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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.04.1998
Aktenzeichen: VII B 296/97
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 37 Abs. 2
BUNDESFINANZHOF

1. Der Abtretungsempfänger ist Rückforderungsschuldner auch dann, wenn seine Unterschrift auf der Abtretungsanzeige von einem Dritten gefälscht worden ist.

2. § 818 Abs. 3 BGB ist im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO 1977 nicht anwendbar und enthält auch keinen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch bei einer Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern zu berücksichtigten ist.

3. Zur Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und zu Treu und Glauben bei der Rückforderung.

AO 1977 § 37 Abs. 2

Beschluß vom 27. April 1998 - VII B 296/97 -

Vorinstanz: FG München


Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) begehrt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Abrechnungsbescheides, mit dem der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA--) von ihr Steuern (Einkommensteuer nebst Erstattungszinsen und Solidaritätszuschlag) zurückverlangt, die an die Antragstellerin aufgrund von Abtretungsanzeigen des von einer Mitarbeiterin des FA (im folgenden: S) erfundenen nicht existierenden Steuerpflichtigen D gezahlt worden sind. S hatte, um das FA zu diesen Zahlungen zu veranlassen, von ihr erstellte Steuererklärungen des D eingereicht, die zu Erstattungen führten. Wie mit S verabredet, hat die Antragstellerin von der auf ihr Konto überwiesenen Steuererstattung wenige Tage nach deren Erhalt unter Abzug der ihr versprochenen Belohnung 95 000 DM an S weiter überwiesen. S ist inzwischen wegen Steuerhinterziehung, Untreue und Falschbeurkundung im Amt verurteilt, die mitangeklagte Antragstellerin freigesprochen worden, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe.

Das FA hat von der Antragstellerin den Erstattungsbetrag durch den Abrechnungsbescheid zurückgefordert, der Gegenstand des beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens ist. Den Antrag auf AdV dieses Bescheides in Höhe von 95 000 DM hat das FG abgelehnt. Zur Begründung dieser Entscheidung führt es im wesentlichen aus, die Antragstellerin sei Leistungsempfängerin, von der das FA den Erstattungsbetrag nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zurückfordern könne. Auf den Wegfall der Bereicherung und Treu und Glauben könne sich die Antragstellerin nicht berufen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragstellerin, zu deren Begründung ausgeführt wird:

Die Antragstellerin sei in für das FA erkennbarer Weise bloße Zahlstelle gewesen. Das ergebe sich daraus, daß in den Abtretungsanzeigen als Grund der Abtretung angegeben gewesen sei, der Steuerpflichtige besitze kein Konto im Inland. Nach dem vernünftigen Empfängerhorizont habe dem FA klar sein müssen, daß D bzw. die unter dem Namen des D handelnde S Zahlungsempfängerin sei. Im übrigen sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Oktober 1992 VII R 46/92 (BFHE 169, 570) der Zedent und nicht der Zessionar Leistungsempfänger, wenn Steuererstattungen wirtschaftlich und tatsächlich an ihn geleistet werden. Die Abtretungsanzeigen seien deshalb als bloße Zahlungsanweisungen zu deuten, so daß nach dem Beschluß des BFH vom 8. April 1986 VII B 128/85 (BFHE 146, 229, BStBl II 1986, 511) der Rückforderungsanspruch gegen den Steuerpflichtigen und nicht gegen den Zahlungsempfänger zu richten sei; das gelte erst recht im Falle eines fiktiv berechtigten Leistungsempfängers.

