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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.07.1999
Aktenzeichen: VII B 29/99
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977, BGB


Vorschriften:

FGO § 152 Abs. 1
FGO § 151 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 151 Abs. 1
FGO § 125 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 3 Satz 1
FGO § 135 ff.
ZPO § 767
ZPO § 769 Abs. 2
ZPO § 769
AO 1977 § 46 Abs. 2 und 3
AO 1977 § 37 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 226 Abs. 1
BGB § 389
BGB § 387
BGB § 388
BGB § 164 Abs. 1
BGB § 406
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Mit Kostenfestsetzungebeschluß vom 17. Juni 1996 sind die der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (Antragsgegnerin) von dem Antragsteller und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zu erstattenden Kosten aus dem zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Verfahren wegen Lohnsteuerhaftung 1983 bis 1986 auf ... DM festgesetzt worden. Nachdem die Antragsgegnerin gemäß § 152 Abs. 1 i.V.m. § 151 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Finanzgericht (FG) beantragt hatte, aus diesem Kostenfestsetzungsbeschluß die Vollstreckung zu verfügen, erhob das FA nach einem Hinweis des Gerichts seinerseits Vollstreckungsabwehrklage (§ 151 Abs. 1 FGO i.V.m. § 767 der Zivilprozeßordnung --ZPO--) mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß für unzulässig zu erklären. Hierüber hat das FG noch nicht entschieden.

Gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage begehrte das FA im Wege der einstweiligen Anordnung, die Vollstreckung einstweilen einzustellen (§ 151 Abs. 1 FGO i.V.m. § 769 Abs. 1 ZPO), bis über die Vollstreckungsabwehrklage entschieden sei. Zur Begründung trug es vor, es habe durch die Finanzkasse des FA K mit Schreiben vom 26. Juli 1996 der Antragsgegnerin die Aufrechnung mit einer Forderung wegen Lohnsteuer Januar 1990, die zum 28. Februar 1990 fällig gestellt gewesen sei, erklären lassen. Dadurch sei der Anspruch der Antragsgegnerin aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß erloschen. Zwar habe diese am 5. Februar 1992 alle sich aus der Führung des Lohnsteuerhaftungsprozesses ergebenden Ansprüche auf Kostenerstattung an ihren Prozeßbevollmächtigten abgetreten. Dies stehe aber der Aufrechnung nicht entgegen; die Abtretung sei nämlich wirkungslos, weil die Anzeige der Abtretung vor Entstehung des Anspruchs aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 17. Juni 1996, nämlich bereits am 10. Januar 1996, erfolgt sei. Zudem sei sie nicht auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck erfolgt (§ 46 Abs. 2 und 3 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Das FG hielt den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung für zulässig und begründet. Der Einwand der Aufrechnung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluß sei nach ständiger Rechtsprechung vom FA in sinngemäßer Anwendung der §§ 767, 769 ZPO im Wege der Vollstreckungsabwehrklage und bei Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes im Wege der einstweiligen Anordnung geltend zu machen. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aufgrund der Antragstellung des Gläubigers auf Verfügung der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß. Die Vollstreckungsabwehrklage des FA habe auch Aussicht auf Erfolg, da die erklärte Aufrechnung wirksam sei, die Abtretung des Anspruchs aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß, wie vom FA vorgetragen, nicht entgegenstehe und der Antragsgegnerin angesichts der relativ geringfügigen Forderung, an deren späterer Befriedigung durch das FA, sollte es in der Hauptsache doch unterliegen, keine Zweifel bestünden, ein unzumutbarer Nachteil nicht drohe.

