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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.05.1999
Aktenzeichen: VII B 311/98
Rechtsgebiete: EStG, FGO, ZPO, AO 1977, BSHG


Vorschriften:

EStG § 39b
EStG § 38a Abs. 1
EStG § 41a Abs. 1 Nr. 2
FGO § 128 Abs. 1
FGO § 142
ZPO § 114
ZPO § 115 Abs. 3
ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
AO 1977 § 69
AO 1977 § 34 Abs. 1
AO 1977 § 191 Abs. 1
BSHG § 76 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war Geschäftsführer einer GmbH. Diese hat Anfang 1995 Löhne für die Monate Oktober und November 1994 an ihre Arbeitnehmer ausgezahlt, ohne die darauf entfallende Lohnsteuer an den Beklagten (Finanzamt --FA--) abzuführen. Gegen den deshalb vom FA wegen der Lohn- und Lohnkirchensteuer und Säumniszuschlägen erlassenen Haftungsbescheid hat der Antragsteller Klage erhoben, die inzwischen durch das Finanzgericht (FG) --außer wegen der Säumniszuschläge-- abgewiesen worden ist. Das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision ist bei dem beschließenden Senat unter dem Az. ... anhängig. Den vom Antragsteller gestellten Antrag, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren vor dem FG zu gewähren, hat das FG ebenfalls abgelehnt. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Der Antragsteller hafte als Geschäftsführer der GmbH für die von dieser nicht abgeführten Lohnsteuern; daß nicht er, sondern die für das Personalwesen zuständige Angestellte der GmbH die Lohnsteueranmeldungen abgegeben habe, sei dafür ohne Bedeutung. Da nach dem Vortrag des Antragstellers die Löhne erst nach Ergehen eines vorläufigen Bürgschaftsbescheides der Landesregierung hätten ausgezahlt werden können und dieser Bescheid auf den 20. Januar 1995 datiere, sei davon auszugehen, daß die damals rückständigen Oktoberlöhne, über die eine Anmeldung bereits am 24. Januar 1995 abgegeben worden sei, unmittelbar nach Ergehen jenes Bescheides, also noch im Januar, ausgezahlt wurden. Die erst im April 1995 angemeldeten rückständigen Novemberlöhne seien hingegen wahrscheinlich, wie es der Antragsteller vortrage, im Februar 1995 ausgezahlt worden. Mithin seien die Lohnzahlungen kein laufender Arbeitslohn i.S. von § 39b des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern sonstige Bezüge i.S. von § 38a Abs. 1 EStG gewesen, so daß die betreffenden Lohnsteuern am 10. Februar bzw. 10. März 1995 gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG fällig gewesen seien.

Zum Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne habe aufgrund der Geschäftslage des Unternehmens Anlaß zu der Besorgnis bestanden, daß zu den Fälligkeitszeitpunkten die finanziellen Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer nicht ausreichen würden. Unter Berücksichtigung dieser Situation habe der Antragsteller seine Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft verletzt. Dies werde durch die Kündigung der Kreditlinie der Hausbank der GmbH vom 15. März 1995 nicht ausgeschlossen. Dieses Ereignis sei vielmehr für die Novemberlöhne von vornherein ohne Bedeutung. Aber auch für die Oktoberlöhne komme als ein außergewöhnliches Ereignis, welches die Erwartung des Antragstellers zerstört haben könnte, die Lohnsteuern bei Fälligkeit entrichten zu können, allenfalls der Umstand in Betracht, daß die Hausbank angeblich wenige Tage vor dem 15. März 1995 verlangt habe, ihr alle offenen Forderungen abzutreten. Selbst dieser Umstand könne aber für die Haftung des Antragstellers nur dann relevant sein, wenn die GmbH ohne dieses Verlangen am 10. März 1995 mit hinreichender Sicherheit zahlungsfähig gewesen wäre. Dafür fehle es an Vortrag. Nach seinem eigenen Vorbringen habe der Antragsteller nicht davon ausgehen können, daß von den aufgrund des vorläufigen Bewilligungsbescheides über ein Landesdarlehen von 900 000 DM von der Bank zunächst zur Verfügung gestellten 400 000 DM noch genug übrigbleiben werde, um die Lohnsteuer zu zahlen. Nicht auf die Erwartung des Antragstellers, es werde nach Zahlung des Darlehens zu einer Konsolidierung der Finanzen der GmbH kommen, komme es jedoch an, sondern darauf, ob er bei Auszahlung der Arbeitslöhne aufgrund der finanziellen Situation der GmbH sicher sein konnte, zum Fälligkeitszeitpunkt die Lohnsteuer abführen zu können. Dafür seien keine Beweismittel bezeichnet.

