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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: VII B 261/01
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977, FGO


Vorschriften:

UStG § 18 Abs. 3
AO 1977 § 151
AO 1977 § 150 Abs. 1
AO 1977 § 181 Abs. 2
AO 1977 § 150 Abs. 1 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) begehrt von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) die kostenfreie Übersendung der amtlichen Vordrucke für die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung und zur Umsatzsteuer 1998.

Das FA lehnte das Begehren ab. Aufgrund der angespannten Haushaltslage würden in Berlin seit 1996 die amtlichen Vordrucke nicht mehr kostenfrei, sondern nur gegen Voreinsendung von Briefmarken im Wert von 3 DM versandt. Die amtlichen Vordrucke könnten kostenlos in den Finanzämtern sowie bei der Senatsverwaltung für Finanzen, den Bezirksämtern und der Oberfinanzdirektion (OFD) abgeholt werden.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Verpflichtungsklage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Die Finanzverwaltung sei nicht zur Zusendung der amtlichen Erklärungsvordrucke verpflichtet. Vielmehr sei der Steuerpflichtige im Rahmen seiner ihm obliegenden Mitwirkungspflicht gemäß § 150 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gehalten, sich die Vordrucke zu beschaffen. Der damit verbundene Aufwand sei regelmäßig sehr gering und deshalb auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu beanstanden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht wird.

Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und ein Verfahrensfehler nicht vorliegt.

1. Die von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, ob die Finanzbehörde nach Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung dem Bürger auf eigene Kosten als Teil der Kommunikationskosten die Steuervordrucke nach § 150 Abs. 1 AO 1977 zusenden muss, oder ob der Bürger im Rahmen seiner steuerlichen Mitwirkungspflichten für die Abholung oder Zusendung dieser Formulare verantwortlich ist, ist nicht klärungsbedürftig. Die streitige Rechtsfrage lässt sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten (vgl. zu diesem Kriterium z.B. Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496, m.w.N.).

Die Klägerin hat, wie das FG zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf kostenlose Übersendung der Steuererklärungsvordrucke. Ein derartiger Anspruch ist weder durch eine gesetzliche Regelung begründet, noch kann er im Wege der Auslegung aus den den Steuerpflichtigen obliegenden gesetzlich normierten Mitwirkungspflichten abgeleitet werden.