Mit ihrer Beschwerde gegen die vom FG verfügte Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß bis zur Beendigung des Verfahrens über die Vollstreckungsabwehrklage macht die Antragsgegnerin fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG geltend. Der Anspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß sei ein prozessualer und kein abgabenrechtlicher Anspruch i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977. Er unterliege daher nicht den Abtretungsformalien des § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977, sondern sei formlos abtretbar. Folglich sei die Abtretung des künftigen Kostenerstattungsanspruchs durch die Antragsgegnerin an ihren Prozeßbevollmächtigten wirksam; die nachfolgend in Kenntnis der Abtretung erfolgte Aufrechnung des FA gegenüber der Antragsgegnerin gehe mangels Aufrechnungslage (fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen) ins Leere.

Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag des FA auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Das FA hat sich nicht geäußert.

Die nach § 128 Abs. 1 FGO zulässige, insbesondere nicht gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO ausgeschlossene Beschwerde ist begründet.

Erhebt das FA als Kostenschuldner --wie vorliegend-- gegen die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluß Vollstreckungsabwehrklage zwecks Geltendmachung der Aufrechnung in sinngemäßer Anwendung der §§ 151 Abs. 1 FGO, 767 ZPO (s. dazu Senatsbeschlüsse vom 20. Dezember 1983 VII B 73/83, BFHE 139, 494, BStBl II 1984, 205; vom 11. Mai 1993 VII B 191/92, BFH/NV 1994, 218), so ist wiederum in sinngemäßer Anwendung der §§ 151 Abs. 1 FGO, 769 ZPO die einstweilige Einstellung der Vollstreckung, die das FA im vorliegenden Verfahren beantragt hat, statthaft (BFH/NV 1994, 218, m.w.N.; Senatsbeschluß vom 22. August 1995 VII B 107/95, BFHE 178, 532, BStBl II 1995, 916). Die vom FG nach seinem pflichtgemäßen Ermessen nach § 769 ZPO getroffene Entscheidung, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 17. Juni 1996 ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, ist rechtsfehlerhaft.

1. Das FG durfte bei seiner Entscheidung nicht davon ausgehen, daß die vom FA erhobene Vollstreckungsabwehrklage (Hauptsache) Aussicht auf Erfolg hat, weil die vom FA der Antragsgegnerin erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch wegen Lohnsteuer Januar 1990 (Gegenforderung) bei summarischer Prüfung mangels Bestehens einer Aufrechnungslage in der Hauptsache wahrscheinlich nicht zu einer Feststellung des Erlöschens der Erstattungsforderung der Antragsgegnerin aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß (Hauptforderung) führen wird (§ 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 389 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--).

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Aufrechnung des FA mit einem Steueranspruch gegen einen Kostenerstattungsanspruch des Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 226 AO 1977 grundsätzlich zulässig ist (vgl. Senatsbeschluß vom 30. Juli 1996 VII B 7/96, BFH/NV 1997, 93, 94, m.w.N.). Nach § 226 Abs. 1 erster Fall AO 1977 gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis --hier: Lohnsteueranspruch Januar 1990-- sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 387 BGB kann aufgerechnet werden, wenn eine Aufrechnungslage besteht, d.h. wenn die zur Aufrechnung einander gegenüberstehenden Forderungen gegenseitig geschuldet werden und gleichartig sind, die Gegenforderung fällig und die Hauptforderung erfüllbar ist. Die Aufrechnungslage muß grundsätzlich im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) vorliegen (vgl. Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 58. Aufl. 1999, § 387 Rz. 3).

Im Streitfall hat das FA der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26. Juli 1996 die Aufrechnung erklärt. Der Senat geht davon aus, daß dieses von der Finanzkasse des FA K verfaßte Schreiben namens des FA erfolgt ist, die darin enthaltene Aufrechnungserklärung mithin für und gegen das FA wirkt (§ 164 Abs. 1 BGB). Zu diesem Zeitpunkt --exakt maßgeblich ist der Zugang des Schreibens bei der Antragsgegnerin-- waren die sich einander gegenüberstehenden Forderungen als Geldforderungen gleichartig; die Gegenforderung war (seit dem 28. Februar 1990) fällig und die Hauptforderung, der Anspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß, jedenfalls erfüllbar.

b) Es fehlte jedoch im Zeitpunkt des Zugangs der Aufrechnungserklärung an der Gegenseitigkeit der Forderungen. Die Antragsgegnerin war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Gläubigerin des Kostenerstattungsanspruchs, weil sie diesen (zukünftigen) Anspruch bereits am 5. Februar 1992 ihrem Prozeßbevollmächtigten abgetreten hatte.

