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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: VII B 318/03
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977, FGO, ZPO, BGB


Vorschriften:

UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4
AO 1977 § 69
AO 1977 § 34
AO 1977 § 34 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 155
ZPO § 570
BGB § 675 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Finanzgericht (FG) die Vollziehung eines gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erlassenen Haftungsbescheides zum Teil ausgesetzt. Der Antragsteller war Geschäftsführer einer GmbH, die Immobilien verwaltete und veräußerte. Mit Vertrag vom ... verpflichtete sich die GmbH gegenüber der P-GmbH zum Verkauf eines Grundstückes und zur Errichtung einer Tankstelle mit einer Waschanlage und einem Getränkehandel. Zur Finanzierung des Projektes wurde der GmbH von der D-Bank ein Darlehen in Höhe von ... DM gewährt. Zur Sicherung des Kredites trat die GmbH ihre Kaufpreisforderung gegenüber der P-GmbH an die D-Bank ab. Noch vor der Übergabe der fertig gestellten Anlage an die P-GmbH überwies diese am 21. Januar 2000 einen Betrag in Höhe von ... DM auf das bei der D-Bank geführte Geschäftskonto der GmbH. In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für das I. Quartal 2000 wies die GmbH die auf den gezahlten Kaufpreis entfallende Umsatzsteuer nicht aus. Eine im Juni 2000 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die steuerpflichtigen Umsätze der GmbH für das I. Quartal 2000 um insgesamt ... DM zu erhöhen seien. Da im Streitfall das Entgelt für das Tankstellenobjekt vor Leistungserbringung vereinnahmt worden sei, sei die Umsatzsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden sei, entstanden. Mit Bescheid vom ... setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das I. Quartal 2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf ... DM fest. Dagegen legte die inzwischen zahlungsunfähig gewordene GmbH Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.

Mit Bescheid vom ... nahm das FA den Antragsteller für die rückständige Umsatzsteuer I. Quartal 2000 sowie für die entstandenen Säumniszuschläge als Haftungsschuldner in Anspruch. Als Geschäftsführer hätte der Antragsteller für eine fristgerechte und wahrheitsgemäße Umsatzsteuer-Voranmeldung und für eine Zahlung der Umsatzsteuer zum fiktiven Fälligkeitszeitpunkt sorgen müssen. Darüber hinaus hätte er in Kenntnis der bevorstehenden Steuerschulden die Kaufpreisforderung nicht vollständig abtreten dürfen. Unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten und Einnahmen ermittelte das FA für den Haftungszeitraum vom 21. Januar 2000 bis zum 10. Mai 2000 einen Haftungsschaden in Höhe von ... DM.

Das FG hielt die Inanspruchnahme des Antragstellers für rechtmäßig, setzte jedoch die Vollziehung des Haftungsbescheides in Höhe von ... DM aus, da Zweifel an der zutreffenden Ermittlung des Haftungsschadens bestünden. Im Streitfall hätte der Antragsteller mit der Entstehung und baldigen Fälligkeit der Umsatzsteuer rechnen müssen. Soweit dem Antragsteller die im Streitfall gegebene umsatzsteuerliche Besonderheit der Entstehung der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung und nicht im Zeitpunkt des Übergangs von Lasten und Nutzen unbekannt gewesen sein sollte, hätte er sich an seinen Steuerberater wenden müssen. Allein, dass er dies nach Aktenlage unterließ, reiche aus, um eine grob fahrlässige Verletzung der Erklärungspflicht zu begründen.

