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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.04.2001
Aktenzeichen: VII B 28/01
Rechtsgebiete: GVG, FGO


Vorschriften:

GVG § 169
GVG § 193
GVG § 194
GVG § 195
GVG § 196
GVG § 197
FGO § 104 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 104 Abs. 1
FGO § 105
FGO § 105 Abs. 6
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 52 Abs. 1
FGO § 103
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 105 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Nach Schließung der mündlichen Verhandlung am 8. November 2000 hat der Vorsitzende des erkennenden Senats des Finanzgerichts (FG) ausweislich des Protokolls den Beschluss verkündet, dass eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt wird. Das ergangene Urteil ist nach Aktenlage am 20. Dezember 2000 ausgefertigt und versendet und am 21. Dezember 2000 den Prozessbevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) zugestellt worden. Mit dem Urteil ist die Klage des Klägers gegen die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) verfügte Ladung zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgewiesen worden.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er beanstandet, dass sich aus dem Urteil nicht ergebe, wann über das Urteil beraten worden sei, wer an der Beratung teilgenommen habe und ob und inwieweit das FG das Verfahren nach § 104 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch rechtzeitige Beratung vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist eingehalten habe. Die Rechtsfrage, welchen Inhalt das Urteil im Falle des Verfahrens von § 104 Abs. 2 FGO hinsichtlich der Einhaltung dieses Verfahrens haben müsse, sei von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Darüber hinaus macht der Kläger auch einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Dieser liege darin, dass ausweislich des Protokolls und des Urteils die Beratung über die mündliche Verhandlung nicht binnen der Zwei-Wochen-Frist bis zum 22. November 2000 erfolgt und der Urteilstenor nicht innerhalb dieser Frist festgelegt worden sei. Das Urteil beruhe auf diesem Verfahrensfehler, weil nach der gesetzlichen Wertung nicht auszuschließen sei, dass die Erinnerung der Richter an den Inhalt der mündlichen Verhandlung nach Ablauf der Frist nicht mehr hinreichend sei. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass die Beschlussfassung ohne die ehrenamtlichen Richter stattgefunden habe.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Im Streitfall sind für die Zulässigkeit des Rechtsmittels gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 1757) noch die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften maßgeblich, weil das angefochtene Urteil am 22. Dezember 2000, also vor dem 1. Januar 2001, von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist.

2. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat, denn dieser Frage kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht klärungsbedürftig, denn ihre Beantwortung ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz (s. zu diesem Kriterium etwa Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 23. Februar 1994 IX B 90/93, BFH/NV 1994, 712).

Der Inhalt eines Urteils, das nach § 104 Abs. 2 FGO statt der Verkündung von Amts wegen zugestellt worden ist, ist kein anderer als der Inhalt eines nach § 104 Abs. 1 FGO verkündeten Urteils. Denn ob ein Urteil verkündet worden ist oder zugestellt wird, hat auf die Form und den Inhalt des Urteils keinen Einfluss, wie sich aus § 105 FGO ergibt. Lediglich anhand des vorgeschriebenen Vermerks, den der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu gegebener Zeit auf dem Urteil gemäß § 105 Abs. 6 FGO anzubringen und mit seiner Unterschrift zu bestätigen hat, wird äußerlich ersichtlich, ob das Urteil verkündet oder statt der Verkündung zugestellt worden ist.

Nicht gefordert vom Gesetz wird insbesondere ein Hinweis auf dem Urteil darauf, ob im Falle des § 104 Abs. 2 FGO das dort vorgeschriebene Verfahren, also die Übergabe des vollständigen Urteils bzw. der unterschriebenen Urteilsformel, was zunächst ausreicht (§ 105 Abs. 4 Satz 2 FGO analog, vgl. das BFH-Urteil vom 6. November 1985 II R 217/85, BFHE 145, 120, BStBl II 1986, 175, und Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 104 Rz. 9, jeweils m.w.N.), binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung an die Geschäftsstelle, eingehalten worden ist. Die Übergabe an die Geschäftsstelle kann formlos erfolgen, denn ein förmliches Verfahren, wie etwa gesonderte Übergabe mittels schriftlicher Übergabeanordnung durch den Vorsitzenden, Vermerk des Datums der Übergabe auf dem Urteil durch die Geschäftsstelle oder Ähnliches, ist nicht vorgeschrieben (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Januar 1987 9 C 247.86, BVerwGE 75, 337, 342; BFH-Beschluss vom 24. November 1994 X B 146-149/94, BFH/NV 1995, 692; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 104 FGO Rz. 32). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass das angefochtene Urteil keinen Hinweis auf die Einhaltung des Verfahrens nach § 104 Abs. 2 zweiter Halbsatz FGO enthält.

Ein Rechtsschutzdefizit für den Verfahrensbeteiligten wird durch die formlose Übergabe nicht bewirkt, denn nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist kann er sich bei der betreffenden Senatsgeschäftsstelle danach erkundigen, ob das Urteil dort eingegangen ist und wie die Urteilsformel lautet (vgl. BFH/NV 1995, 692; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O, § 104 FGO Rz. 42). Der Senat teilt die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, Urteil vom 30. April 1986 25 B 82 C.762, Bayerische Verwaltungsblätter 1986, 655), dass der Verfahrensbeteiligte insoweit einen Rechtsanspruch auf formlose Bekanntgabe hat (offen gelassen in BFH/NV 1995, 692). Bei einem solchen Vorgehen hat der Beteiligte gleichzeitig auch die Möglichkeit, die Einhaltung des in § 104 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Verfahrens zu kontrollieren. Selbstverständlich steht es den Senatsgeschäftsstellen aber frei, aus Gründen der Rechtsklarheit und um Rechtsstreitigkeiten wie im vorliegenden Fall von vornherein zu vermeiden, freiwillig einen Vermerk mit dem Übergabedatum auf dem Urteil bzw. dem von den Berufsrichtern unterschriebenen Blatt mit dem Urteilstenor anzubringen. Aus der dem Senat bekannten entsprechenden Handhabung bei einigen Gerichten kann der Kläger jedoch nichts für sich herleiten.