Weiter trägt die Antragstellerin vor, das FA habe die Antragstellerin ermessensfehlerhaft anstelle von S in Anspruch genommen, deren Opfer sie sei. Der Rückforderungsanspruch sei zudem gemäß Treu und Glauben ausgeschlossen, weil die Antragstellerin die Täuschung durch S ohne grobe Fahrlässigkeit nicht erkannt habe, dieser jedoch die Steuerhinterziehung durch Organisationsmängel und Systemfehler beim FA ermöglicht worden sei, weil hinzukomme, daß die Antragstellerin nicht mehr bereichert sei, sie aufgrund des bis zur Rückforderung verstrichenen Zeitraums von zwei Jahren und sieben Monaten mit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruches nicht mehr habe rechnen müssen und sie gegen das FA einen Schadensersatzanspruch aus § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), Art. 34 des Grundgesetzes (GG) habe.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und die Vollziehung des Abrechnungsbescheides und der Einspruchsentscheidung in Höhe von 95 000 DM auszusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vollziehung des angefochtenen Abrechnungsbescheides ist nicht auszusetzen, weil dessen Rechtmäßigkeit nicht ernstlich zweifelhaft ist und die Vollziehung auch offensichtlich keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigte Härte bedeutet (§ 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund zurückgezahlt worden, so hat, wie sich aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ergibt, das FA einen Anspruch auf Erstattung des zurückgezahlten Betrages gegen den Leistungsempfänger. Da die vom FA im Streitfall geleisteten Zahlungen auf an eine nicht existente Person gerichteten Steuerbescheiden beruhten und diese Bescheide mithin nach § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nichtig sind, sind in dem Abrechnungsbescheid die ausgezahlten Erstattungsbeträge --ohne daß es zuvor einer Aufhebung der an D gerichteten Steuerbescheide oder einer Feststellung ihrer Nichtigkeit bedurft hätte (vgl. Urteil des Senats vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713)-- von der Antragstellerin zu Recht zurückgefordert worden, wenn diese Leistungsempfängerin war. Das ist der Fall. Denn aufgrund der (dem FA in der Form des § 46 Abs. 3 AO 1977 angezeigten) Abtretung war der (vermeintliche) Zahlungsanspruch des D aus dem (vermeintlichen) Steuerschuldverhältnis zwischen diesem und dem FA aus dessen Sicht auf die Antragstellerin übergegangen; das FA mußte folglich, um von dem (vermeintlichen) Steuererstattungsanspruch frei zu werden, an die Antragstellerin leisten, so daß ohne weiteres davon auszugehen ist, daß es an diese leisten wollte und diese daher aus der insoweit maßgeblichen Sicht des FA i.S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 Leistungsempfängerin war. Ob die Antragstellerin bei Empfang der Leistung gewußt hat, daß es sich um eine von S erschlichene Steuererstattung handelte und ob sie die dem FA vorgelegte Abtretungsanzeige gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 selbst unterzeichnet hatte oder S ihre Unterschrift gefälscht hat, ist dafür ohne Bedeutung.

Die Auffassung der Antragstellerin, dem FA sei lediglich eine Zahlungsanweisung erteilt worden, steht in offenkundigem Widerspruch zu dem klaren und einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der dem FA zugeleiteten Abtretungsanzeige. Der in dieser Anzeige angegebene Grund für die Abtretung, der Steuerpflichtige verfüge nicht über ein Konto im Inland, deutet auch --sofern er überhaupt nachvollzogen werden kann-- entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht mehr auf eine bloße Zahlungsanweisung als auf eine Abtretung i.S. des § 46 AO 1977 hin.

