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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.08.2001
Aktenzeichen: VII B 317/00
Rechtsgebiete: AO 1977, KO, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 251 Abs. 3
AO 1977 § 191 Abs. 1
KO § 61 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen des X (Gemeinschuldner). Der Gemeinschuldner wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts wegen Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er für seine Firma von der Firma Y-GmbH ... Tonnen Dieselkraftstoff zu deutlich unter dem Marktniveau liegenden Preisen bezogen hatte und er damit rechnete, dass der Verkäufer für diesen aus dem Steuerlager entnommenen Dieselkraftstoff die angefallene Mineralölsteuer nicht an den Fiskus entrichten würde.

Nach Eröffnung des Konkursverfahrens meldete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) die hinterzogene Mineralölsteuer als Betrag, für den der Gemeinschuldner als Steuerhehler hafte, zur Konkurstabelle an. Nach Bestreiten der Forderung durch den Kläger reduzierte das HZA den Haftungsbetrag auf ... DM und erließ über diesen berichtigten Haftungsbetrag einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 20. September 1999).

Auch die daraufhin erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt den Haftungsanspruch des HZA nach § 71, § 374 Abs. 1 i.V.m. § 191 Abs. 1 AO 1977 und die Feststellung dieses Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO 1977) als Konkursforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 (in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) für begründet. Das FG befand, dass die Inanspruchnahme des Gemeinschuldners als Haftenden auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Das HZA sei zu Recht in der Begründung der Einspruchsentscheidung davon ausgegangen, dass es regelmäßig gerechtfertigt sei, denjenigen, der mit einer Steuerhinterziehung, einer Beteiligung an dieser Tat oder mit einer Steuerhehlerei einen vorsätzlichen Pflichtverstoß begehe, als Haftenden in Anspruch zu nehmen. Gründe, ausnahmsweise von der Inanspruchnahme des Gemeinschuldners als Steuerhehler abzusehen, lägen nicht vor. Selbst wenn man, wie der Kläger meine, in der dem Verkäufer des Mineralöls erteilten Erlaubnis für ein Steuerlager ein Mitverschulden des HZA an der von dem Steuerlagerinhaber begangenen Steuerhinterziehung sehen wolle, ließe dies die vom Gemeinschuldner begangene Steuerhehlerei nicht in einem günstigeren Licht erscheinen, welches ein Absehen von der Geltendmachung des Haftungsanspruchs gebieten würde. Außerdem bestehe die vom Kläger eingeforderte Sorgfaltspflicht bei der Erteilung der Erlaubnis eines Steuerlagers nicht, um dritte Personen wie den Gemeinschuldner davor zu bewahren, Steuerhehlerei hinsichtlich nicht ordnungsgemäß versteuerter Waren zu begehen. Die Haftung habe auch über den vollen Steuerbetrag geltend gemacht werden dürfen, auch wenn der wirtschaftliche Gewinn der Täter oder Tatbeteiligten nicht so hoch sei wie der eingetretene Steuerschaden. Der Umstand, dass der Haftungsanspruch nicht den Steuerhehler persönlich, sondern die Konkursmasse treffe, führe nicht dazu, dass das HZA bei der Ermessensabwägung auf die Interessen der im Konkursverfahren nachrangigen Gläubiger Rücksicht nehmen müsse.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob auf die Interessen der nachrangigen Gläubiger aufgrund des in der Konkursordnung (KO) normierten Vorrechts des Fiskus (§ 61 Abs. 1 Nr. 2 KO) Rücksicht zu nehmen sei. Entgegen der Auffassung des FG sei diese Frage zu bejahen.

