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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: VII B 338/02
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 284
AO 1977 § 284 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 284 Abs. 1 Nr. 2
AO 1977 § 284 Abs. 3 Satz 2
FGO § 102
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist auf Ersuchen der DAK vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) mit Verfügung vom 26. November 2001 wegen einer rückständigen Forderung in Höhe von über 800 000 DM aus einem Teil-Erstattungsbeschluss hinsichtlich festgestellter Fehlbeträge an öffentlichem Vermögen nach vorgängigen im Wesentlichen ergebnislosen Vollstreckungsversuchen zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgefordert worden. Nach erfolglosem Einspruch blieb auch die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg. Das FG hielt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO 1977 für erfüllt und das dem HZA dabei eingeräumte Ermessen für pflichtgemäß ausgeübt. Da der Kläger bei einem erfolglosen Vollstreckungsversuch bereits die Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen teilweise verweigert habe, könne nicht angenommen werden, dass dem HZA die Vermögensverhältnisse des Klägers in dem Sinne zuverlässig bekannt gewesen seien, dass ein zur Vollstreckung geeignetes Vermögen nicht vorhanden gewesen sei. Mit seinem Angebot, Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 200 € zu leisten, habe der Kläger die Aufforderung nach § 284 AO 1977 nicht abwenden können, da wegen der Höhe der rückständigen Forderung in absehbarer Zeit nicht mit einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers habe gerechnet werden können. Da der Kläger schon das Vermögensverzeichnis nicht abgegeben habe, habe das HZA nicht prüfen müssen, ob es nach § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung Abstand nehmen könne.

Seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Unbeschadet der Mängel in der Darlegung der geltend gemachten Verfahrensfehler liegen diese nicht vor. Das FG hat seine Entscheidung verfahrensfehlerfrei getroffen.

a) Der Kläger beanstandet in erster Linie, das FG habe seinen Vortrag nicht geprüft, dass seit dem letzten erfolglosen Vollstreckungsversuch vom 30. Januar 2001 bis zur Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 26. November 2001 ein nicht unerheblicher Zeitraum von 10 Monaten verstrichen sei, in dem das HZA untätig geblieben sei und sich nicht bemüht habe, bei ihm eine Gehaltspfändung in die Wege zu leiten. Zwar hat der Kläger den Verfahrensfehler, der dem FG bei der Nichtberücksichtigung dieses Vortrags unterlaufen sein soll, nicht benannt. Wie man diesen Vortrag aber auch wertet, sei es als Behauptung einer Gehörsverletzung (§ 96 Abs. 2 FGO), sei es als Rüge eines Verstoßes gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) oder als Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO), so fehlte es in jedem Fall an der Entscheidungserheblichkeit dieses Vortrags, so dass sich das FG in seinem Urteil mit diesem Vortrag nicht befassen musste. Selbst wenn man von einem Verfahrensfehler ausginge, so könnte das angefochtene Urteil nicht darauf beruhen (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Wie das HZA zutreffend ausgeführt hat, gibt es keinen Rechtssatz, der die Behörde verpflichten würde, nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch unmittelbar das Verfahren nach § 284 AO 1977 einzuleiten. Wie lange die Behörde mit der Einleitung des Offenbarungsverfahrens zuwarten kann, ist eine Frage, die sich nur im Einzelfall auf Grund einer Abwägung aller Umstände bestimmen lässt. Hiernach ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass ein Zuwarten über einen "längeren Zeitraum" infolge der deshalb bei dem Betroffenen eingetretenen Ungewissheit zu einem Ermessensfehler der Behörde führen kann (vgl. insoweit den Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 2002 VII B 143/01, BFH/NV 2002, 1124, in dem der beschließende Senat die Auffassung vertreten hat, dass ein Zeitraum von knapp fünf Monaten zwischen dem ergebnislosen Vollstreckungsversuch und der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich weder die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 beseitigt noch zwingend einen Ermessensfehler der Behörde begründet). Der Senat hat aber in der genannten Entscheidung keinen Zeitrahmen vorgegeben, der von den Vollstreckungsbehörden bei ihrer Ermessensentscheidung in jedem Fall zwingend einzuhalten wäre. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls.

Im Streitfall besteht bereits die Besonderheit, dass das HZA die Vollstreckung auf Ersuchen einer Sozialkasse, der DAK, durchgeführt hat. In einem solchen Fall versteht es sich von selbst, dass der ersuchten Vollstreckungsbehörde nach einem ergebnislosen Vollstreckungsversuch auch Zeit für die Abstimmung mit dem Sozialversicherungsträger bezüglich des weiteren Vorgehens in der Vollstreckungssache eingeräumt werden muss. Im Streitfall liegt dies auch deshalb auf der Hand, weil der Vollstreckungsschuldner zwischenzeitlich angeboten hatte, Ratenzahlungen zu erbringen. Unter diesen Umständen ist ein Zuwarten der Behörde für einen Zeitraum von zehn Monaten zwischen der fruchtlosen Vollstreckung und der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf keinen Fall geeignet, einen Ermessensfehler der Behörde zu begründen, den das FG im Rahmen seiner eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit nach § 102 FGO hätte beanstanden müssen.

Angesichts der Höhe der Rückstände war es auch nicht ermessensfehlerhaft, dass das HZA vor der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht noch einen weiteren Vollstreckungsversuch in das Vermögen des Klägers, etwa eine Gehaltspfändung, durchgeführt hat. Aus dem gleichen Grund musste sich das HZA auch nicht, wie bereits das FG zutreffend entschieden hat, auf das Angebot des Klägers, Ratenzahlungen in Höhe von 200 € monatlich zu leisten, einlassen. Auf ein Ruhen des Verfahrens, wie es der Kläger geltend macht, besteht allein wegen des Angebots von Ratenzahlungen ohnehin kein Anspruch. Da der Kläger zudem bei der fruchtlosen Pfändung am 30. Januar 2001 die Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen teilweise verweigert hatte, konnte er auch nicht erwarten oder sogar darauf vertrauen, dass das HZA von einer Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Abstand nehmen würde.

b) Der Kläger beanstandet ferner, das FG habe es versäumt, ihm einen Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO zu geben, dass es das Angebot von Ratenzahlungen für unbeachtlich erachte. Dadurch, dass es ihn nicht befragt habe, wie ihm die Ratenzahlungen möglich seien, habe es sein Recht auf Gehör verletzt. Dieser Vortrag entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Verfahrensfehlern gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Soweit die Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) geltend gemacht wird, fehlt es an der erforderlichen substantiierten Darlegung, was der Kläger ohne eine solche (von ihm angenommene) Verletzung noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Der Kläger hätte in seiner Beschwerde zumindest ausführen müssen, ob und wie (d.h. aus welchen Mitteln) es ihm tatsächlich möglich gewesen wäre, die angebotenen Ratenzahlungen zu erbringen. Allein dies hätte ihm jedoch auch nicht weitergeholfen, da es für die Frage der Entscheidungserheblichkeit auf die materiell-rechtliche Sicht des FG ankommt (vgl. den BFH-Beschluss vom 24. April 1998 X B 155/97, BFH/NV 1998, 1331). Das FG war aber, wie unter 1. a) ausgeführt, der Auffassung, dass das Angebot des Klägers, Ratenzahlungen zu erbringen, nicht entscheidungserheblich war. Eine Verletzung der Hinweispflicht liegt daher nicht vor.

Mit der gleichen Begründung ist auch die vom Kläger erhobene Gehörsrüge als unzulässig zurückzuweisen.

2. Im Übrigen ergeht dieser Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz erste Alternative FGO ohne Begründung.

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