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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.02.2002
Aktenzeichen: VII B 323/00
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 71
AO 1977 § 370
AO 1977 § 164
AO 1977 § 191 Abs. 1
AO 1977 § 370 Abs. 1
AO 1977 § 370 Abs. 4
AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren ob der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) den Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) zu Recht für rückständige Umsatzsteuer der Firma A für August 1996 in Höhe von ... DM und für September 1996 in Höhe von ... DM mit auf § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Bescheid vom 10. März 1997 in Haftung genommen hat.

Die im August 1994 zum Zwecke des Groß- und Einzelhandels mit Computern und Computerzubehör gegründete A hat ihre Geschäftstätigkeit im Oktober 1995 aufgenommen. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 1996, die am 5. September 1996 bzw. am 8. Oktober 1996 beim FA eingereicht worden sind, erklärte die A für August 1996 Umsätze in Höhe von ... DM und Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM und für September 1996 Umsätze in Höhe von ... DM und Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM. Das FA erließ am 18. Oktober 1996 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August und September 1996 in denen es die Vorsteuer um die in den Rechnungen der Firma C-GmbH ausgewiesenen Beträge in Höhe von ... DM bzw. ... DM mit der Begründung kürzte, sie beruhten auf Scheinrechnungen.

Nach den Feststellungen der Außenprüfung und der hinzugezogenen Steuerfahndung hat der Antragsteller dafür gesorgt, dass die im Inland ansässige Firma C-GmbH (an der eine Schweizer Firma für ihn treuhänderisch 50 v.H. der Anteile hielt und an deren Überschüssen er zu 50 v.H. beteiligt gewesen sein soll) der A Rechnungen über fingierte Lieferungen von Computerteilen mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt hat. Die Steuerfahndung ermittelte folgenden, durch Zeugenvernehmungen, vorgefundene Unterlagen und Beweisstücke bestätigten "Warenkreislauf":

A veräußert aus den Niederlanden erworbene Computerprozessoren zum Schein an die Firma X (in den Niederlanden), von X erfolgt die papiermäßige Weiterlieferung an die C-GmbH; hier gleichen sich die Erwerbsteuern und der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb betragsmäßig aus. Die C-GmbH veräußert die Ware --auf dem Papier-- an die A. Die A macht aus den ihr erteilten fingierten Rechnungen die entsprechenden Vorsteuerbeträge geltend und reduziert dadurch ihre --durch tatsächliche Warenverkäufe entstandene-- Umsatzsteuerzahllast. Die Umsatzsteuerzahllast bei der C-GmbH wird durch den Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen einer --nicht existierenden, aber in der Bundesrepublik Deutschland mit einer Umsatzsteueridentifikationsnummer versehenen-- Firma P. rechnerisch ausgeglichen.

Nach den Feststellungen der Steuerfahndung wurden auf diese Weise Scheingeschäfte im Gesamtwarenwert von rd. 118 Mio. DM abgewickelt, wobei allein der Rückfluss über die Firma C-GmbH ca. 80 Mio. DM (zzgl. 15 % Umsatzsteuer = 12 Mio. DM) ausgemacht hat. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung hat der Antragsteller den Plan, der A durch Erstellen von Scheinrechnungen, denen Warenlieferungen nicht zugrunde lagen, finanzielle Vorteile zu verschaffen, gemeinsam mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer der A entwickelt. Die Gelder, die durch die Reduzierung der Umsatzsteuerzahllast der A infolge des ungerechtfertigten Vorsteuerabzuges frei geworden sind, haben --nach den durch Zeugenaussagen bekräftigten Feststellungen der Steuerfahndung-- der Antragsteller, ... und weitere an der Steuerhinterziehung beteiligte Personen unter sich aufgeteilt. Nach Aussage des Zeugen P., der bei der C-GmbH die von A gefaxten "Warenbestellungen" entgegenzunehmen und daraus Rechungen der Firma C-GmbH mit gesondertem Umsatzsteuerausweis an die A zu fertigen und einen weiteren Rechnungsaustausch mit der Firma X (Niederlande) und der nicht existierenden Firma P. durchzuführen hatte, war allen Beteiligten --auch dem Antragsteller-- bewusst, dass die Umsatzsteuer aus den von der C-GmbH an A erstellten Rechnungen nicht an das FA abgeführt wird, die Firma A aber die sich aus den Rechnungen ergebende Vorsteuer abziehen sollte. Die Zeugen R (ehemals Geschäftsführer der C-GmbH) und insbesondere P. haben bei ihrer Vernehmung durch die Steuerfahndung weiter ausgesagt, der Antragsteller habe die Anweisungen und Verhaltensmaßregeln für diesen Rechnungskreislauf jeweils selbst gegeben, bei P. täglich die hierdurch veranlassten Umsatzzahlen abgefragt und sich wöchentlich die bei der A durch die Kürzung der tatsächlich entstandenen Umsatzsteuerzahllast um die fingierten Vorsteuerbeträge ersparten Gelder in bar auszahlen lassen. Insgesamt soll der Antragsteller für die Monate August und September 1996 ... DM in bar erhalten haben.