Entgegen der Auffassung von FA und FG war diese Abtretung wirksam. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch, der sich aus der gerichtlichen Kostenentscheidung (§§ 135 ff. FGO) ergibt und im Kostenfestsetzungsbeschluß (§ 149 Abs. 1, § 155 FGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO) konkretisiert wird, kann grundsätzlich gepfändet, verpfändet und abgetreten werden, soweit nicht ausnahmsweise gesetzliche Ausnahmen von der Verkehrsfähigkeit bestehen (Senat in BFH/NV 1997, 93, 94). Solche sind hier nicht ersichtlich. Für die Abtretung sind, entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung, nicht die Vorschriften des § 46 AO 1977 maßgeblich. Dort sind lediglich Spezialvorschriften für die Abtretung, Verpfändung und Pfändung von Ansprüchen auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 3 AO 1977 und auf Steuervergütungen vorgesehen. Dabei handelt es sich um abgabenrechtliche Erstattungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach den §§ 135 ff. FGO hingegen kann sich zwar auch gegen das FA als Schuldner richten, ist aber kein abgabenrechtlicher Erstattungsanspruch in diesem Sinne, sondern ein Erstattungsanspruch eigener Art, der seinen Grund in der gerichtlichen Kostenentscheidung nach der FGO und nicht im Steuerschuldverhältnis nach der AO 1977 hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 139 Rz. 4 a.E.). Folglich kann der prozessuale Kostenerstattungsanspruch ohne Rücksicht auf die einschränkenden Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 4 AO 1977 formlos nach den Vorschriften des BGB abgetreten werden (ebenso Hundt-Eßwein in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 46 AO 1977 Rz. 18).

Folglich ist die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs durch die Antragsgegnerin an ihren Prozeßbevollmächtigten am 5. Februar 1992 wirksam. Dem steht nicht entgegen, daß der Kostenerstattungsanspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden war, denn nach § 398 BGB können auch künftige Ansprüche, sofern sie nur bestimmbar sind, abgetreten werden (Heinrichs in Palandt, a.a.O. § 398 Rz. 11 ff.). Insoweit hat das FA auch keine Einwände erhoben. Im Zeitpunkt des Zugangs der Aufrechnungserklärung war daher die Antragsgegnerin nicht mehr Inhaber der Hauptforderung. Mangels Vorliegens einer Aufrechnungslage ist die Aufrechnung des FA ins Leere gegangen; der Kostenerstattungsanspruch ist daher nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).

c) Ob die Voraussetzungen des § 406 BGB erfüllt sind, wonach ausnahmsweise auf das Vorliegen der Gegenseitigkeit der Forderungen verzichtet wird, da der Schuldner --in Kenntnis der Abtretung-- eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber wirksam aufrechnen kann, brauchte der Senat nicht zu prüfen. Die Anwendung des § 406 BGB setzt nämlich, wie bereits der Wortlaut der Vorschrift deutlich macht, voraus, daß der Schuldner die Aufrechnungserklärung gegenüber dem Neugläubiger abgegeben hat (vgl. Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 406 Rz. 1). Das FA hat nicht vorgebracht und nach Aktenlage ist es für den Senat auch nicht erkennbar, daß es die Aufrechnung dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin gegenüber erklärt hat.

2. Die Sache ist spruchreif. Da andere, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß hindernde Gründe nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar sind, war die Vorentscheidung aufzuheben und im Sinne der Antragsgegnerin durchzuerkennen.

Ende der Entscheidung

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