Im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung hätte die GmbH bereits erhebliche Liquiditätsprobleme gehabt. Eine Forderung der GmbH gegenüber der X-GmbH sei nicht werthaltig gewesen, dies würde dadurch belegt, dass der Antragsteller gegen diese Firma eine einstweilige Verfügung wegen der Gefahr einer unzulässigen Kapitalentziehung erwirkt hätte. Bei der Ermittlung der Tilgungsquote sei indes der von der D-Bank gewährte Globalkredit in Höhe von ... DM vorrangig zu behandeln, weil er für die Investitionen der GmbH notwendig gewesen sei. Auch bewege sich die Abtretung der Kaufpreisforderung an die D-Bank noch im Rahmen der unternehmerischen Dispositionsfreiheit. Nach Aktenlage seien andere Forderungen, die der Antragsteller bevorzugt hätte befriedigen müssen, nicht ersichtlich. Aufgrund dieser Umstände und unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen ermittelte das FG einen Haftungsschaden von lediglich ... DM.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass die GmbH im Zeitpunkt der fiktiven Fälligkeit der Umsatzsteuer keine Liquiditätsprobleme gehabt habe. Die Werthaltigkeit der Forderung gegenüber der X-GmbH ergebe sich daraus, dass das Landgericht dem Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestes und einer einstweiligen Verfügung stattgegeben und es der X-GmbH untersagt habe, ihrem Unternehmen durch Übertragung oder Verkauf des überwiegenden Teiles der in den alten Bundesländern befindlichen Tankstellen Kapital zu entziehen. Entgegen der Auffassung des FG läge eine Pflichtverletzung i.S. von § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) deshalb nicht vor, weil das Steuerberatungsbüro der GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für das I. Quartal 2000 beim FA eingereicht habe. Zweifel an der Zuverlässigkeit und Kompetenz des von Anfang an mit der steuerlichen Beratung und Abwicklung gegenüber dem FA beauftragten Steuerberatungsbüros seien nie aufgetreten. Deshalb hätte der Antragsteller davon ausgehen können, dass die Voranmeldung vollständig und richtig gewesen sei. Erst ab Bekanntgabe der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom ... könne von einem eigenen Verschulden des Antragstellers ausgegangen werden. Zu diesem Zeitpunkt hätten der GmbH jedoch keine Mittel zur Begleichung der Umsatzsteuerschulden mehr zur Verfügung gestanden. Soweit das FG bei der Ermittlung der Tilgungsquote zu Recht die Bankverbindlichkeiten gegenüber der D-Bank berücksichtigt habe, sei dies nicht in der richtigen Höhe erfolgt. Das FG habe lediglich den Nettokaufpreis in Höhe von ... DM berücksichtigt und dabei einen Aval-Betrag in Höhe von ... DM außer Acht gelassen. Dieser Betrag sei zur Herbeiführung der Fälligkeit des Kaufpreises erforderlich gewesen. Dementsprechend hätte die Kreditsumme erhöht werden müssen. Im Übrigen hätte der Antragsteller über den an die D-Bank abgetretenen Bruttokaufpreis in Höhe von insgesamt ... DM nicht verfügen können. Ebenso wenig hätte der Antragsteller über die Umsatzsteuererstattungsbeträge für das III. und IV. Quartal 1999 verfügen können, da mit ihnen Verbindlichkeiten gegenüber der C-Bank beglichen worden seien. Danach hätten nur noch Mittel in Höhe von ca. ... DM zur Verfügung gestanden.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es trägt vor, dass die Forderung gegenüber der X-GmbH entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht werthaltig gewesen sei. Aus einem Schreiben der Steuerberaterfirma gehe hervor, dass bereits seit Anfang 2000 über eine Zahlung von ... DM verhandelt worden sei. Zudem habe der Antragsteller die Bedingung der Aval-Zahlung für die Realisierung des Kaufpreises nicht nachgewiesen. Auch habe die D-Bank von der lediglich zu Sicherungszwecken erfolgten Abtretung des Kaufpreises keinen Gebrauch gemacht. Schließlich habe der Antragsteller keine Ausführungen dahin gehend gemacht, dass er sich mit dem Steuerbüro über die Problematik der Anmeldung der Umsatzsteuer aus dem Kaufvertrag beraten habe.

Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Im Streitfall bestehen nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides und an der zutreffenden Ermittlung der Haftungssumme.