Die Vorwürfe werden von dem Antragsteller im Verfahren gegen den Haftungsbescheid im Einzelnen damit bestritten, dass die Zeugen entweder keine Kenntnis gehabt hätten oder lügen würden, um ihm zu schaden. Im Übrigen ermittle die Staatsanwaltschaft gegen ihn nicht wegen Mittäterschaft bei der Steuerhinterziehung, sondern lediglich wegen Beihilfe, die nicht zu einer Haftungsinanspruchnahme wegen des Hinterziehungstatbestandes führen könne.

Den mit dem Einspruch gegen den Haftungsbescheid verbundenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) gewährte die AdV bis zum Abschluss des außergerichtlichen Verfahrens. Im Anschluss an diesen Beschluss des FG beantragte der Antragsteller die Aufhebung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen, die das FA mit Verfügung vom 13. Mai 1997 abgelehnt hat. Danach stellte der Antragsteller den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung bei dem FG.

In der zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2000 setzte das FA die Haftungssumme wegen von der A zwischenzeitlich getilgter Umsatzsteuer von ... DM auf ... DM herab.

Zusammen mit der gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobenen Klage --über die noch nicht entschieden ist-- hat der Antragsteller die Aussetzung (und Aufhebung) der Vollziehung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens beantragt. Das FG gab diesen Anträgen wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides statt, weil nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller dem Fiskus durch seinen Tatbeitrag einen Schaden zugefügt habe, der über den im Vollstreckungswege bei der A beigetriebenen Betrag von ... DM hinausgehe. Selbst wenn das Gericht von einer Beteiligung des Antragstellers an der Steuerhinterziehung der A ausginge, setze dessen Haftungsinanspruchnahme voraus, dass seine Handlung zumindest (mit-)ursächlich für den eingetretenen Erfolg der Steuerverkürzung gewesen sei. Es gälten nämlich die Grundsätze der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer, so dass der Antragsteller nur in Anspruch genommen werden könne, wenn und soweit die A das FA mit den im Haftungszeitraum insgesamt geleisteten Zahlungen gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt habe. Da der Antragsteller den Tatbestand der Steuerhinterziehung dadurch bewirkt haben soll, dass die Umsatzsteuer-Voranmeldungen der A auf seine Veranlassung hin unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen enthielten, und dadurch Steuer verkürzt worden sei, sei nach der sog. Differenzmethode lediglich darauf abzustellen, ob das FA bei Abgabe richtiger Umsatzsteuer-Voranmeldungen zum gesetzlichen Abgabezeitpunkt mehr erhalten hätte.

Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen dem Abgabetermin der Voranmeldungen und der abweichenden zutreffenden Festsetzung der Umsatzsteuer durch das FA bestünden erhebliche Zweifel daran, dass eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch den Antragsteller Mindereinnahmen des FA verursacht hätte. Sollte der Antragsteller seinen Anteil an den freiwerdenden Mitteln wöchentlich erhalten haben, spreche alles dafür, dass diese Mittel zeitnah verteilt worden und schon zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen aus dem Vermögen der A ausgeschieden gewesen seien, so dass auf diese Mittel ohnehin auch im Wege der Vollstreckung nicht mehr hätte zugegriffen werden können. Außerdem werde das FA einen konkreten Schaden kaum beziffern können.

Das FG hat die Beschwerde wegen möglicher Divergenz zu dem Urteil des Senats vom 26. August 1992 VII R 50/91 (BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8) zugelassen.