Die Beschwerde, deren Zulässigkeit noch nach den Maßstäben der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung der FGO zu beurteilen ist, hat keinen Erfolg. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat, denn dieser Frage kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Die Rechtsfrage, ob der Fiskus bei der Geltendmachung einer nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO bevorrechtigten Steuer- oder Haftungsforderung auf die Interessen der nachrangigen Gläubiger Rücksicht nehmen müsse, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht klärungsbedürftig, denn sie ist, wie sich klar und eindeutig aus dem Gesetz ergibt, so zu beantworten, wie es das FG getan hat, nämlich zu verneinen (vgl. zu diesem Kriterium z.B. Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496, m.w.N.).

a) Das Konkursvorrecht des Fiskus (§ 61 Abs. 1 Nr. 2 KO) ist verfassungsgemäß (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 3. Oktober 1979 II 119/78, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980, 60); davon ist auch der BFH in seiner Rechtsprechung ausgegangen (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1989 VII R 152/85, BFHE 156, 73, BStBl II 1990, 363; vom 11. April 1991 V R 126/87, BFH/NV 1992, 140, und vom 15. Juli 1992 II R 59/90, BFHE 168, 310, BStBl II 1993, 613). Es besteht keine Veranlassung, diese Beurteilung in Frage zu stellen, denn die Abschaffung des Konkursvorrechts durch die seit dem 1. Januar 1999 anwendbare Insolvenzordnung wirkt nicht auf die noch nach der KO zu beurteilende Rechtslage zurück. Insofern handelt es sich dabei um eine konstitutive gesetzliche Neuregelung.

b) Das Konkursvorrecht erfasst nicht nur Steuerforderungen, sondern auch Haftungsforderungen und greift daher auch im Konkurs des subsidiär verantwortlichen Haftungsschuldners (Senat in BFHE 156, 73, BStBl II 1990, 363). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Konkursvorrechts wie im Streitfall erfüllt, unterliegt die Geltendmachung und Ausübung dieses Vorrechts keinen weiteren Einschränkungen, die etwa in der Besonderheit, dass es sich bei dem bevorrechtigten Gläubiger nicht um einen Privatmann, sondern um die öffentliche Hand handelt, ihre Begründung fänden. Insbesondere ist der von dem Kläger aufgeworfene Gesichtspunkt einer angeblich gebotenen Rücksichtnahme auf andere Konkursgläubiger kein taugliches Kriterium des Vollstreckungsrechts, welches zu einer Beschränkung der zur Verfügung stehenden Vollstreckungsmöglichkeiten führen könnte. Kein Vollstreckungsgläubiger muss bei der Durchsetzung seiner Forderungen auf die Belange eines anderen Vollstreckungsgläubigers in der Weise Rücksicht nehmen, dass er von der Geltendmachung seiner Forderung absehen oder diese in der Höhe beschränken müsste. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Privatleute untereinander oder mit der öffentlichen Hand in Gläubigerkonkurrenz stehen. Es gilt insoweit das Prinzip der Waffengleichheit; der Fiskus darf gegenüber privaten Gläubigern nicht benachteiligt sein (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, 481, BStBl II 1992, 57). Erst recht muss dies dann gelten, wenn die Forderung der öffentlichen Hand wie im Streitfall kraft Gesetzes bevorrechtigt ist. Die Bevorrechtigung schließt schon nach der Natur der Sache die Rücksichtnahme auf Mitgläubiger aus.

c) In Wirklichkeit geht es dem Kläger, wie sich aus der Begründung seiner Beschwerde ergibt, auch weniger um die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage, sondern um die sich vorrangig stellende Frage, ob die Entscheidung des HZA, den Gemeinschuldner als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nach den besonderen Umständen des Falles ermessensfehlerfrei getroffen worden ist. Der Kläger verneint dies im Gegensatz zur Auffassung des FG, weil er die Ansicht vertritt, das HZA treffe ein Mitverschulden am Eintritt des Steuerausfalls, was es bei der Geltendmachung der Haftungsforderung gegen den Steuerhehler bzw. --nach Eintritt des Konkurses-- gegen die Konkursmasse hätte berücksichtigen müssen. Mit diesem Vorbringen kann er indes im vorliegenden Beschwerdeverfahren kein Gehör finden, weil die Frage der fehlerfreien Ermessensausübung eine Frage des jeweiligen konkreten Einzelfalles ist und folglich mit ihr keine über den vorliegenden Einzelfall hinausreichende Frage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgeworfen wird.

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