Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.06.2001
Aktenzeichen: VII B 269/00
Rechtsgebiete: MinöStV, FGO


Vorschriften:

MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Mineralölhändlerin, begehrt von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) wegen Zahlungsausfalls eines in Vermögensverfall geratenen Warenabnehmers (Tankstellenbetreiber) die Vergütung des in den ausgefallenen Kaufpreisforderungen enthaltenen Mineralölsteueranteils aus insgesamt vierzehn Lieferungen im Zeitraum vom 16. Mai bis 5. August 1994. Den am 21. Mai 1996 von der Klägerin gestellten Vergütungsantrag in Höhe von ca. 350 000 DM lehnte das HZA mit Bescheid vom 5. Mai 1997 ab. Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1997) blieb auch die vor dem Finanzgericht (FG) erhobene und um den Betrag von 10 000 DM (Selbstbehalt) reduzierte Klage der Klägerin ohne Erfolg.

Das FG ging davon aus, dass die vom Vergütungsberechtigten nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV) vom 15. September 1993 (BGBl I, 1602) geforderte laufende Überwachung der Außenstände nebst rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung ersetzt bzw. modifiziert werden könne, wenn sich die Forderungen in einem bestimmten eingeräumten Kreditrahmen bewegten und dieser durch entsprechende werthaltige Sicherheiten abgedeckt sei. In einem solchen Fall verlagere sich das Überwachungs- und Mahnverfahren auf die Kontrolle der Einhaltung des Kreditrahmens. Das FG befand indes, dass die Voraussetzungen für eine solche Modifizierung im Streitfall nicht gegeben seien. Der von der Klägerin ihrem Abnehmer eingeräumte und noch im Mai 1994 auf 550 000 DM aufgestockte Kreditrahmen sei durch die ihr bestellten Sicherheiten (drei am 3. Juni 1993, 12. August 1993 und 16. Mai 1994 bestellte Grundschulden an dem Betriebs- und an einem Wohngrundstück des Abnehmers in Höhe von insgesamt 550 000 DM) nicht werthaltig abgesichert gewesen.

Zu diesem Schluss kam das FG aufgrund der Lage und Bebauung der Grundstücke (Grenznähe zur Tschechischen Republik; kritische Ertragslage von Tankstellen im dortigen Bereich angesichts der Möglichkeit von Tankfahrten ins billige Ausland und der sich daraus ergebenden mangelnden Nachfrage nach solchen Betriebsgrundstücken) sowie insbesondere der nachrangigen Grundbuchabsicherung der bestellten Grundschulden. Die nachträglich zur Versteigerung der Grundstücke im April 1995 von der Klägerin in Auftrag gegebenen Wertgutachten, die einen gegenüber dem Betrag der eingeräumten Grundschulden erheblich höheren Wert der Grundstücke auswiesen, änderten hieran nichts. Es sei eine Tatsache, dass für Grundstücke bei einer Zwangsversteigerung mitunter nur Teile ihres Werts erzielt würden. Dies belegten auch die wiederholten Versteigerungsversuche im Streitfall. Es entspreche daher nicht der Handlungsweise eines ordentlichen und sorgfältigen Kaufmanns, Waren gegen Kredit zu liefern, der mit nachrangigen Grundpfandrechten abgesichert sei, bei denen er damit rechnen müsse, im Falle einer Zwangsversteigerung, wie denn auch geschehen, leer auszugehen. Mangels ausreichender Werthaltigkeit der Sicherheiten hätte die Klägerin nicht von der Einhaltung des in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV geforderten Mahnverfahrens unter Fristsetzung nebst der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung der Forderung absehen dürfen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begehrt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob ein Gericht die Frage der Werthaltigkeit eines Grundstücks, was keine Rechtsfrage, sondern eine Sachfrage sei, aus eigener Sachkunde bzw. eigener Lebenserfahrung beurteilen könne. Die Klägerin vertritt hierzu die Auffassung, das FG hätte nur nach vorheriger Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Werthaltigkeit eines Grundstücks im entscheidungserheblichen Zeitpunkt gegeben sei, entscheiden dürfen. Die aufgeworfene Frage sei für die gesamte Mineralölbranche von Bedeutung, da diese bei einer Bestätigung der Auffassung des FG davon ausgehen müsse, dass eine Eigenbewertung oder eine Bewertung durch beauftragte Fachleute keinerlei Sicherheit im Rahmen der Überprüfung durch die FG biete.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Maßgeblich für die Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde und damit auch für deren Begründetheit sind noch die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, da die angefochtene Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I, 1757).