Als Abtretungsempfängerin (Zessionar) ist die Antragstellerin nach der durch das Urteil des beschließenden Senats vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83 (BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223) begründeten Rechtsprechung Leistungsempfängerin; sie hat die zu Unrecht gezahlten Steuern zurückzuzahlen. Im übrigen wäre sie nach dem Urteil des BFH vom 22. August 1980 VI R 102/77 (BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44) sogar dann zur Rückzahlung verpflichtet, wenn sie nicht Abtretungsempfängerin, sondern lediglich "Zahlstelle" des angeblichen Steuerpflichtigen D gewesen wäre. Wie in dem dort entschiedenen Fall hätte die Antragstellerin --wenn ihre Abtretungsanzeige als bloße Zahlungsanweisung anzusehen wäre-- den Erstattungsbetrag nicht als Botin des --ihr gar nicht bekannten und auch nicht existenten-- D auf dessen Anweisung in Empfang genommen; sie wäre vielmehr (lediglich als Empfangsbotin des D getarnte) Empfangsbotin der S, selbst wenn sie geglaubt haben mag, diese handle im Auftrag des D. Wer sich jedoch so wie die Antragstellerin als Strohmann eines im Verborgenen bleibenden Dritten betätigt, ist selbst Rückforderungsschuldner und kann das FA mit seinem Rückforderungsanspruch weder auf den angeblichen Steuerpflichtigen verweisen, für den er den Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen vorgegeben hat, an den er ihn jedoch nicht weitergeleitet hat und auch nicht weiterleiten wollte, noch kann er das FA an den Dritten verweisen, dessen Identität dem FA nicht preisgegeben worden ist und zu dem schon deshalb eine Leistungsbeziehung des FA offensichtlich nicht bestehen kann. Das gilt nicht nur dann, wenn der Zahlungsemfänger bei Empfang und Weiterleitung der Steuererstattung im bewußt auf Täuschung des FA gerichteten Zusammenwirken mit dem Dritten gehandelt hat, um dessen Identität dem FA gegenüber verborgen zu halten, sondern auch, wenn er selbst von dem Dritten getäuscht worden ist; denn auf die für das Entstehen eines Rückforderungsschuldverhältnisses maßgebliche Leistungsbeziehung zum FA hat dies keinen Einfluß.

Auf das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 169, 570 beruft sich die Antragstellerin im übrigen nicht nur deshalb zu Unrecht, weil dieses Urteil nicht zu § 37 Abs. 2 AO 1977, sondern zu § 48 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ergangen ist, sondern vor allem, weil es die hier nicht maßgebliche Frage betrifft, ob ein Erstattungsanspruch gegen einen Abtretungsempfänger auch dann geltend gemacht werden kann, wenn diesem eine Forderung zur Sicherheit abgetreten und die Zahlung vor Eintritt des Sicherungsfalles auf ein Konto des Abtretenden (Zedenten) geleistet worden ist.

Die Antragstellerin kann gegenüber der Rückforderung des FA auch nicht mit Aussicht auf Erfolg einwenden, sie sei trotz der dem Grunde nach gerechtfertigten Rückforderung der an sie ausgezahlten Steuererstattungen aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls davon befreit, die Steuern zurückzuzahlen. Die Wiedereinziehung zu Unrecht erstatteter Steuern ist die logische, grundsätzlich durch das öffentliche Interesse an der gesetzmäßigen Verwaltung öffentlicher Abgaben gebotene Folge der Feststellung, daß die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Von der Rückforderung kann deshalb nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Interessen des Rückforderungsschuldners dieses öffentliche Interesse überwiegen. Das ist im Streitfall indes nicht der Fall:

Die Antragstellerin kann sich gegenüber der Rückforderung des FA nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, wonach die Verpflichtung zur Herausgabe einer rechtsgrundlos erlangten Leistung oder zum Wertersatz ausgeschlossen ist, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist; denn diese Vorschrift ist im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO 1977 nicht anwendbar (vgl. u.a. Entscheidungen des BFH vom 9. April 1991 VII B 168/90, BFH/NV 1992, 148; in BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44, 47, und vom 1. März 1974 VI R 253/70, BFHE 111, 457, BStBl II 1974, 369). § 818 Abs. 3 BGB enthält auch keinen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch bei einer Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern nach § 37 Abs. 2 AO 1977 zu berücksichtigen wäre. Das zeigt sich bereits an § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG, der bei einer Rückforderung rechtswidriger Leistungen zwar --anders als § 37 Abs. 2 AO 1977-- auf das bürgerliche Recht verweist, den Einwand des Bereicherungswegfalls aber nur eingeschränkt zum Zuge kommen läßt und ihn dem Rückforderungsschulder insbesondere auch dann versagt, wenn er die Rechtsgrundlosigkeit der ihm zugute gekommenen Leistung der Behörde zwar nicht kannte (vgl. insoweit § 819 BGB), jedoch zumindest aufgrund grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis der dafür maßgeblichen Umstände war. Auch der Empfänger einer Geldleistung des FA darf mit dieser nicht, solange er deren Rechtsgrundlosigkeit nicht positiv kennt (§819 BGB), nach Belieben verfahren, ohne fürchten zu müssen, sie unter Umständen zurückerstatten zu müssen, sondern kann die ihm gewährte Leistung nur dann ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit endgültig behalten, wenn ihn ungeschriebene Rechtsgrundsätze wie Treu und Glauben und der Grundsatz des Vertrauensschutzes (ausnahmsweise) vor einer Rückforderung bewahren.