3. Aus Vorstehendem folgt, dass in dem Fehlen eines Hinweises auf der Urteilsurkunde auf die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 104 Abs. 2 FGO auch kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu sehen ist. Die darüber hinausgehenden Verfahrensrügen des Klägers sind teils unschlüssig, teils im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich.

a) Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Klägers, aus dem Urteil ergebe sich nicht, wann über das Urteil beraten worden sei und wer an der Beratung teilgenommen habe. Im Rubrum des Urteils sind, wie es sich gehört (§ 105 Abs. 2 Nr. 2 FGO), die an der Urteilsfindung beteiligten drei Berufsrichter und die beiden ehrenamtlichen Richter namentlich angegeben. Unmittelbar vor der Urteilsformel ist festgehalten, dass der FG-Senat "aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 08.11.2000 für Recht erkannt hat: ...". Hieraus ergibt sich in Verbindung mit dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2000 klar und eindeutig, dass der FG-Senat nach Schließung der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung des Beschlusses, dass eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt wird, noch an diesem Tag, nämlich zu irgendeinem Zeitpunkt am 8. November 2000, der nach 14.19 Uhr, dem protokollierten Ende der mündlichen Verhandlung, gelegen haben muss, seine Sitzung, nunmehr in nicht öffentlicher Weise fortgeführt und während dieser Sitzung unter Mitwirkung der genannten Richter, die im Übrigen auch im Protokoll als Teilnehmer der mündlichen Verhandlung aufgeführt sind, das Urteil beraten und beschlossen hat. Der Kläger verkennt offensichtlich, dass der Begriff der Sitzung nicht identisch mit dem der mündlichen Verhandlung sein muss. Mit der Schließung der regelmäßig öffentlichen mündlichen Verhandlung (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--) wird nicht zwangsläufig gleichzeitig auch die Sitzung des Gerichts beendet. Beratung, Abstimmung und Urteilsfällung erfolgen in der Regel im Anschluss an die öffentliche Sitzung in nicht öffentlicher Sitzung (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 193 bis 197 GVG). Die genaue Uhrzeit der Beratung und Entscheidungsfindung muss nicht angegeben werden. Dieses in der Praxis übliche Verfahren ist in keiner Weise zu beanstanden. Hätte das FG nicht noch am gleichen Tag beraten und das Urteil gesprochen, hätte es im Rubrum einen anderen Sitzungstag angeben müssen (etwa "nach mündlicher Verhandlung am 08.11.00 in der Sitzung vom ..."). Die Urteilsfindung als solche und die Mitwirkung der an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richter an der Urteilsfindung brauchten ferner auch nicht in der Sitzungsniederschrift (nachträglich) oder sonst wo protokolliert zu werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. August 1993 VII R 126/92, BFH/NV 1994, 252, und vom 28. April 1999 V R 49/98, BFH/NV 1999, 1364).

b) Sollte der Kläger behaupten wollen, einer oder mehrere der genannten Berufsrichter und ehrenamtlichen Richter hätten im Gegensatz zur Bekundung auf dem Rubrum an der Beratung und Urteilsfällung nicht teilgenommen oder das Urteil sei entgegen § 103 FGO nicht von den Richtern gefällt worden, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, so hätte er dies mit der zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO vorbringen müssen (vgl. den Beschluss in BFH/NV 1999, 1364). Abgesehen davon entbehrt sein diesbezüglicher Vortrag jeglicher Substantiierung. Es handelt sich um reine Spekulation.

c) Dasselbe gilt für die weitere Behauptung, das angefochtene Urteil bzw. der Urteilstenor seien nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 104 Abs. 2 FGO der Geschäftsstelle übergeben worden. Allein der Hinweis auf das Fehlen eines Übergabevermerks auf dem Urteil rechtfertigt nicht den Schluss, die Frist sei nicht eingehalten worden (noch offen gelassen im BFH-Beschluss vom 28. Januar 1998 II R 40/95, BFH/NV 1998, 855, zu § 105 Abs. 4 FGO). Erforderlich wäre gewesen, den klägerischen Standpunkt mit konkreten Hinweisen zu erhärten (etwa vergebliche Versuche, von der Geschäftsstelle nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist Auskünfte zum Tenor zu erhalten, oder extrem langer Zeitablauf zwischen Verhandlung und Zustellung des Urteils, s. etwa BFH-Beschluss vom 17. September 1997 II R 37/96, BFH/NV 1998, 469). Da im Streitfall das Urteil bereits etwa sechs Wochen nach dem Termin der mündlichen Verhandlung zugestellt worden ist, erübrigt sich jegliche Diskussion um etwa vom FG nicht eingehaltene Fristen und um Fragen der Kausalität des angeblichen Verfahrensfehlers für das finanzgerichtliche Urteil (vgl. auch die BFH-Beschlüsse vom 28. April 1999 V B 90/98, BFH/NV 1999, 1362, m.w.N., und vom 26. Juli 2000 V B 56/00, BFH/NV 2001, 57).



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