einen Einzelfall, sondern offensichtlich um einen im Rechnungs- und Mahnwesen der Klägerin liegenden Systemfehler, der alle streitgegenständlichen Lieferungen gleichermaßen betrifft. Wer so großzügig verfährt, darf nicht damit rechnen, bei einem schließlichen Ausfall von Forderungen durch die Allgemeinheit entschädigt zu werden.

3. Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung seiner Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO in der seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung (Art. 6 Satz 1 2.FGOÄndG) ab, da sie insoweit nicht geeignet wäre, zur Klärung von Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.



Ende der Entscheidung

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