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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: VII B 268/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 3
FGO § 126 Abs. 4
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH wegen rückständiger Lohnsteuern und steuerlicher Nebenleistungen der GmbH mit Haftungsbescheid in Anspruch. Ein Teil der rückständigen Lohnsteuern entfiel auf das Gehalt des Klägers, welches in dem Haftungszeitraum dem Kläger nicht ausgezahlt, sondern als "Kontokorrent-Darlehen" der GmbH zur Verfügung gestellt wurde.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Steuerberater F als Zeugen dafür zu hören, dass im Haftungszeitraum keine Mittel zur Verfügung standen, um Steuern zu zahlen, ist das FG nicht nachgekommen. In den Entscheidungsgründen führt das FG diesbezüglich aus, der Zeugenbeweis sei untauglich, da nicht dargelegt worden sei, aufgrund welcher Unterlagen der Zeuge in der Lage sein könnte, die für die Ermittlung einer möglichen Haftungsquote notwendige Bestandsaufstellung über die Eigen- und Fremdmittel zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten zu machen und einen Liquiditätsstatus für die GmbH zu erstellen. Sollte der Zeuge wider Erwarten anhand ihm vorliegender Unterlagen zur Auskunft in der Lage sein, wäre es erst recht Sache des Klägers gewesen, sich die Unterlagen zu beschaffen und den pauschalen Sachvortrag zu ergänzen. Der Prozessvertreter habe auch in der mündlichen Verhandlung nicht erläutert, warum der Kläger sich die Unterlagen nicht habe besorgen können. Der Kläger befinde sich daher auch nicht in einem entschuldbaren Beweisnotstand.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision, da das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruhe und über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sei.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Mit der Behauptung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) macht der Kläger einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, der grundsätzlich eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers schlüssig die erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema, also die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen, ergeben, da dem Kläger für seine Verfahrensrüge insoweit eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung zugute kommt. Denn soweit das FG --wie im Streitfall-- selbst begründet hat, weshalb von der Erhebung einzelner Beweise (hier: der Einvernahme des Steuerberaters F als Zeugen) abgesehen worden ist, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zusätzlich auch in der Beschwerdeschrift eine unnötige Förmelei darstellen würde. Es genügt daher insoweit bereits die schlichte Rüge der Nichtvernehmung den Anforderungen des § 120 Abs. 3 FGO, die auch bei einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblich sind (Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597, m.w.N. zu § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO a.F.).

Der von dem Kläger gerügte Verfahrensverstoß liegt aber nicht vor. Die Pflicht des FG zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) wird durch die Vorentscheidung nicht verletzt. Das FG hat dem Antrag des Klägers auf Vernehmung des Steuerberaters F als Zeuge jedenfalls im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten worden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. April 1988 III R 59/83, BFH/NV 1989, 38). Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt, das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar ist (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311) oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (Senatsbeschluss vom 31. August 2000 VII B 181/00, BFH/NV 2001, 318). Auch ist das FG nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841, m.w.N.).

Die zur Ablehnung des Beweisantrages angeführten Gründe in der Vorentscheidung stehen im Kontext mit den Ausführungen zu der Rechtsfrage, ob die Lohnsteuer hinsichtlich der Geschäftsführervergütung überhaupt entstanden ist (1. c der Entscheidungsgründe). Nach Auffassung des FG war die Lohnsteuer für das Geschäftsführergehalt, auch ohne dass dieses zur Auszahlung gelangt war, entstanden. Der Gehaltszufluss und damit die Entstehung der darauf entfallenden Lohnsteuer wären nur dann zu verneinen gewesen, wenn die für die Gehaltszahlung erforderlichen Zahlungsmittel gefehlt hätten. Zwar habe das FA hinsichtlich der Liquidität der GmbH keine Feststellungen getroffen, derartige Feststellungen seien aber nicht möglich gewesen, da der Kläger entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt habe. Insoweit sei der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb der Kläger die erforderlichen Unterlagen nicht habe beschaffen können. In diesem Zusammenhang stehen sodann die Ausführungen des FG, der vom Kläger benannte Zeuge sei ein untaugliches Beweismittel, da nicht nachvollziehbar sei, aufgrund welcher Unterlagen der Zeuge die vom Kläger geforderten Angaben machen könne. Er sei nicht in der Lage, die für die Ermittlung einer möglichen Haftungsquote notwendige Bestandsaufstellung über die Eigen- und Fremdmittel zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten zu machen und einen Liquiditätsstatus zu erstellen. Mit diesen Ausführungen hat das FG zum Ausdruck gebracht, dass es die Aussage des Zeugen dem Grunde nach für entscheidungserheblich hält, es aber davon ausgeht, dass der Zeuge die entscheidungserheblichen Tatsachen nicht werde darlegen können. Diese Würdigung ist eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung, die einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellt.