2. Der Senat kann offen lassen, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt hat, denn dieser Rechtsfrage kommt ersichtlich eine solche Bedeutung nicht zu. Im Zusammenhang mit der vom FG vertretenen Auffassung, wonach von der Einhaltung der in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV von einem ordentlichen und sorgfältigen Kaufmann zur Wahrung des Vergütungsanspruchs geforderten Maßnahmen zunächst abgesehen werden könne, wenn der von ihm seinem Kunden eingeräumte Kreditrahmen durch werthaltige Sicherheiten abgedeckt sei, ist die aufgeworfene Rechtsfrage klar und eindeutig in dem Sinne zu beantworten, wie das FG vorgegangen ist und entschieden hat.

Zutreffend gehen FG und auch die Klägerin davon aus, dass sich die Frage der Werthaltigkeit einer Grundschuld zunächst und in erster Linie bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Bestellung stellt. Folgt man der vom FG vertretenen Lösung, für die sicher gute Gründe sprechen, so muss jedenfalls gefordert werden, dass die von der Klägerin zur Wahrung ihres möglichen Vergütungsanspruchs durchgeführten Maßnahmen ebenso wirksam wie die vom Gesetz geforderten Maßnahmen sind. Räumt der Mineralöllieferant seinem Abnehmer einen Kreditrahmen ein, ist er verpflichtet, für eine wirksame und volle Absicherung dieses Kredits Sorge zu tragen. Lässt er sich dingliche Sicherheiten an Grundstücken bestellen, muss er sich vergewissern und dafür sorgen, dass diese Sicherheiten im Ernstfall auch voll realisiert werden können. Als sorgfältiger Kaufmann darf er daher grundsätzlich nur erstklassige Sicherheiten akzeptieren. Erstrangige Grundpfandrechte erfüllen diese Vorgaben, sofern sie die im Kreditgewerbe übliche Beleihungsgrenze nicht überschreiten. Bei nachrangigen Grundpfandrechten, wie bei denen im Streitfall bestellten, kann ein sorgfältiger Kaufmann nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass sie bei einer Versteigerung des Grundstücks voll zu realisieren wären, jedenfalls, wenn vorrangige Grundpfandrechte, wie im Streitfall, in erheblicher Größenordnung bestehen.

Feststellungen in dieser Richtung können ohne weiteres von den Gerichten aus eigener Sachkunde und eigener Erfahrung und Anschauung getroffen werden. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Werthaltigkeit einer dinglichen Sicherheit an einem Grundstück bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn die Werthaltigkeit, wie im Streitfall, nicht exakt ermittelt zu werden braucht, weil sie, soll die Sicherheit ihre Funktion erfüllen, für jedermann klar und offensichtlich vorhanden sein muss. Weshalb eine solche Beurteilung nicht vom Richter getroffen werden könnte, ist nicht nachvollziehbar. Auch die Beschwerde hat dafür keinen einleuchtenden Grund angeben können. Wenn das FG --so sieht es der Senat-- als tragende Begründung für seine Annahme einer ungenügenden Werthaltigkeit der Sicherheiten auf die Nachrangigkeit der bestellten Grundpfandrechte abhebt ("Es entspricht daher nicht der Handlungsweise eines ordentlichen und sorgfältigen Kaufmanns, Waren gegen Kredit zu liefern, der mit nachrangigen Grundpfandrechten abgesichert ist, bei denen er damit rechnen muss, im Falle einer Zwangsversteigerung leer auszugehen."), so ist dies eine rechtliche Wertung, die zu den Aufgaben des Gerichts und nicht zu denen eines Sachverständigen gehört.

Im Übrigen weist der Senat noch auf Folgendes hin: Die Klägerin hat sich bei der Bestellung der Grundschulden entweder überhaupt nicht über deren Werthaltigkeit vergewissert oder war doch sehr sorglos in dieser Hinsicht. Denn bei beiden, im Juni und August 1993 sowie im Mai 1994 mit den Grundschulden belasteten Grundstücken war bereits am 17. November 1992 in Abt. II des jeweiligen Grundbuchs die gerichtliche Anordnung der Zwangsversteigerung eingetragen. Der Senat kann dies berücksichtigen, weil das FG in der angefochtenen Entscheidung auf die beiden Grundbücher Bezug genommen hat und die entsprechenden Auszüge Bestandteil der FG-Akten sind. Unter Berücksichtigung auch dieses zusätzlichen Umstandes bedarf die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage keiner weiteren Erörterung. Ist ein nachrangiges Grundpfandrecht als Sicherheit zu einem Zeitpunkt akzeptiert worden, als bereits eine nur wenige Monate zurückliegende Versteigerungsanordnung im Grundbuch eingetragen war, so bedarf es keines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage der Werthaltigkeit der Sicherheit. Das Gericht beginge nachgerade eine Amtspflichtverletzung, würde es ein solches in Auftrag geben.



Ende der Entscheidung

Zurück