Die Beschwerde des FA wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller nach den insoweit nicht ernsthaft bestrittenen Feststellungen der Steuerfahndung gemeinsam mit dem Geschäftsführer der A den Plan entwickelt habe, unter Einschaltung anderer Firmen und Erstellung und Verwendung von Scheinrechnungen die tatsächlich verwirklichte Umsatzsteuerzahllast der A zu reduzieren und die dadurch freigesetzten Gelder unter den Beteiligten aufzuteilen. Die Ansicht des FG im angefochtenen Beschluss, dass im Rahmen der Kausalitätsprüfung nur das steuerunehrliche Verhalten durch steuerehrliches Verhalten ersetzt werden müsse und dass nach der Festsetzung der zutreffenden Umsatzsteuer durch das FA ein Schaden nicht mehr hätte eintreten können, sei mit den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, und im Urteil vom 25. April 1995 VII R 99-100/94 (BFH/NV 1996, 97) nicht vereinbar. Diese Entscheidungen stellten für den Schaden nicht nur auf die Erklärungsabgabe, sondern auch darauf ab, inwieweit das strafrechtlich relevante Verhalten für den Schaden in Gestalt der Nichtentrichtung der Steuer ursächlich gewesen ist. Der dem FA entstandene Schaden und die Verursachung durch den Tatbeitrag des Antragstellers liege darin, dass in den unrichtigen Umsatzsteuer-Voranmeldungen eine zu geringe Zahllast erklärt wurde und die Zahlungsmittel, die aufgrund der falschen Angaben in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen zur Begleichung der Steuerschulden nicht bereitgehalten werden mussten, unter den Beteiligten aufgeteilt worden seien. Bei korrekter Abgabe der Voranmeldungen wäre die GmbH in der Lage gewesen, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in voller Höhe zu begleichen. Für eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung bestehe keine Veranlassung, zum einen berufe sich der Antragsteller selbst nicht darauf und zum anderen müsse er darlegen und nachweisen, dass der Steuerausfall auch ohne sein strafbares Verhalten eingetreten wäre.

Das FA beantragt (sinngemäß), den Beschluss des FG aufzuheben und die Anträge des Antragstellers auf Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides abzuweisen.

Der Antragsteller hat sich zu dem Verfahren nicht geäußert.

II. Die Beschwerde des FA hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung der Anträge auf Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen und die Wirkungen der Vollziehung aufheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Tatfragen auslösen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. August 2000 VII B 145, 146/00, BFH/NV 2001, 75).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides liegen im Streitfall --entgegen der Auffassung des FG-- nicht vor. Vielmehr ergibt die gebotene summarische Prüfung anhand der präsenten Beweismittel, dass das FA den Antragsteller als Haftungsschuldner nach § 71 AO 1977 dem Grunde und der Höhe nach zu Recht in Anspruch genommen hat.

Wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile (§ 71 AO 1977). Er kann nach § 191 Abs. 1 AO 1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Da die Haftung nach § 71 AO 1977 keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten darstellt, sondern lediglich den durch die Hinterziehungshandlung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen soll (vgl. BFH-Urteile vom 8. November 1988 VII R 78/85, BFHE 155, 17, 21, BStBl II 1989, 118, und vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198, m.w.N.), setzt die Inanspruchnahme des Gehilfen einer Steuerhinterziehung auch die Feststellung voraus, dass dessen (Beihilfe-)Handlung zu dem eingetretenen Erfolg einer Steuerverkürzung beigetragen hat, für ihn also (zumindest) mitursächlich gewesen ist (Senatsurteil in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8).