Dementsprechend biete die Klage nur wegen der Säumniszuschläge Aussicht auf Erfolg. PKH könne dafür aber nicht gewährt werden, weil die insoweit zu erwartenden anteiligen Kosten der Prozeßführung nicht vier Monatsraten, die dem Antragsteller nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen zuzumuten seien, überstiegen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Die zulässige Beschwerde (§ 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller PKH für das Verfahren erster Instanz zu gewähren.

Anspruch auf PKH hat nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und Rechte verfolgen oder verteidigen möchte, deren Verfolgung oder Verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

1. Die Rechtsverteidigung gegenüber der Haftungsinanspruchnahme für die von der GmbH nicht abgeführten Lohnsteuern bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wie das FG zutreffend erkannt hat.

Daß der Antragsteller als Geschäftsführer einer GmbH für die unter seiner Geschäftsführung nicht abgeführten Lohnsteuern grundsätzlich nach §§ 69, 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) haftet und auf diese Haftung nach § 191 Abs. 1 AO 1977 durch Bescheid in Anspruch genommen werden kann, zieht der Antragsteller selbst nicht in Zweifel. Die Lohnsteuern sind für die GmbH wirksam angemeldet worden; die Anmeldung wirkt als Festsetzung (unter Vorbehalt der Nachprüfung). Überdies setzt die Haftungsinanspruchnahme nur das materiell-rechtliche Entstehen der betreffenden Steuer, nicht deren vorherige Festsetzung voraus (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Februar 1994 II R 7/91, BFHE 173, 306, BStBl II 1995, 300, und vom 1. Dezember 1987 VII R 206/85, BFH/NV 1988, 477). Zur Höhe der Lohnsteuer, für die der Antragsteller in Anspruch genommen wird, sind im übrigen durchgreifende Einwände weder erhoben noch sonst erkennbar.

Vom Antragsteller selbst nicht in Zweifel gezogen ist ferner, daß die Finanzlage der GmbH Anfang 1995 so schlecht war, daß die GmbH ohne fremde Hilfe ihren laufenden Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen konnte; insbesondere war sie offenbar schon Ende 1994 nicht mehr in der Lage gewesen, die von ihr geschuldeten Löhne pünktlich auszubezahlen. Der Antragsteller hat sich vor dem FG gegenüber seiner Haftungsinanspruchnahme auch lediglich darauf berufen, er habe auf die Konsolidierung des Unternehmens infolge einer Landesbürgschaft gesetzt; dementsprechend hat er die rückständigen Löhne Oktober und November 1994 tatsächlich erst ausgezahlt, nachdem über diese Bürgschaft ein vorläufiger Bewilligungsbescheid ergangen war.

Wie das FG zutreffend näher ausgeführt hat, wird der Antragsteller jedoch nicht allein deshalb von der Haftung frei, weil er meinte und möglicherweise berechtigt annehmen konnte, nach einer Konsolidierung des Unternehmens mit Hilfe der Landesbürgschaft die von der GmbH geschuldeten Steuern später entrichten zu können (vgl. u.a. Senatsentscheidung vom 4. September 1990 VII B 40/90, BFH/NV 1991, 427, mit Nachw.). An einer schuldhaften Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer würde es vielmehr nur dann fehlen, wenn er bei Auszahlung der Löhne Ende Januar 1995 bzw. im Februar 1995 fest damit rechnen konnte, daß die für die Lohnsteuer benötigten Mittel der GmbH bis zum 10. Februar 1995 bzw. bis zum 10. März 1995 zur Verfügung stehen würden. Da der Antragsteller selbst eingeräumt hat, daß die GmbH die aufgrund der Landesbürgschaft der GmbH zufließenden Mittel nicht unmittelbar hätte zur Begleichung rückständiger Lohnsteuerschulden verwenden können, sondern sich vielmehr nur darauf berufen hat, "aus den laufenden Einnahmen bzw. den Effekten, die aus der Konsolidierung des Unternehmens folgerichtig eingetreten wären", die Steuerschulden begleichen zu wollen, nachdem er insbesondere die ausdrückliche Anfrage des FG unbeantwortet gelassen hat, aufgrund welcher Umstände er damit gerechnet habe, gleichwohl die Lohnsteuern bei --im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne unmittelbar bevorstehender-- Fälligkeit zahlen zu können, vermag der beschließende Senat ebenso wie das FG schon dem eigenen Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen, daß der Antragsteller bei Auszahlung der Löhne mit hinreichender Gewißheit erwarten durfte, die Lohnsteuern bei Fälligkeit zahlen zu können. Daß er möglicherweise erwarten durfte, sie später entrichten zu können, ist ohne Bedeutung.

