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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: VII B 255/03
Rechtsgebiete: AO 1977, AnfG, AnfG 1999


Vorschriften:

AO 1977 § 191
AO 1977 § 191 Abs. 1
AO 1977 § 191 Abs. 1 Satz 2
AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 4 a.F.
AnfG 1999 § 20 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Duldungsbescheid --als Wertersatzbescheid nebst Leistungsgebot-- vom 1. Juli 1997 in Höhe von ... DM für eine Haftungsschuld ihres Ehemannes nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens vom 21. Juli 1879 i.d.F. vom 20. Mai 1898 (RGBl 709) --AnfG a.F.-- in Anspruch genommen. Der Vollstreckungsschuldner hatte der Klägerin mit Abtretungsvertrag vom 7. März 1996 seinen Pflichtteilsanspruch gegen die Erben seines verstorbenen Vaters abgetreten. Die Klägerin hat sich in diesem Vertrag verpflichtet, den durch die Abtretung erlangten Geldbetrag wie folgt zu verwenden: Vorrangig zur Bezahlung der Umsatzsteuerschuld der Firma S, darüber hinaus nach Abzug von Steuern und Kosten im Zusammenhang mit dem Erbfall für die Sicherung des notwendigen Unterhalts und der Altersversorgung ihres Ehemannes. Im Einspruchsverfahren ermäßigte das FA die Wertersatzforderung durch Rücknahme des Wertersatzbescheides in Höhe von ... DM, da in dieser Höhe von einer Gegenleistung, nämlich der Zahlung der Umsatzsteuer für die Firma S auszugehen sei. Im Übrigen blieben Einspruch und Klage erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Übertragung des Pflichtteilsanspruchs sei --ausgenommen der für die Umsatzsteuer aufzuwendende Betrag-- als unentgeltlich zu werten, da es an der Gegenleistung fehle. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Ehemann ergebe sich aus dem Gesetz und müsse nicht durch einen Vertrag als Gegenleistung für die Übertragung des Pflichtteilsanspruchs begründet werden.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob die durch Art. 18 Nr. 5 des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (StBereinG) 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2601, 2620, BStBl I 2000, 13, 32) eingefügte Bestimmung, dass § 20 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG 1999) vom 5. Oktober 1994 (BGBl I, 2911) mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Erlass eines Duldungsbescheides vor dem 1. Januar 1999 der gerichtlichen Geltendmachung vor dem 1. Januar 1999 gleichsteht, wegen des Verstoßes gegen das Verbot rückwirkend belastende Gesetze zu erlassen, verfassungswidrig sei und hält aus diesem Grunde auch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beschwerde hält das Urteil der Vorinstanz darüber hinaus für materiell-rechtlich falsch und rügt in diesem Zusammenhang die mangelnde Sachaufklärung durch das Gericht, weil dieses es unterlassen habe, den Unterhaltsbedarf des Ehemannes der Klägerin der Höhe nach aufzuklären.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Ungeachtet der mangelhaften Darlegung der von der Beschwerde bezeichneten Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen sollen (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; zu den Darlegungserfordernissen s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 25 ff.), liegt keiner der benannten Zulassungsgründe vor (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).

1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage unzulässiger Rückwirkung der durch Art. 97 § 11b Satz 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) i.d.F. von Art. 18 Nr. 5 Satz 2 StBereinG 1999 erfolgten Klarstellung, dass § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999, der zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist (s. Art. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl I, 2911), so zu verstehen ist, dass das AnfG a.F. weiter für alle Fälle gilt, bei denen die Anfechtung vor dem 1. Januar 1999 entweder gerichtlich oder mittels Duldungsbescheid geltend gemacht worden ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Diese Frage bedarf keiner erneuten höchstrichterlichen Entscheidung, weil der Senat dazu bereits ausführlich Stellung genommen hat. Nach der vom Senat im Beschluss vom 27. Januar 2000 VII B 90/99 (BFH/NV 2000, 821 ff.) dargelegten Auffassung stellt sich in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Duldungsbescheid vor In-Kraft-Treten des AnfG 1999 ergangen ist, die Frage einer etwa unzulässigen Rückwirkung schon deshalb nicht, weil das AnfG 1999 für die Beurteilung des gegenüber der Klägerin im Jahre 1997 nach dem AnfG a.F. ergangenen Duldungsbescheides ohne Bedeutung ist. Die Geltendmachung des Rückgewähranspruches durch Duldungsbescheid im Jahre 1997 entsprach der vom BFH zum AnfG a.F. in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Anfechtungstatbestände nach dem AnfG a.F. nicht nur durch Klage vor dem Zivilgericht, sondern im steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren durch Duldungsbescheid geltend gemacht werden können (vgl. Senatsurteile vom 24. Februar 1987 VII R 23/85, BFH/NV 1987, 283, und vom 8. März 1984 VII R 43/83, BFHE 141, 106, BStBl II 1984, 576, jeweils m.w.N.). Danach hat der Erlass des Duldungsbescheides ebenso wie die Klageerhebung die Anfechtungsfristen stets gewahrt. Diese zur Geltung des AnfG a.F. vor allem in der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung heftig umstrittene Auffassung des BFH (vgl. dazu die Nachweise bei Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Aufl., § 7 Rz. 17 ff.) hat durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihre Bestätigung erfahren. Denn das BVerfG hat eine gegen die Rechtsprechung des BFH gerichtete Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 18. März 1991 2 BvR 135/91, Betriebs-Berater 1991, 1322).