a) Im Hinblick auf die im Steuerfahndungsbericht vom 4. September 2000 niedergelegten Feststellungen und die bislang weder substantiiert bestrittenen noch widerlegten Aussagen der von der Steuerfahndung vernommenen Zeugen P. und der Geschäftsführer der A und der C-GmbH bestehen keine Zweifel daran, dass der Antragsteller die auf Gewährung unberechtigter Anrechnung von Vorsteuern gerichteten strafbaren Handlungen des Geschäftsführers der A bei Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 1996 durch die auf sein Betreiben von der Firma C-GmbH erstellten Rechnungen mit gesondertem Vorsteuerausweis, denen Warenlieferungen nicht zugrunde lagen, objektiv unterstützt und damit Beihilfe zur Steuerverkürzung i.S. des § 370 Abs. 1 und Abs. 4 AO 1977 geleistet hat. Beihilfe zur Steuerverkürzung i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 liegt auch dann vor, wenn auf Betreiben des Beteiligten Scheinrechnungen erstellt werden, die nach seinem Willen Eingang in die Buchführung des Steuerpflichtigen und damit in die unrichtigen Angaben über die Höhe der tatsächlich abzugsfähigen Vorsteuer in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen finden, und das ganze Unternehmen, an dem der Antragsteller als Helfer mitgewirkt hat, ausschließlich darauf abzielt, einen Vorteil durch Steuerhinterziehung zu erreichen. In einem solchen Fall ist auch eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Tatbeitrag und dem dadurch (mit-)verursachten Schaden gegeben, der in der Nichtentrichtung tatsächlich geschuldeter Steuern liegt. Der nach den Feststellungen der Steuerfahndung vom Antragsteller (mit-)initiierte "Warenkreislauf" unter Ausnutzung der von der C-GmbH erstellten Rechnungen, denen Warenlieferungen nicht zugrunde lagen, kann nicht losgelöst von der nachfolgenden Hinterziehung der tatsächlich durch echte Warenverkäufe verwirklichten Umsatzsteuer durch Angabe zu hoher Vorsteuerbeträge in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen betrachtet werden; vielmehr stellen sich der nicht tatsächlich durchgeführte Wareneinkauf der A und Warenverkauf der C-GmbH, sowie die auf Betreiben des Gehilfen bewirkte Erstellung von Rechnungen mit unzutreffendem Vorsteuerausweis als eine --zur von dem Antragsteller gewollten Zielerreichung einer geminderten Umsatzsteuerzahllast der A notwendige-- Vorbereitungshandlung für die angestrebte Steuerhinterziehung dar (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. April 1988 3 StR 33/88, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht 1988, 261, und Senatsbeschluss vom 30. Dezember 1998 VII B 160/98, BFH/NV 1999, 902).

Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung und die Haftung nach § 71 AO 1977 i.V.m. § 370 AO 1977 scheitern auch nicht daran, dass die auf Betreiben des Antragstellers ausgestellten Rechnungen der Firma C-GmbH nicht auf Dauer zu dem gewünschten Erfolg der Anerkennung der in ihnen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge geführt haben, weil das FA diese Rechnungen als Scheinrechnungen erkannt und den Vorsteuerabzug versagt hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 902). Denn die Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 und Abs. 4 AO 1977 war mit der Abgabe der unzutreffenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 1996 vollendet, da diese Voranmeldungen nach § 168 i.V.m. § 164 AO 1977 zu Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung geworden sind (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1994 VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657, und Klein/Gast-de Haan, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 370 Rz. 77, und Klein/Rüsken, a.a.O., § 71 Rz. 4).

b) Dem FA ist infolge der Hinterziehungshandlungen auch ein Schaden insofern entstanden, als in Höhe des durch den unberechtigten Vorsteuerabzug herabgesetzten Betrages eine ungetilgte Steuerschuld der A bestanden hat (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1995, 657, 658).

Gleichwohl könnte --wie es das FG meint-- die Haftungsinanspruchnahme des Antragstellers an dem rechtlichen Gesichtspunkt mangelnder Kausalität seiner Handlung für den bei dem FA eingetretenen Steuerausfall scheitern, sofern der bei dem FA durch die Nichtentrichtung der in Wirklichkeit geschuldeten Umsatzsteuer eingetretene Schaden durch die Handlungen des Klägers nicht (mit-)verursacht worden ist. Wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 71 AO 1977 haftet der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung lediglich in Höhe der aufgrund seines Tatbeitrages verkürzten bzw. hinterzogenen Beträge (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504, und in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, 10, m.w.N.). Die Haftung reicht soweit, wie auch der Vorsatz des Täters gereicht hat; d.h. der Teilnehmer an einer Steuerstraftat haftet für den gesamten durch die Hinterziehung eingetretenen Schaden dann, wenn sich sein Vorsatz auch auf die Folgen der Hinterziehungshandlung bezogen hat (vgl. dazu schon Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 4. März 1936 IV A 14/36, RStBl 1936, 225).