a) Im Streitfall ist das FG bei seiner Entscheidung von der Möglichkeit ausgegangen, dass dem Antragsteller die Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG unbekannt gewesen ist, nach der die Umsatzsteuer in Abweichung von den in Satz 1 dieser Vorschrift angesprochenen Regelfällen bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist, entsteht, wenn dieses bereits vor Ausführung der Leistung vereinnahmt wurde. Aus der Möglichkeit der Unkenntnis dieser umsatzsteuerlichen Besonderheit hat das FG geschlossen, dass sich der Antragsteller zur Klärung der Rechtslage an seinen Steuerberater hätte wenden müssen. Allein die Tatsache, dass er dies nach Aktenlage unterlassen habe, würde ausreichen, um eine grob fahrlässige Pflichtverletzung zu begründen. Nach dem neuen Vorbringen des Antragstellers ist es jedoch nicht auszuschließen, dass der Antragsteller zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten tatsächlich fachkundige Beratung in Anspruch genommen hat. Neues Vorbringen der Beteiligten ist nach § 155 FGO i.V.m. § 570 der Zivilprozessordnung (ZPO) im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zulässig. Als Beschwerdegericht hat der Bundesfinanzhof (BFH) solches neues Vorbringen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, ob die im Beschwerdeverfahren erstmals vorgebrachten neuen Tatsachen vor oder nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entstanden sind (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 132 Rz. 6, m.w.N.).

Nach dem somit zulässigen neuen Vorbringen des Antragstellers hat die GmbH von Anfang an ein Steuerberatungsbüro mit der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Interessen beauftragt. Das für die GmbH tätige Steuerberatungsbüro hat auch die Umsatzsteuervoranmeldung für das I. Quartal 2000 beim FA eingereicht und an ihrer Erstellung mitgewirkt. Es besteht daher nach summarischer Prüfung zumindest die Möglichkeit, dass dem Antragsteller in dem vom FA ermittelten Haftungszeitraum (vom 21. Januar 2000 bis zum 10. Mai 2000) die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer aus Gründen nicht bekannt gewesen ist, die ein eigenes Verschulden --jedenfalls in der Form der groben Fahrlässigkeit-- nicht begründen. Erst aufgrund der Ergebnisse der am 22. Juni 2000 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung hätte sich ihm die tatsächliche Rechtlage erschließen müssen.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats haftet ein Geschäftsführer gemäß §§ 34, 69 AO 1977 zwar für die ihm als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten. Er haftet jedoch nur für eigenes Verschulden, und zwar gerade auch dann, wenn er sich zur Erfüllung der ihm als Vertreter der GmbH durch § 34 Abs. 1 AO 1977 auferlegten Pflichten fremder Hilfe bedient (vgl. Senatsurteil vom 30. August 1994 VII R 101/92, BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278). Bei mangelnder Sachkunde ist der Geschäftsführer sogar verpflichtet, fremde Hilfe durch einen Angehörigen eines rechts- oder steuerberatenden Berufes in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall hat er dann die Pflicht, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten übertragen hat, laufend und sorgfältig zu überwachen, so dass er ein Fehlverhalten rechtzeitig erkennen kann. Allerdings hängt das Maß dieser Verpflichtung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (Senatsentscheidung vom 5. März 1985 VII R 134/80, BFH/NV 1986, 61). Trifft den Geschäftsführer persönlich kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden und hat er keinen Anlass, die inhaltliche Richtigkeit der von dem steuerlichen Berater gefertigten Steuererklärung der GmbH zu überprüfen, so treten die haftungsrechtlichen Folgen des § 69 AO 1977 nicht ein.

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die zutreffende umsatzsteuerliche Beurteilung eines Sachverhaltes in Frage stand, der vom Regelfall abweicht. Vorliegend besteht nämlich die Besonderheit, dass der Kaufpreis vor Übergang von Nutzen und Lasten des Objektes beglichen wurde. Mit dieser atypischen Fallkonstellation hätte sich der Antragsteller rechtlich auseinander setzen müssen. Der Senat entnimmt seinem Vorbringen, dass er die Erledigung steuerlicher Aufgaben einem Steuerberaterbüro überlassen hat, an dessen Zuverlässigkeit und fachlichen Kompetenz zu zweifeln er keinen begründeten Anlass hatte. Sollte dem Steuerberaterbüro der zur umsatzsteuerlichen Beurteilung anstehende Sachverhalt bekannt gewesen sein, hätte für den Antragsteller keine Notwendigkeit bestanden, die rechtlichen Schlussfolgerungen und die Richtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung zu überprüfen. Denn es ist nach der Rechtsprechung des Senats generell davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten --und als Angehöriger eines rechts- und steuerberatenden Berufs befugten-- steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt und der sich auf diesen verlässt und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass findet, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen, im Hinblick auf die ihm durch die Vorschrift des § 34 AO 1977 als Vertreter auferlegten Pflichten nicht grob fahrlässig handelt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1962 VI 195/60 U, BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342).