Soweit die Überleitungsvorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999 in der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Fassung an die gerichtliche Geltendmachung der Anfechtbarkeit angeknüpft hat, konnte diese Regelung schon deshalb keinen Vertrauenstatbestand für die Klägerin begründen, weil der gegen sie gerichtete Duldungsbescheid bereits im Jahre 1997, mithin vor In-Kraft-Treten der Regelungen in § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999 ergangen ist und die Rechtsprechung des Senats auch bei In-Kraft-Treten des AnfG 1999 zum 1. Januar 1999 daran festgehalten hat, dass die Geltendmachung durch den Duldungsbescheid i.S. des § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) der gerichtlichen Geltendmachung weiterhin gleichstehe. Diese Auffassung des Senats ist durch die Entscheidung des Gesetzgebers in Art. 97 § 11b Satz 2 EGAO 1977 i.d.F. von Art. 18 Nr. 5 Satz 1 StBereinG 1999, der zur Einfügung des Satzes 2 in § 191 Abs. 1 AO 1977 geführt hat, bestätigt worden. Nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 hat die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens durch Duldungsbescheid zu erfolgen. Für die Bildung eines Vertrauenstatbestandes bestand deshalb ebenso wenig Raum wie für die Frage einer etwa unzulässigen Rückwirkung (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 821 ff.).

Da die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die durch Art. 18 Nr. 5 StBereinG 1999 erst im Dezember 1999 erfolgte Klarstellung, dass der Duldungsbescheid der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach dem AnfG 1999 gleichstehe, gegen das Rückwirkungsverbot für belastende Gesetze verstößt, im Streitfall ohnehin nicht klärungsfähig ist, weil die Überleitungsvorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999 den vor dem 1. Januar 1999 erlassenen Duldungsbescheid nicht berührt, ist auch der behauptete Zulassungsgrund, es bedürfe einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht ausreichend dargelegt bzw. nicht gegeben (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835).

2. Soweit sich die Beschwerde mit umfangreichen Ausführungen dagegen wendet, dass die Vorinstanz die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Klägerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. bejaht hat, richtet sich ihr Vorbringen gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Solche Einwände sind grundsätzlich nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen (BFH-Beschluss vom 10. Juli 2002 X B 170/00, BFH/NV 2002, 1481).

3. Die erhobene Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 2 Satz 3 FGO), weil das FG es unterlassen habe, die Höhe der von der Klägerin zu erbringenden Unterhaltsleistungen an ihren Ehemann zu ermitteln, ist nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Zum einen fehlt es an dem Vortrag, dass dieser --verzichtbare-- Mangel in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich gewesen ist (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217, m.w.N.). Zum anderen ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, inwiefern die Aufklärung zur Höhe und zum Umfang der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1999 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, und Senatsbeschluss vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37, m.w.N.). Das FG verneint nämlich die Entgeltlichkeit der Pflichtteilsübertragung durch den Kläger auf seine Ehefrau schon deshalb, weil sich der Unterhaltsanspruch des Ehemannes gegen die Klägerin bereits aus dem Gesetz ergebe (Hinweis auf §§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und nicht als Gegenleistung einer Vermögensübertragung begründet werden müsse und führt zusätzlich aus, dass der Ehemann eine eventuelle Unterhaltsbedürftigkeit durch die Übertragung des Pflichtteilsanspruchs auf die Klägerin erst herbeigeführt habe, so dass es auf den Umfang der Unterhaltsverpflichtung nach Auffassung des FG gar nicht angekommen ist. Soweit die Klägerin diese materiell-rechtliche Würdigung durch das FG in Frage stellt, liegt darin kein die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund.

Ende der Entscheidung

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