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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.09.2009
Aktenzeichen: VII B 245/08
Rechtsgebiete: MZK, ZK, ZKDVO


Vorschriften:

MZK Art. 188 Abs. 1
ZK Art. 92
ZK Art. 203
ZK Art. 239
ZKDVO Art. 365 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte im Mai 2003 beim Zollamt (ZA) X die Eröffnung fünf externer gemeinschaftlicher Versandverfahren, um Nichtgemeinschaftswaren (Lebensmittel) an ein im ... Hafen liegendes Kreuzfahrtschiff zu liefern. Das ZA entsprach den Anträgen und setzte für die Gestellung der Waren beim ZA R eine Frist bis zum 5. Juni 2003. Da das Schiff am 29. Mai 2003 in R eintraf, einem Feiertag, an dem die Abfertigungsstelle des ZA R geschlossen war, wurden die Waren ohne Gestellung auf das Schiff verbracht. Als Nachweis der Warenübergabe ließen sich die Fahrer die Exemplare 4 und 5 der Versandanmeldungen vom Kapitän stempeln, die bei der Klägerin verblieben.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) durch ein eingeleitetes Such- und Mahnverfahren über die Erledigungen der Versandverfahren Kenntnis von dem Vorgang erlangt hatte, setzte er mit mehreren Bescheiden die auf die Waren entfallenden Einfuhrabgaben gegen die Klägerin fest. Die Einsprüche der Klägerin führten zur Neuberechnung sämtlicher Abgaben, blieben aber im Übrigen ohne Erfolg.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Abgabenschuld nach Art. 203 Abs. 1 und 2 des Zollkodex (ZK) entstanden und die Klägerin als Hauptverpflichtete Abgabenschuldner sei, weil die Waren ohne vorherige Gestellung geliefert und dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Die Voraussetzungen des Art. 365 Abs. 3 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) in der seinerzeit geltenden Fassung, unter denen ein gemeinschaftliches Versandverfahren als beendet gelte, lägen nicht vor. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift komme nicht in Betracht, denn die Nämlichkeitssicherung durch die Zollbehörden sei ohne Wiedergestellung der Waren in der Regel nicht möglich und könne insbesondere nicht durch eine Privatperson, wie im Streitfall den Schiffskapitän, gewährleistet werden.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob Art. 92 ZK im Licht des Modernisierten Zollkodex (MZK) dahin auszulegen ist, dass das Versandverfahren bereits dann als beendet gilt, wenn die betreffenden Waren nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sind, und dass dieser Nachweis zur Überzeugung der zuständigen Zollbehörde geführt sein muss, ohne dass die Vorschrift für den Nachweis besondere Förmlichkeiten voraussetzt, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, sondern zweifellos zu verneinen. Die am 24. Juni 2008 in Kraft getretenen Vorschriften des MZK sind gemäß Art. 188 Abs. 1 MZK nur insoweit anzuwenden, als sie die Kommission zum Erlass von Durchführungsvorschriften ermächtigen. Art. 86 Abs. 1 Buchst. k MZK, auf den sich die Beschwerde bezieht, findet somit auf den Streitfall keine Anwendung. Art. 92 ZK im Licht jener Vorschrift "auszulegen", wie es die Beschwerde für richtig hält, liefe aber darauf hinaus, sie gleichwohl anzuwenden, was dem Gemeinschaftsrecht eindeutig widerspräche. Unter welchen Voraussetzungen ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren im Fall aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführter Waren als beendet gilt, regelt allein die immer noch anzuwendende ZKDVO. Die Ansicht der Beschwerde, dass Vorschriften des ZK und der ZKDVO, die an den Wirtschaftsbeteiligten strengere Anforderungen stellen als entsprechende Vorschriften des MZK, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, ist offenkundig nicht haltbar. Im Übrigen kann die Kommission --worauf das FG zutreffend hingewiesen hat-- gemäß Art. 86 Abs. 7 MZK Durchführungsvorschriften erlassen, weshalb --anders als die Beschwerde offenbar meint-- keineswegs davon ausgegangen werden kann, dass unter der Geltung des MZK die zum Erlöschen der Abgabenschuld führende Ausfuhr der im Versandverfahren beförderten Waren ohne "besondere Förmlichkeiten" wird nachgewiesen werden können.

Es ist auch nicht klärungsbedürftig, ob die Zollschuldentstehung für Waren, die aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sind, unter Berücksichtigung des im ZK und auch im MZK zum Ausdruck kommenden sog. Wirtschaftszollgedankens als eine unverhältnismäßige Folge anzusehen ist. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat auf Vorlage des Senats bereits entschieden, dass der wirtschaftliche Charakter der Einfuhrabgaben nicht dagegen spricht, dass der Entzug einfuhrabgabenpflichtiger Waren aus der zollamtlichen Überwachung auch dann zur Entstehung der Zollschuld gemäß Art. 203 ZK führt, wenn diese anschließend aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sind (EuGH-Urteil vom 12. Februar 2004 C-337/01 --Hamann--, Slg. 2004, I-1791). Soweit sich die Beschwerde gegen diese Entscheidung wendet und meint, dass die Möglichkeit des Erlasses bzw. der Erstattung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 ZK, auf die der EuGH im vorgenannten Urteil verweist, keine angemessene Ergänzung der strengen Regeln über die Zollschuldentstehung sei, zeigt sie keine Gesichtspunkte auf, die den beschließenden Senat in einem Revisionsverfahren veranlassen müssten, dem EuGH die bereits entschiedene Auslegungsfrage erneut zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Im Übrigen wird im Fall eines nicht ordnungsgemäß erledigten Versandverfahrens dem Umstand, dass die Waren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sind, unter der Geltung des ZK und der ZKDVO durchaus Rechnung getragen; allerdings verlangt Art. 365 Abs. 3 ZKDVO hierfür einen besonderen Nachweis. Wenn die Beschwerde meint, dass die Nachweismöglichkeiten erweitert bzw. "flexibel gehandhabt" werden müssten und das FG im Streitfall die Empfangsbestätigung durch den Schiffskapitän als Nachweis hätte akzeptieren müssen, verlangt sie eine Auslegung des Art. 365 Abs. 3 ZKDVO, die dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig widerspricht. Dass dem nicht gefolgt werden kann, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Es ist auch nicht unverhältnismäßig, sondern dient der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, dass Art. 365 Abs. 3 ZKDVO nicht jede Art von Ausfuhrnachweis, sondern nur eine bestimmte Nachweisform genügen lässt.

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