Bei summarischer Betrachtung fehlt es an der Kausalität des Tatbeitrages des Antragstellers für den bei dem FA infolge der Nichtentrichtung der tatsächlich geschuldeten Umsatzsteuer eingetretenen Schaden nicht. Denn der Tatbeitrag des Antragstellers war --wie sich aus dem Mitwirken am Entzug der durch die Geltendmachung überhöhter Vorsteuern "ersparten" Gelder aus der A ergibt-- bewusst und gewollt nicht nur auf die, durch die falschen Angaben in den Steuererklärungen angestrebte zu niedrige Umsatzsteuerfestsetzung gerichtet, sondern insbesondere auf die Nichtentrichtung der tatsächlich geschuldeten Umsatzsteuer an das FA. Für den durch den Tatbeitrag des Antragstellers (mit-)verursachten Steuerausfall ist es ohne Bedeutung, dass die auf Veranlassung des Antragstellers von der Firma C-GmbH ausgestellten Scheinrechnungen deshalb nicht zu der begehrten Vorsteueranrechung auf die Umsatzsteuerzahllast geführt haben, weil das FA die Täuschung entlarvt und den Vorsteuerabzug insoweit nicht gewährt hat; denn der nach dem Tatplan des Antragstellers im Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer der A und dem Zeugen P. für den Fiskus vorgesehene und schließlich auch eingetretene Schaden war die gemeinschaftlich gewollte Nichtzahlung der tatsächlich verwirklichten Umsatzsteuerschuld in voller Höhe. Ob die A aufgrund des Einsatzes von Scheinrechnungen zu Unrecht Vorsteuererstattungen vereinnahmt oder --wie im Streitfall-- die tatsächliche Umsatzsteuerzahllast unrechtmäßig auf einen geringen Betrag reduziert hat, ist unerheblich. Die in dem angefochtenen Beschluss geäußerte Rechtsauffassung des FG, es fehle an der Mitverursachung des für das FA eingetretenen Steuerausfalles durch den Antragsteller, weil dessen Tatbeitrag allenfalls in der Beihilfe zur Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuer-Voranmeldung gesehen werden könne, so dass lediglich darauf abzustellen sei, wie der Fiskus stünde, wenn die A zum gesetzlichen Abgabetermin zutreffende Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben hätte, geht schon deshalb fehl, weil der Gehilfenvorsatz offensichtlich nicht darauf beschränkt war, das FA bei Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen über die abziehbare Vorsteuer zu täuschen, sondern insbesondere auch darauf gerichtet war, dass die A die tatsächlich geschuldete Umsatzsteuer durch den Abzug nicht gerechtfertigter Vorsteuern endgültig nicht zahlen sollte und die so ersparten Gelder zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden sollten.

c) Entgegen der Auffassung des FG ist der Schaden des Fiskus und die Kausalität des Tatbeitrages des Antragstellers auch nicht deshalb zu verneinen, weil die A schon im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Umsatzsteuerschuld --möglicherweise-- nicht mehr genügend Mittel zu deren Begleichung zur Verfügung hatte. Zwar geht das FG zutreffend davon aus, dass die Grundsätze, die der erkennende Senat zur anteiligen Haftung für die Umsatzsteuer entwickelt hat, auch im Falle der Haftung wegen Steuerhinterziehung nach § 71 AO 1977 zur Anwendung kommen können, woraus sich im Streitfall eine Beschränkung der Haftung des Antragstellers der Höhe nach ergeben könnte (Senatsurteile in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; in BFH/NV 1996, 97, und vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Denn es ist auch bei dem Haftungstatbestand der Steuerhinterziehung für den Umfang der Haftung darauf abzustellen, inwieweit das strafrechtlich vorwerfbare Verhalten für den Steuerausfall ursächlich gewesen ist. Grundsätzlich hat der BFH dazu ausgeführt, wenn es auch bei pflichtgemäßem Verhalten --hier der fristgerechten Abgabe einer zutreffenden Umsatzsteuer-Voranmeldung-- zu dem Steuerausfall gekommen wäre, weil keine Zahlungsmittel und auch keine Vollstreckungsmöglichkeiten für das FA vorhanden waren und der Steuerschuldner mit den im Haftungszeitraum insgesamt geleisteten Zahlungen das FA nicht gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat, so kann auch der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung nicht weiter gehend in Haftung genommen werden (vgl. Senat in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, und in BFH/NV 1996, 97, m.w.N.).