Die Antragstellerin kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch des FA jedoch insbesondere nicht auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen. Dieser kann eine Rückforderung nur ausschließen, wenn der Rückforderungsschuldner auf die Rechtmäßigkeit der an ihn geleisteten Erstattung tatsächlich vertraut hat und auch vertrauen durfte. Die Antragstellerin kannte indessen nicht einmal den angeblichen Erstattungsgläubiger; sie konnte erst recht nicht die Berechtigung der (angeblich) von ihm in Einkommensteuererklärungen geltend gemachten Erstattungsansprüche beurteilen und folglich auch in die Rechtmäßigkeit der an sie vom FA geleisteten Zahlungen kein Vertrauen setzen. Wenn sie gleichwohl aufgrund der bloßen Versicherung von S, alles habe seine Richtigkeit und sei "legal", auf die Rechtmäßigkeit ihres Erwerbs gesetzt haben sollte, ergibt sich daraus keine schutzwürdige Position der Antragstellerin, die Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Rückforderung beanspruchen könnte. Das gilt auch dann, wenn sich die Antragstellerin --was ihr im Strafverfahren nicht hat widerlegt werden können-- nicht bewußt zur Täuschung des FA von S hat vorschieben lassen, sondern von der Rechtswidrigkeit der Zahlung des FA keine positive Kenntnis gehabt hat. Denn die Antragstellerin hätte auch dann nicht ein vom FA zu schützendes Vertrauen betätigt, sondern allenfalls auf S vertraut, an die sie sich folglich wegen der ihr drohenden Einbußen halten mag. Unerheblich ist ferner die Behauptung der Antragstellerin, sie habe bei Empfang und Weiterleitung des vom FA überwiesenen Betrages nicht gewußt, daß es sich um Steuererstattungen handele. Denn abgesehen davon, daß diesem Vorbringen die strafrichterlichen Feststellungen entgegenstehen, gegen deren Richtigkeit die Antragstellerin substantiierte Einwendungen nicht vorgebracht hat, ist dem beschließenden Senat nicht nachvollziehbar, weshalb es einen berechtigten Einwand gegen die Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern darstellen sollte, der Leistungsempfänger habe die Rechtsnatur der Zahlung nicht zur Kenntnis genommen, sondern blindlings darauf vertraut, bei Weitergabe der betreffenden Zahlung nicht mehr in Anspruch genommen werden zu können.

