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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.12.2003
Aktenzeichen: VII B 35/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz 1. Alternative
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der im Verlauf des Klageverfahrens nach Begleichung der streitigen Steuerschulden aufgehobenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) begehrte, als unzulässig abgewiesen. Das FG urteilte, ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung sei nicht gegeben. Der Kläger habe zwar behauptet, dass ihm aus der streitigen Pfändungs- und Einziehungsverfügung Schadensersatzansprüche gegen das FA in erheblichem Umfang zuständen. Er habe jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass ein Schadensersatzprozess bevorstehe. Weder schriftsätzlich noch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung habe er Ausführungen dazu gemacht, welcher konkrete Schaden ihm entstanden und wie hoch dieser zu bemessen sei. Es stehe somit nicht fest, worauf er seine angeblichen Ansprüche stütze.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, die er auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt. Ferner rügt er, dass ihm die beantragte und durch den Bundesfinanzhof (BFH) zugesagte Akteneinsicht zur Vorbereitung der Beschwerdebegründung nicht gewährt und dadurch sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Zunächst ist festzustellen, dass dem Kläger das Recht auf Gehör durch das Prozessgericht nicht versagt worden ist. Ausweislich der Aktenlage sind die Prozessakten vom BFH am 1. April 2003 zur Einsichtnahme durch den Kläger, wie von ihm begehrt, an das Oberlandesgericht (OLG) versandt worden, wo sie am 3. April 2003 eingegangen sind; an den Kläger wurde eine Durchschrift des Anschreibens übermittelt. Der Kläger hat sich beim OLG jedoch nicht gemeldet. Ausweislich eines Vermerks der dortigen Präsidialstelle ist von dort mehrmals vergeblich versucht worden, den Kläger telefonisch zu erreichen. Am 30. April 2003 hat daher das OLG die Akten wieder an den BFH zurückgeschickt. Da die Gerichtsverwaltung alles ihr Mögliche getan hat, dem Kläger zur Vorbereitung der Abfassung der Beschwerdebegründung bis zum Ablauf der bis zum 30. April 2003 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist Akteneinsicht zu gewähren, hat es der Kläger selbst zu vertreten, dass er sich nicht in ausreichendem Maße um eine Einsichtnahme in die wunschgemäß bereit gestellten Akten bemüht hat. Symptomatisch hierfür ist, dass der Kläger, nachdem er nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erklärt hatte, sein Akteneinsichtsgesuch habe sich keineswegs erledigt, in die am 11. Juli 2003 erneut an das OLG übersandten Akten trotz mehrfacher Aufforderungen wiederum nicht Einsicht genommen hat. Die Berufung des Klägers auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs erweist sich nach alldem als rechtsmissbräuchlich.

2. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die von ihm behauptete Divergenz in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt hat, denn sie liegt jedenfalls nicht vor.

Der Kläger ist der Auffassung, das FG habe sich mit der Aussage, es müsse für die Annahme eines berechtigten Interesses für eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses feststehen, worauf die angeblichen Schadensersatzansprüche des Klägers gegen das FA gestützt würden, in Widerspruch gesetzt zu den Urteilen des BFH vom 18. Mai 1976 VII R 108/73 (BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566), vom 29. April 1980 VII K 5/77 (BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593) und vom 27. Juli 1994 II R 109/91 (BFH/NV 1995, 322). Einen solchen Widerspruch kann der Senat nicht erkennen. Alle vom Kläger angeführten Entscheidungen gehen, wie auch das angefochtene Urteil, davon aus, dass der beabsichtigte Schadensersatzprozess nicht offensichtlich aussichtslos sein darf. Damit das zur Entscheidung berufene Gericht dies nachvollziehen kann, muss der Kläger nach der Rechtsprechung des BFH diese Voraussetzung wie auch alle weiteren Voraussetzungen für das besondere Feststellungsinteresse substantiiert darlegen (vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 1995, 322, und vom 11. August 1998 VII R 72/97, BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750; Beschluss vom 17. Mai 2001 I S 2/01, BFH/NV 2001, 1426, jeweils m.w.N.). Dies ist keine "Einzelfallbesonderheit" wie der Kläger meint, sondern generelle zwingende Voraussetzung der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage. Zu der geforderten Darlegung gehören zwangsläufig Ausführungen zur Art und Höhe des eingetretenen Schadens (vgl. insbesondere BFH in BFH/NV 2001, 1426), denn ohne Kenntnis dieser Umstände ist das zur Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage berufene Gericht nicht in der Lage, die Erfolgsaussichten des beabsichtigten und bevorstehenden Schadensersatzprozesses zu beurteilen.