b) Hinsichtlich der Berechnung der Haftungssumme weist der Senat darauf hin, dass eine solche Berechnung nach der Rechtsprechung des BFH die Feststellung der gesamten Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum und der darauf insgesamt geleisteten Zahlungen sowie etwaiger nicht ausgeschöpfter Kreditlinien voraussetzt, um ermitteln zu können, ob und inwieweit die Zahlungen auf die dem FA angemeldete und geschuldete Umsatzsteuer hinter der für die betrieblichen Verbindlichkeiten insgesamt ermittelten Tilgungsquote zurückgeblieben sind. Dabei hat es der Senat als ausreichend angesehen, wenn bei den tatsächlichen Feststellungen über den möglichen Umfang gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung auf die Verpflichtungen und die vorhandenen Geldmittel während des gesamten Haftungszeitraums abgestellt wird und nicht auf die Liquiditätsverhältnisse zu den jeweiligen Zahlungs- und Steuerfälligkeitszeitpunkten (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1989 VII R 81/87, BFHE 157, 315, BStBl II 1990, 357). Zur Ermittlung der zutreffenden Haftungsquote hat das FA unter Mitwirkung des Haftungsschuldners eine Aufstellung aller Verbindlichkeiten der GmbH zu Beginn des Haftungszeitraums und zum Ende des Haftungszeitraums zu erstellen sowie --anhand der Kontoauszüge über die Betriebskonten der GmbH-- anzugeben, in welcher Höhe während des Haftungszeitraums Zahlungen auf die Gesamtverbindlichkeiten der GmbH geleistet worden sind. Aus dem sich aus diesen Zahlen ergebenden Verhältnis der Gesamtverbindlichkeiten zu den Gesamttilgungen während des Haftungszeitraums ist die zutreffende Haftungsquote zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

Von diesen Grundsätzen ist das FG in seiner Entscheidung insofern abgewichen, als es bei der Ermittlung der Tilgungsquote den Globalkredit in Höhe von ... DM unberücksichtigt gelassen hat. Die Begründung, das Darlehen sei deshalb vorrangig zu behandeln, weil es für die Investitionen der GmbH als Verkäuferin notwendig gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn eine vermeintliche Tilgungsvordringlichkeit bestimmter Zahlungsverpflichtungen muss bei der Ermittlung der anteiligen Umsatzsteuerquote außer Betracht bleiben, da die anzustellende Vergleichsrechnung nicht mit unübersehbaren Ausnahmen und Komplikationen belastet werden soll (vgl. Prugger, Die "anteilige" Umsatzsteuer im Haftungsfall, Betriebs-Berater --BB-- 1987, 1989, 1991).

Zu den Verbindlichkeiten, die bei der Ermittlung der Haftungssumme nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, gehört auch der vom Antragsteller geltend gemachte Aval-Betrag. Dabei geht der Senat davon aus, dass diesem vom Antragsteller mit ... DM bezifferten Betrag ein entsprechender Aval-Kreditvertrag mit der D-Bank zugrunde lag. Bei einem Aval-Kreditvertrag handelt es sich um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. des § 675 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), durch den es die Bank gegen Zahlung einer Aval-Provision übernimmt, sich zugunsten ihres Kunden, dem Aval-Auftraggeber, gegenüber einem Dritten zu verbürgen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19. September 1985 IX ZR 16/85, BGHZ 95, 375). Der Aval-Kredit besteht somit nicht in der Hingabe von Geld, sondern darin, dass das Kreditinstitut mit seinem Namen und seinem Kredit für die Verbindlichkeiten des Kunden einzustehen bereit ist und eine Haftungszusage erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, 342, BStBl II 1992, 600). Um das Risiko der Bank abzusichern, kann eine Sicherheitsleistung --auch in Form der Bardeckung-- verlangt werden. Erfolgt bei direkter Haftungszusage vor Ablauf des Verfallstages keine Inanspruchnahme des Kreditinstituts, so ist der zugesagte Betrag auszubuchen.