Ein Anspruch auf Übersendung der Steuererklärungsvordrucke ist weder in der AO 1977 noch in den Einzelsteuergesetzen geregelt. Gesetzlich geregelt ist nur die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Diese Verpflichtung ergibt sich im Streitfall für die Umsatzsteuer aus § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus § 181 Abs. 2 AO 1977 i.V.m. § 150 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Aus der Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck kann jedoch nicht, wie die Klägerin meint, rückgeschlossen werden, dass der entsprechende Vordruck dem Steuerpflichtigen übersandt werden muss. Die Regelungen in § 150 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 und § 18 Abs. 3 UStG begründen vielmehr die dem einzelnen Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren. Normadressat ist daher zunächst nur der Steuerpflichtige und nicht die Finanzverwaltung. Daraus folgt zugleich, dass der Steuerpflichtige, um seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen zu können, grundsätzlich auch für die Beschaffung der Vordrucke Sorge tragen muss (vgl. Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 150 AO 1977 Rz. 8; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 149 AO 1977 Rz. 4; Pump/Lohmeyer, Kommentar zur Abgabenordnung, § 150 Rz. 9; Dumke in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl., § 150 Rz. 3). Durch die Anordnung der Verwendung eines amtlichen Vordrucks bzw. der Verwendung eines selbst gefertigten Vordrucks, der den amtlichen Vordrucken drucktechnisch entspricht (vgl. die Grundsätze für die Verwendung von Steuererklärungsvordrucken, Bundesministerium der Finanzen vom 14. November 1996, BStBl I, 1411), wird die Finanzverwaltung lediglich mittelbar zum Tätigwerden insoweit verpflichtet, als sie, auch ohne dass dies einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurfte, einen amtlichen Vordruck zu erstellen und dem Steuerpflichtigen zur Verfügung zu stellen hat, da anderenfalls der Steuerpflichtige seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachkommen kann (Schick, Die Steuererklärung, Steuer und Wirtschaft 1988, S. 301, 305). Zur Verfügung gestellt sind die Vordrucke dem Steuerpflichtigen aber bereits dann, wenn sie von der Finanzverwaltung in ausreichender Anzahl gefertigt und zur Abholung in den öffentlichen Diensträumen der Finanzverwaltung oder in anderen öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten bereitgehalten werden. Diesen Anforderungen ist im Streitfall Genüge getan, denn die amtlichen Vordrucke lagen zur Abholung in den Finanzämtern sowie bei der Senatsverwaltung für Finanzen, den Bezirksämtern und der OFD bereit.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Steuerpflichtige durch die Pflicht zur Selbstbeschaffung der amtlichen Vordrucke unzumutbar belastet sein könnte. Der durch die Selbstbeschaffung entstehende Zeit- und Kostenaufwand ist gemessen an dem Aufwand, der von den Steuerpflichtigen für die Erstellung und Abgabe der Steuererklärung erwartet wird, zumal in einem Stadtstaat wie Berlin, in dem die Vordrucke flächendeckend bei allen 23 Finanzämtern, den Bezirksämtern und anderen Behörden bereitgehalten werden, von untergeordneter Bedeutung. Das durfte der Gesetzgeber in § 150 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 auch in pauschalierender Weise voraussetzen. Angesichts der Massenverwaltung kann von den Finanzämtern auch nicht erwartet werden, dass sie in jedem Einzelfall den individuellen Zeitaufwand für die Vordruckbeschaffung ermitteln. Im Übrigen hat der Gesetzgeber durch die Regelung in § 151 AO 1977 für besondere Ausnahmetatbestände die Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle vorgesehen, um damit etwaigen Härten zu begegnen. Hinzu kommt im Streitfall, dass das FA grundsätzlich bereit ist, die Erklärungsvordrucke an die Klägerin zu versenden, soweit diese dem FA zuvor 3 DM in Briefmarken zukommen lässt. Der Zeit- und Kostenaufwand stellt insoweit ersichtlich, ohne dass es einer näheren Untersuchung oder Begründung bedürfte, keine unzumutbare Belastung der Klägerin dar. Ob und inwieweit durch Einsendung der Briefmarken die Verwaltungsaufwendungen des FA gedeckt werden, oder bei diesem durch die Übersendung der Briefmarken und deren Verwertung weit höhere Kosten verursacht werden, wie die Klägerin behauptet, bedarf keiner Klärung, weil die Richtigkeit der Behauptung unterstellt, die Klägerin durch einen nicht kostendeckenden Beitrag für eine Verwaltungstätigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt, sondern vielmehr begünstigt wird; eine Rechtsverletzung daraus mithin nicht abgeleitet werden kann. Ebenso unbeachtlich ist in diesem Kontext auch, ob die Briefmarken für den Versand der Vordrucke verwendet werden.

Einen Anspruch auf kostenfreie Übersendung der Vordrucke kann die Klägerin auch nicht aus der bis 1997 ausgeübten jahrzehntelangen Verwaltungspraxis des FA ableiten. Soweit das FA die Vordrucke bis 1997 kostenfrei übersandte, handelte es sich um eine freiwillige Serviceleistung gegenüber dem Bürger. Ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf Fortführung dieser Serviceleistung erwächst dem Steuerpflichtigen daraus nicht.

2. Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel geltend macht, weil das FG nicht geprüft habe, ob der Verwaltungsaufwand für die eingehenden Briefmarken weit höher sei als deren Wert und das FG dem angebotenen Beweisantrag nicht nachgegangen sei, rechtfertigt dies die Zulassung der Revision nicht. Denn, wie unter 1. ausgeführt, sind die Tatsachen, deren Aufklärung die Klägerin begehrt, für die Entscheidungsfindung unerheblich; die Entscheidung beruht daher nicht auf dem Verfahrensmangel. Abgesehen davon ist der Verfahrensmangel nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO eentsprechend dargelegt worden.

Ende der Entscheidung

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