Gleichwohl kann dieser Verfahrensfehler in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2001 VII B 231/00, BFH/NV 2001, 1012) nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Senat hält den Beweisantrag des Klägers nämlich für unerheblich, da die unter Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungserheblich ist. Nach dem Protokoll hat der Kläger die Zeugeneinvernahme des Steuerberaters F nur zum Nachweis der Tatsache beantragt, dass ihm (dem Kläger) keine Mittel zur Steuerzahlung zur Verfügung standen. Selbst wenn diese Tatsache durch den Zeugen bestätigt würde, ließen sich daraus keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob der GmbH ausreichende Mittel zur Gehaltszahlung zur Verfügung gestanden haben. Die unter Beweis gestellte Tatsache hat für die Frage der Entstehung der Lohnsteuer hinsichtlich des Geschäftsführergehaltes keine Aussagekraft.

Ebenso wenig ist die unter Beweis gestellte Tatsache entscheidungserheblich für die Beurteilung der Höhe des Haftungsschadens. Zwar ist dem Grunde nach eine Haftungsbeschränkung zu bejahen, wenn dem Geschäftsführer außer den in voller Höhe ausgezahlten Nettolöhnen keine sonstigen Zahlungsmittel zur Verfügung stehen. Die Haftungsbeschränkung kommt im Rahmen eines längeren Haftungszeitraums aber allenfalls für die letzten Lohnsteueranmeldungszeiträume in Betracht, denn aus der Tatsache, dass über mehrere Monate hinweg die Löhne immer wieder ungekürzt ausgezahlt worden sind, folgt, dass der Geschäftsführer jedenfalls über ausreichende Mittel verfügte, um jeweils die für den vorangegangenen Kalendermonat angemeldete und rückständige Lohnsteuer in voller Höhe an das FA zu entrichten. Indes kann auch für den oder die letzten Lohnzahlungszeiträume eines Haftungszeitraums die dargelegte Haftungsbeschränkung nur im Ausnahmefall eingreifen. Denn sie setzt voraus, dass dem Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt der letzten Lohnzahlung nur Mittel in Höhe der ausbezahlten Nettolöhne zur Verfügung standen. Das FA und das FG haben in diesen Fällen zu ermitteln, ob die von dem haftenden Geschäftsführer vertretene Gesellschaft seit dem Zeitpunkt der Zahlung der letzten Nettolöhne noch andere Gläubiger befriedigt hat. Der Haftungsschuldner hat die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Behauptung zu tragen, dass außer den in voller Höhe ausgezahlten Nettolöhnen keine sonstigen Zahlungsmittel zur Verfügung standen (Senatsurteil vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind zumindest die Nettolöhne der bei der GmbH neben dem Kläger beschäftigten Arbeitnehmer in voller Höhe ausgezahlt worden, so dass die Haftungsbeschränkung wegen fehlender Zahlungsmittel nicht zum Tragen kommt. Auch die unter Beweis gestellte Tatsache, dass keine Mittel zur Steuerzahlung zur Verfügung standen, rechtfertigt bei ihrer Erweislichkeit eine Haftungsbeschränkung nach der dargelegten Rechtsprechung des Senats für die oder den letzten Monat des Haftungszeitraums nicht. Denn allein diese Tatsache lässt keine Rückschlüsse darauf zu, ob im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuern oder zu einem späteren Zeitpunkt andere Gläubiger vorrangig befriedigt worden sind und ob angesichts der sich offensichtlich abzeichnenden schwierigen Liquiditätslage der GmbH der Kläger, um eine drohende Inanspruchnahme zu vermeiden, auch die Löhne am Ende des Haftungszeitraums nur gekürzt hätte auszahlen dürfen.

2. Soweit der Kläger die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, ist die Beschwerde unzulässig, da es an der Herausstellung einer abstrakten Rechtsfrage fehlt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Mit dem Vorbringen, aus der Tatsache der Konkursantragsstellung sowie dem Umstand, dass das Konkursverfahren nicht eröffnet worden sei, seien die Liquiditätsschwierigkeiten der GmbH indiziell bewiesen und hätten zumindest zu einer quotenmäßigen Herabsetzung der Haftungsschuld führen müssen, wird lediglich eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb einer Prüfung im Rahmen einer Verfahrensrevision entzogen (Senatsurteil vom 20. September 1994 VII R 40/93, BFH/NV 1995, 485; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82).

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