Im Streitfall ergibt sich aus den bei den Akten befindlichen Kontoauszügen, dass der vom Antragsteller geltend gemachte Aval-Betrag am ... eingebucht worden ist. Eine Ausbuchung des Betrages erfolgte erst am ..., also nach der Kaufpreiszahlung durch die P-GmbH. Damit bestand innerhalb des Haftungszeitraumes eine zumindest vorübergehende Verbindlichkeit gegenüber der kreditgewährenden D-Bank. Nach den Feststellungen des FG war das Tankstellenobjekt das einzige Objekt, das die GmbH im Haftungszeitraum und in dem von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung erfassten Zeitraum betreute. Dieser Umstand rechtfertigt den Schluss, dass die Haftungszusage --ebenso wie der Globalkredit in Höhe von ... DM-- für die Investitionen der GmbH erforderlich war, so dass der Aval-Betrag zu den Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der kreditgebenden D-Bank gerechnet werden muss. Eine Tilgungsvordringlichkeit ist wie bereits ausgeführt nicht anzuerkennen, so dass sich der Antragsteller nicht darauf berufen kann, dass der Aval-Betrag bei der Ermittlung der Haftungsquote außer Ansatz bleiben müsste. Erst Recht gilt dies für die anderen Beträge, die aus dem Bruttokaufpreis an das von der GmbH beauftragte Generalunternehmen ausbezahlt worden sind. Ob diese Zahlungen mit der Bestellung einer Gewährleistungsbürgschaft zusammenhängen, ist ohne Belang.

c) Bei der gebotenen summarischen Prüfung vermag der Senat dem Vorbringen des Antragstellers überzeugende Belege für die Werthaltigkeit der gegenüber der X-GmbH bestehenden Forderung nicht zu entnehmen. Nach Fertigstellung des Objektes hat die X-GmbH zumindest einen Teil dieser Forderung bestritten, so dass die GmbH am ... hinsichtlich eines Teilbetrages Klage beim Landgericht eingereicht hat. Auch die im April 2000 ergriffenen Maßnahmen und die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes deuten darauf hin, dass die GmbH um die Realisierung ihrer Forderung in hohem Maße besorgt war und nicht mehr auf eine zuverlässige Begleichung der Außenstände vertrauen konnte. Schließlich belegt die später eingetretene Insolvenz der X-GmbH die Notwendigkeit der von der GmbH eingeleiteten Maßnahmen, wenn diese auch nicht zu einem endgültigen Erfolg führten. Hinsichtlich der Umsatzsteuererstattungsbeträge für das III. und IV. Quartal 1999, die auf das Geschäftskonto der GmbH bei der C-Bank ausbezahlt und sodann zur Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber dieser Bank verwendet worden sind, vermag der Senat dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu folgen, dass er keine Einflussmöglichkeiten in Bezug auf die Verwendung der Erstattungsbeträge gehabt hätte. Der Antragsteller hat nicht schlüssig dargelegt, dass eine andere Disposition tatsächlich unmöglich gewesen sei. Vielmehr erschöpft sich sein Vortrag in der Feststellung, dass nach Eingang der Umsatzsteuererstattung gegenüber der C-Bank bestehende Verbindlichkeiten zurückgeführt worden seien und dass er auf den Buchungsvorgang keinen Einfluss gehabt habe.

2. Da das FG bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, dass ein Vertreter der rechts- und steuerberatenden Berufe mit den umsatzsteuerlichen Problemstellungen des Streitfalles nicht befasst gewesen ist, war der Beschluss des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Aus seiner Sicht hatte das FG bisher keinen Anlass, sich mit der Frage zu befassen, ob ein etwaiges Verschulden des Steuerberaterbüros vorliegt, das sich der Haftungsschuldner nur bei Vorliegen eines eigenen Auswahl- und Überwachungsverschuldens zurechnen lassen müsste und ob der Vortrag des Antragstellers in diesem Punkt als hinreichend substantiiert und schlüssig erachtet werden kann. Obwohl der BFH im Streitfall Tatsacheninstanz ist, erscheint es dem Senat zweckmäßig, die Sache an das FG zurückzugeben, um den Beteiligten nicht die finanzgerichtliche Instanz zu nehmen. Eine Rückverweisung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch im Beschwerdeverfahren möglich (BFH-Entscheidung vom 28. Oktober 1981 I B 69/80, BFHE 134, 239, BStBl II 1982, 135, und Senatsbeschluss vom 8. August 1995 VII B 61/95, BFH/NV 1996, 105).



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