Die Rückforderung ist dem FA auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt. Aus dem von der Beschwerde hierzu sinngemäß angeführten Gesichtspunkt, das FA habe den Steuerausfall durch Verletzung seiner Organisations- und Aufsichtspflichten selbst verschuldet und dürfe sich dafür folglich nicht bei der Antragstellerin schadlos halten, ließe sich ein durchgreifender Einwand gegen den angefochtenen Bescheid allenfalls dann herleiten, wenn die Antragstellerin sich vor den Folgen dieser (angeblichen) Versäumnisse des FA nicht wirksam hätte schützen können oder doch jedenfalls keinen Anlaß hatte, in Betracht zu ziehen, trotz der vom FA zu erwartenden sorgfältigen Auswahl und Überwachung seiner Mitarbeiter könnten die Steuererstattungen rechtswidrig sein und ggf. zurückgefordert werden. Die Antragstellerin war indes weder schutzlos noch konnte sie ohne weiteres davon ausgehen, die Erstattung sei rechtmäßig; wie sich aus den strafrichterlichen Feststellungen ergibt, ist sie offenbar auch nicht davon ausgegangen, sondern gegenüber S mißtrauisch gewesen, wenn sie sich auch letztlich von dieser hat überreden lassen. Sie hat also aus freiem Entschluß, wenn auch strafrechtlich schuldlos, die von S begangene Steuerhinterziehung objektiv ermöglicht oder doch zumindest deren Tat erleichtert, ohne daß ihr diesbezügliches Handeln dem FA angelastet werden könnte oder sie sich für ihr Verhalten auch nur auf anerkennenswerte Gründe berufen könnte. Ob ihr der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht gemacht werden kann, weil sie den Plan der S nicht durchschaut hat, und ob das FA wirksamere Kontrollen hätte vorsehen müssen, um Straftaten seiner Mitarbeiter vereiteln zu können, bedarf keiner Erörterung. Selbst wenn beides der Fall wäre, machte dies im Streitfall die Rückforderung nicht rechtsmißbräuchlich, wie es der VI. Senat des BFH allerdings in dem Urteil in BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44 erwogen, freilich nicht entschieden, sondern lediglich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls für denkbar gehalten hat. Im Streitfall sind keine Umstände gegeben, bei denen der beschließende Senat einen Rechtsmißbrauch des FA annehmen könnte.

Ebensowenig kann die Rechtmäßigkeit der Rückforderung deshalb in Frage gestellt werden, weil die Antragstellerin meint, sie hätte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch wegen der (angeblichen) Versäumnisse des FA. Selbst wenn das der Fall wäre, würde sich daraus ein Einwand gegen den angefochtenen Bescheid allenfalls dann ergeben können, wenn dieser Anspruch, der nicht der Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit unterliegt, klar und eindeutig bestünde, wovon nach § 839 BGB, Art. 34 GG schon deshalb keine Rede sein kann, weil die vom FA (möglicherweise) verletzte Amtspflicht, ausreichende Vorkehrungen gegen von S zum eigenen Vorteil beabsichtigte Straftaten zu treffen, gegenüber der Antragstellerin bestanden haben müßte, was zumindest zweifelhaft erscheint.

Schließlich kann die Antragstellerin gegen die Rückforderung auch nichts daraus herleiten, daß der angefochtene Abrechnungsbescheid erst mehr als zweieinhalb Jahre nach Entstehen des Rückerstattungsanspruches des FA ergangen sei. Die Verwirkung des zu diesem Zeitpunkt nach § 228 AO 1977 noch nicht verjährten Rückforderungsanspruches zumal nach einer so kurzen Frist kommt jedenfalls deshalb nicht ernstlich in Betracht, weil das FA einen über das Verhalten der Antragstellerin hinausreichenden Tatkomplex aufklären mußte und im übrigen sogar berechtigt gewesen wäre, das Ergebnis des Strafverfahrens abzuwarten, in dem das Urteil sogar erst nach Erlaß des hier streitigen Abrechnungsbescheides ergangen ist.

Auch an Ermessensfehlern krankt der angefochtene Bescheid schließlich nicht. Ob das FA Auswahlermessen gehabt hätte, statt den Rückforderungsanspruch gegen die Antragstellerin geltend zu machen seine Ansprüche gegen S zu verfolgen (vgl. dazu verneinend das Urteil des Senats in BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223), bedarf keiner Erörterung. Denn jedenfalls kann bei der in diesem Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung im Hinblick auf die Höhe des Rückforderungsbetrages davon ausgegangen werden, daß das FA von S Ersatz für die zu Unrecht erstatteten Steuern nicht hat erlangen können oder daß es seine Ansprüche gegen S deshalb nicht geltend gemacht hat, weil die Inanspruchnahme von S von vornherein offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Zumindest unter diesen Umständen wäre die Ermessensfreiheit des FA auf Null reduziert; es bedürfte daher keiner Ermessensentscheidung und keiner näheren Darlegung der dazu aufgestellten Erwägungen, von der gegenüber der Antragstellerin bestehenden Möglichkeit, diese nach § 37 Abs. 2 AO 1977 in Anspruch zu nehmen, Gebrauch zu machen.

Ende der Entscheidung

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