Wenn das FG ausführt, "es steht damit nicht fest, worauf der Kläger seine angeblichen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten stützt", hat es nach Auffassung des Senats im Übrigen keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der etwa von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abwiche, sondern es wollte ersichtlich lediglich das Ergebnis seiner Subsumtion unter die zuvor dargestellten Voraussetzungen für das Bestehen eines berechtigten Interesses in den Fällen der beabsichtigten Erhebung einer Schadensersatzklage mitteilen. Das FG meinte mit "Stütze der Ansprüche" nicht etwa die abschließende Bestimmung und Festlegung des zivilprozessualen Streitgegenstandes, wie der Kläger glaubt, sondern, wie sich aus der weiteren Begründung klar ergibt, die Existenz eines Schadens und die Höhe dieses Schadens. Denn das FG führt im Anschluss an den vom Kläger beanstandeten Satz unmittelbar aus: "Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung auf die entsprechende Frage des Gerichts keine Ausführungen dazu gemacht, welcher konkrete Schaden ihm entstanden und wie hoch der entstandene Schaden sein soll. Insbesondere hat er keine Angaben dazu machen können, welcher Schaden ihm durch die hier streitige Pfändungs- und Einziehungsverfügung entstanden sein soll." Mit dieser Würdigung ist das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger das Bestehen eines berechtigten Interesses nicht substantiiert dargelegt hat. Gleichzeitig erledigt sich mit dem obigen Zitat aus dem FG-Urteil auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das FG habe seine prozessuale Hinweispflicht verletzt. Dass der Kläger das Land X schriftlich zur Anerkennung der Schadensersatzpflicht aufgefordert hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, denn auch dies belegt nicht, welcher konkrete Schaden und in welcher Höhe durch die beanstandete Pfändungs- und Einziehungsverfügung beim Kläger eingetreten sein soll.

3. Soweit der Kläger vorbringt, das angefochtene Urteil leide unter Verfahrensmängeln, auf welchen es beruhen könne (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind die Verfahrensmängel schon nicht schlüssig dargelegt. Wieso das Urteil eine unzulässige Überraschungsentscheidung und willkürlich sein soll, bleibt unerfindlich, da das FG den Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgefordert hatte, zur Art und Höhe des Schadens Stellung zu beziehen. Da zudem der Kläger die erwähnten Schriftsätze an das Land X nicht beim FG vorgelegt hat, konnte das FG hieraus auch keine für das berechtigte Interesse des Klägers günstigen Folgerungen ableiten. Wenn der Kläger weiter rügt, das FG habe (auch ohne entsprechenden Beweisantrag) seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es ihn nicht auf die Notwendigkeit der Vorlage dieser Schriftsätze im FG-Verfahren hingewiesen habe, vermengt der Kläger Amtsermittlungspflicht und Hinweispflicht des Gerichts. Die Frage einer Verletzung der Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) kann sich erst dann stellen, wenn das FG Anlass zu der Annahme hatte, dass sich in diesen Schriftsätzen Ausführungen zur Art und Höhe des konkreten Schadens befänden, die der Kläger gerade durch die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlitten hätte. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Daher bestehen insoweit auch keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG.

4. Im Übrigen ergeht diese Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz 1. Alternative FGO ohne weitere Begründung.

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