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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.02.1999
Aktenzeichen: VII B 254/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, UStG 1980, TabStG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
UStG 1980 § 21 Abs. 2
TabStG § 10
AO 1977 § 375 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde mit rechtskräftigem Urteil als Mittäter wegen Diebstahls in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt. Dem Strafurteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

In Ausführung eines mit zwei weiteren Tatbeteiligten gefaßten gemeinsamen Tatplans brach der Antragsteller im Jahr 1990 an zwei Nächten in die Geschäftsräume einer auf dem Hamburger Freihafengelände gelegenen Schiffsausrüsterfirma ein. Die Täter entwendeten dort im ersten Fall mindestens 1 Mio Stück und im zweiten Fall mindestens rd. 3 Mio Stück unversteuerte Zigaretten. Durch ein Fenster in einer Gebäudeseite, die nicht mehr zum Freihafengelände gehört, wurden die Zigaretten aus dem Gebäude geschafft und in einen bereitstehenden LKW verladen. Der LKW wurde in beiden Fällen auf einen Parkplatz im Hamburger Stadtgebiet gefahren und dort abgestellt. Dorthin bestellte der Antragsteller seinen Abnehmer und verkaufte diesem seinen Anteil von einem Drittel der erbeuteten Zigaretten.

Von den gestohlenen Zigaretten konnten nur rd. 77 000 Stück sichergestellt und an den Eigentümer zurückgegeben werden.

Das beklagte Hauptzollamt setzte für die gesamten aus dem Freihafen in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Zigaretten Eingangsabgaben (Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt ... DM fest und nahm den Antragsteller neben den beiden anderen Tatbeteiligten hinsichtlich des Gesamtbetrags durch Steuerbescheid in Anspruch. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit der Klage begehrt der Antragsteller die Aufhebung des Steuerbescheids, gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH). Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung).

II. Die gegen die Ablehnung seines Antrags eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Nach der im PKH-Verfahren nur erforderlichen summarischen Prüfung hält der Senat --wie das FG-- einen Erfolg der mit der Klage angestrebten Rechtsverfolgung für unwahrscheinlich. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Einwände, die im wesentlichen --zusammengefaßt-- das Klagevorbringen wiederholen, greifen nicht durch.

Nach dem gemäß § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) und dem gemäß § 10 des Tabaksteuergesetzes a.F. (TabStG) für die in Betracht kommenden Abgaben sinngemäß anzuwendenden Art. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 (ZollschuldnerVO) des Rates vom 18. April 1988 über die zur Erfüllung einer Zollschuld verpflichteten Personen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 102/5) ist zur Erfüllung der nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 (ZollschuldVO) des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld (ABlEG Nr. L 201/15) entstandenen Abgabenschuld die Person verpflichtet, die die Ware vorschriftswidrig aus dem Freihafen in den anderen Teil des Zollgebiets der Gemeinschaft verbracht hat. Das kann nicht nur diejenige Person sein, die die Ware tatsächlich über die Freihafengrenze geschafft hat, sondern können auch mehrere Personen sein, wenn sie gemeinsam handelnd den Tatbestand verwirklicht haben, der zur Entstehung der Abgabenschuld geführt hat. Während sonstige Teilnehmer an der Tat nur nach Maßgabe des Art. 3 Unterabs. 2 ZollschuldnerVO als Beteiligte in Anspruch genommen werden dürfen, ist der Mittäter i.S. von § 25 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs selbst Täter und demnach Abgabenschuldner i.S. des Art. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung.

Wie im Strafurteil festgestellt, hat der Antragsteller als Mittäter die Gesamtmenge der Zigaretten gestohlen und vorschriftswidrig über die Freihafengrenze in den anderen Teil des Zollgebiets geschafft. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er entgegen diesen Feststellungen nicht Mittäter im Hinblick auf die gesamte Menge der Zigaretten war, sondern nur das auf ihn angeblich entfallende Drittel der Beute allein über die Freihafengrenze verbracht hat, sind weder der Beschwerde noch der Klage zu entnehmen. Deshalb kann sich auch der Senat --wie das FG-- die strafgerichtlichen Feststellungen zu eigen machen, auf Grund derer der Antragsteller Mittäter bei dem vorschriftswidrigen Verbringen der gesamten Zigarettenmenge aus dem Freihafen in den anderen Teil des Zollgebiets war und daher Abgabenschuldner i.S. von Art. 3 Unterabs. 1 ZollschuldnerVO ist.

Bei summarischer Prüfung begegnet es keinen Bedenken, daß das FG die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, die zur Nichtverkehrsfähigkeit von Betäubungsmitteln ergangen ist, im Streitfall nicht für einschlägig gehalten hat. Art. 2 Abs. 2 ZollschuldVO hat dieser Rechtsprechung Rechnung getragen. Diese Vorschrift bestimmt nunmehr ausdrücklich, daß die Einfuhrzollschuld selbst dann entsteht, wenn sie Waren betrifft, für die Verbote und Beschränkungen gleich welcher Art bei der Einfuhr bestehen. Eine Ausnahme davon ist nur unter bestimmten Voraussetzungen für vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbrachte Betäubungsmittel vorgesehen (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ZollschuldVO). Für Zigaretten besteht jedoch keine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Abgabenschuld entsteht, wenn sie wie hier vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht werden.

Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b ZollschuldVO erlischt allerdings die Zollschuld, wenn die Ware eingezogen wird. Für die Einfuhrumsatzsteuer ist diese Vorschrift zwar gemäß § 21 Abs. 2 UStG 1980 sinngemäß anwendbar, für die Tabaksteuer gilt sie dagegen nicht, weil § 10 TabStG die zollrechtlichen Vorschriften nur hinsichtlich der Entstehung der Abgabenschuld für sinngemäß anwendbar erklärt. Soweit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b ZollschuldVO danach auf die hier in Betracht kommenden Abgabenschulden überhaupt anwendbar ist, führt sie jedoch nicht zum Erlöschen der Abgabenschuld (hier der Einfuhrumsatzsteuerschuld), weil die Voraussetzungen dafür entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht erfüllt sind. Von den entwendeten Zigaretten konnten nämlich nur rd. 77 000 Stück überhaupt sichergestellt werden. Diese wurden jedoch nicht nach § 375 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eingezogen, sondern dem Eigentümer zurückgegeben. Dieser Vorgang ist nicht mit der nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b ZollschuldVO geforderten Einziehung als Voraussetzung für das Erlöschen der Abgabenschuld gleichzusetzen.

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