Was sein weiteres, ausschließlich diejenige Lohnsteuer betreffendes Vorbringen angeht, die für die im Februar ausgezahlten Löhne geschuldet wurde, nämlich daß die Hausbank "wenige Tage vor dem 15. März 1995" der GmbH abverlangt habe, alle offenen Forderungen abzutreten (was erfolgt sei), vermag dieses, wie das FG ebenfalls zutreffend erkannt hat, nichts daran zu ändern, daß der Antragsteller bei Auszahlung der Novemberlöhne im Februar 1995 ohnehin nicht sicher davon ausgehen konnte, am 10. März 1995 die auf die Löhne entfallende Lohnsteuer an das FA abführen zu können. Das angebliche Abtretungsverlangen der Bank kann also nicht eine sonst berechtigte Erwartung, bei Fälligkeit zahlen zu können, zunichte gemacht, sondern allenfalls die Zahlungsschwierigkeiten der GmbH weiter verschärft haben. Es kann daher unerörtert bleiben, ob das vorgenannte, wenig substantiierte Vorbringen des Antragstellers hiervon abgesehen geeignet gewesen wäre, seinen Anspruch auf PKH zu stützen und das FG zu der vom Antragsteller in diesem Zusammenhang beantragten Zeugenvernehmung zu veranlassen.

2. Wegen der Rechtsverteidigung gegen eine Inanspruchnahme für Säumniszuschläge steht dem Antragsteller nach den Berechnungen des FG, gegen welche von der Beschwerde nichts erinnert worden ist, PKH ungeachtet der vom FG für möglich gehaltenen, nach dessen Urteil jedoch nur teilweise --wegen der Zuschläge zur Lohnsteuer August und September 1994-- tatsächlich gegebenen, insofern jedenfalls vom FA anscheinend eingeräumten Begründetheit seiner Klage in diesem Punkt nicht zu, weil er die Kosten der Prozeßführung insoweit selbst aufbringen könne (§ 142 FGO i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO). Das gilt freilich dann nicht, wenn bei den Berechnungen von § 115 ZPO i.d.F. des Prozeßkostenhilfeänderungsgesetzes vom 10. Oktober 1994 (BGBl I, 2954) ausgegangen wird und dementsprechend auch die Heizkosten berücksichtigt werden. Da außerdem der eigene Lebensbedarf des Antragstellers und der Unterhalt seiner Ehefrau (vgl. die Bekanntmachung BGBl I 1997, 1357) nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO --bei Hinzurechnung deren eigenen Einkommens--, ferner die Kosten der Finanzierung des Wohnhauses der Eheleute (vgl. Philippi in Zöller, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl. 1999, § 115 Rdnr. 37 a) und ihre angemessenen Aufwendungen für Versicherungen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2 Nr. 3 des Bundessozialhilfegesetzes) von der Rente des Antragstellers abgezogen werden müssen, verbleibt dem Antragsteller im Ergebnis kein für die Prozeßführung einzusetzendes Einkommen.

Gleichwohl kann der beschließende Senat dem Antragsteller PKH auch nicht wegen der Inanspruchnahme für Säumniszuschläge August und September 1994 --also in Höhe von etwa 2,5 % der insgesamt entstandenen Verfahrenskosten-- gewähren, weil unbeschadet der Bereitschaft des FA, in diesem Punkt auf einen Klageabweisungsantrag zu verzichten, weder vom Antragsteller glaubhaft gemacht noch anhand der vorliegenden Akten erkennbar ist, daß die betreffenden Säumniszuschläge nicht entstanden wären oder daß der Antragsteller für sie aus irgendeinem Grund nicht haftete. Daß die Lohnsteuer für diese Monate angeblich schließlich doch noch gezahlt worden ist, läßt weder die Säumniszuschläge noch die Haftung des Antragstellers für die dem FA durch die verspätete Entrichtung entstandenen Nachteile, deren Abgeltung Säumniszuschläge u.a. dienen, entfallen.

Ende der Entscheidung

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