Dieser Grundsatz hat jedoch durch die Rechtsprechung des Senats bereits Einschränkungen erfahren. So hat der Senat entschieden, dass ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Steuererklärungspflicht und dem eingetretenen Steuerausfall (Haftungsschaden) auch dadurch begründet sein kann, dass durch die unrichtige Steueranmeldung eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit des FA vereitelt worden ist (Senat in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8), und auch dadurch, dass der aufgrund pflichtwidriger Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuer-Voranmeldung Haftende (und dessen Gehilfe) den Steuerschuldner schon zu einem früheren Zeitpunkt schuldhaft außer Stande gesetzt hat, die vorhersehbare Steuerschuld tilgen zu können (Senatsurteil vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678, 681). In diesem Fall liegt der maßgebliche Grund für den Steuerausfall nämlich nicht in der mangelnden Liquidität der Gesellschaft zum Fälligkeitszeitpunkt, sondern darin, dass durch die Abgabe einer unzutreffenden Steueranmeldung der Erfolg der vorsätzlichen Verschlechterung der Liquiditäts- und Vermögensverhältnisse der GmbH sichergestellt werden soll, wofür der Geschäftsführer der GmbH und folglich auch der mit diesem zusammenwirkende Gehilfe einer Steuerhinterziehung verantwortlich gemacht werden kann. Dieser rechtliche Gesichtspunkt muss in besonderem Maße in einem Falle der Hinterziehung Berücksichtigung finden, in dem --wie im Streitfall-- die pflichtwidrige Abgabe der unzutreffenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach dem Tatplan des Geschäftsführers und des Gehilfen dazu dienen sollte, den aus der vorangegangenen vorsätzlichen Entziehung der --zur Begleichung der tatsächlich verwirklichten Umsatzsteuerschuld notwendigen und bei deren Vereinnahmung auch vorhandenen-- Gelder erlangten Vorteil auf Dauer sicherzustellen. Fehl geht danach auch die Schlussfolgerung des FG, dass wegen der kurzen Zeitspanne zwischen der Abgabe der unrichtigen Voranmeldungen und der Festsetzung der Umsatzsteuer in zutreffender Höhe durch das FA ein Schaden, der über den von der A bislang beigetriebenen Umsatzsteuerbetrag hinausgehe, nicht entstanden sein könne. Das FG hat hierbei außer Acht gelassen, dass es nach den im summarischen Verfahren mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten als präsente Beweismittel vorliegenden und beachtlichen Feststellungen der Steuerfahndung und der Aussagen des Zeugen P. zum Tatplan des Antragstellers und der weiteren Tatbeteiligten gehörte, der A bereits vor Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen die zur Zahlung der durch die tatsächlich bewirkten Umsätze entstandenen Umsatzsteuer notwendigen Mittel zu entziehen, in der Annahme, mit der Entdeckung ihrer Tathandlungen hinsichtlich der abziehbaren Vorsteuer nicht rechnen zu müssen.

d) Der Antragsteller hat gegen die Feststellungen der Steuerfahndung, auf denen die Haftungsinanspruchnahme beruht, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bislang nur unsubstantiierte Einwendungen erhoben. Die zu seiner Verteidigung gegen den Haftungsbescheid schriftsätzlich vorgetragenen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit und Kenntnis der Zeugen vermögen die Wahrscheinlichkeit seiner Tatbeteiligung ebenso wenig zu erschüttern, wie der Vortrag, die Staatsanwaltschaft ermittle gegen ihn lediglich wegen Beihilfe und nicht als Mittäter. Gegen den Antragsteller spricht insoweit, dass er im Gegensatz zu den anderen Mitbeteiligten an dem umsatzsteuerlich bedeutsamen, tatsächlich aber nicht durchgeführten "Warenkreislauf" unter Ausnutzung zwischengeschalteter in- und ausländischer Firmen und Fertigung von Scheinrechnungen, nämlich dem Zeugen P. und der Geschäftsführer der beteiligten Firmen C-GmbH und A, in Anbetracht seiner Ausbildung und seiner einschlägigen Tätigkeit bei der Zollverwaltung, beim FA und als Fachanwalt für Steuerrecht vermutlich der Einzige war, der die rechtlich-komplizierte Verflechtung des fiktiven Warenkreislaufs durchschauen und in Gang setzen konnte. Die vom FA vorgelegten Protokolle der Zeugenaussagen des P., R und ..., wonach der Antragsteller die Anweisungen, was zu tun sei, gegeben habe, sind daher im summarischen Verfahren als durchaus glaubhaft anzusehen. In rechtlicher Hinsicht spielt es keine Rolle, ob dem Antragsteller hinsichtlich seines Tatbeitrages nicht Mittäterschaft, sondern lediglich Gehilfenvorsatz vorzuwerfen ist; denn für die Haftungsinanspruchnahme nach § 71 i.V.m. § 370 AO 1977 genügt die Teilnahme an einer Steuerhinterziehung als Gehilfe (Senatsbeschluss vom 19. Oktober 1995 VII B 118/95, BFH/NV 1996, 291, 292, und in BFH/NV 1999, 902).



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