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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: VII B 363/03
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 34
AO 1977 § 35
AO 1977 § 69
AO 1977 § 191
UStG § 13c
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit Mai 1996 alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, für die am ... Juli 1998 die Sequestration angeordnet und über deren Vermögen am ... November 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden ist. Mit Haftungsbescheid nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger u.a. für rückständige Umsatzsteuern der GmbH zuzüglich Nebenleistungen nach § 191 i.V.m. §§ 34 und 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch. Einspruch und Klage blieben --zumindest soweit letztere die Haftung für rückständige Umsatzsteuer betraf-- ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei zu Recht von dem FA in Anspruch genommen worden, weil er als Geschäftsführer der GmbH verpflichtet gewesen wäre, die jeweils fälligen Umsatzsteuerbeträge zuzüglich der Nebenleistungen an das FA zu entrichten. Diese Pflichtverletzung sei grob fahrlässig und daher schuldhaft gewesen. Die Haftung des Klägers sei nicht im Hinblick auf den Grundsatz der anteiligen Tilgungsquote zu beschränken. Der Kläger habe dem FA weder die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt, noch habe er dabei mitgewirkt, so dass dem FA die Bestimmung einer anteiligen Tilgungsquote nicht ermöglicht worden sei. Auch sei unter dem Blickwinkel einer Überschuldung der GmbH die Haftung des Klägers nicht eingeschränkt. Denn tatsächlich seien der GmbH im November 1997 liquide Mittel in Höhe von ... DM brutto zugeflossen. Dieser Betrag hätte ausgereicht, um die zu diesem Zeitpunkt entstandenen und zukünftigen Steuerschulden sowie die gegenüber den übrigen Gläubigern bestehenden Verbindlichkeiten vollumfänglich zu tilgen. Dem Verschulden des Klägers stehe nicht entgegen, dass er die besagten Geldmittel im Dezember 1997 an die B-Bank verpfändet habe. Vielmehr begründe die Verpfändung zusammen mit der von ihm im Februar 1997 vollzogenen Abtretung des die Zahlung begründenden, zukünftigen Anspruchs an die B-Bank gerade sein Verschulden. Denn die Abtretung und die Verpfändung seien ausschließlich zur Sicherung bzw. Tilgung privater Kredite erfolgt. Damit habe der Kläger der GmbH erwirtschaftete Erträge entzogen, die zur Tilgung betrieblicher Verbindlichkeiten hätten eingesetzt werden können. Im Übrigen seien Ermessensfehler des FA nicht erkennbar.

Mit der gegen das erstinstanzliche Erkenntnis gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

1. Soweit die Beschwerde der Frage, inwieweit bei der Abtretung und Verpfändung von Forderungen einer GmbH an eine Bank eine gesamtschuldnerische Haftung seitens der Bank in Betracht komme und die Bank verpflichtet sei, die in den abgetretenen Forderungen enthaltene Umsatzsteuer zu entrichten, treuhänderisch zu verwalten bzw. auf Anfordern des Geschäftsführers zur Begleichung von Steuerschulden freizugeben, grundsätzliche Bedeutung beimisst, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage. Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Rechtsfrage dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (s. Nachweise in Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28). Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats hinreichend geklärt. Eine Inhaftungnahme der Bank ließe sich in Fällen, in denen Forderungen einer GmbH an die Bank abgetreten oder verpfändet worden sind, allenfalls mit der Vorschrift des § 35 AO 1977 begründen. Wie die Beschwerde in ihrer Beschwerdebegründung aber selbst einräumt, scheitert eine Haftung der Bank in derartigen Fällen zumeist daran, dass die Bank nicht als Verfügungsberechtigte i.S. von § 35 AO 1977 anzusehen ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist erst dann von einer Verfügungsberechtigung einer Person auszugehen, wenn diese rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solche nach außen auftritt (s. Nachweise in Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 35 Rz. 2). Im Falle einer Sicherungsabtretung von Kundenforderungen an eine Bank hat der Senat mit Urteil vom 16. März 1995 VII R 38/94 (BFHE 177, 209, BStBl II 1995, 859) entschieden, dass zur Haftung einer Bank als Verfügungsberechtigte (§§ 35, 69 AO 1977) für die Steuerschulden des Kreditnehmers es grundsätzlich nicht ausreiche, dass sie sich zur Sicherung ihrer Betriebskredite die Forderungen des Kreditnehmers habe abtreten lassen und dass sie in tatsächlicher Hinsicht auf dessen Geschäftsführung und die Vermögensdispositionen Einfluss nehmen könne.

Aus diesen Rechtsgrundsätzen ist zu schließen, dass eine Haftung der Bank nach §§ 69, 35 AO 1977 nicht in Frage kommt, wenn an diese Forderungen einer GmbH abgetreten oder verpfändet werden und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Bank aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam für die GmbH handeln kann. Da --zumindest für den hier streitigen Haftungszeitraum 1997 und 1998-- auch keine anderen Haftungsnormen einschlägig sind, lässt sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage dahin gehend beantworten, dass eine Haftung der Bank in solchen Fällen ausscheidet und eine Verpflichtung der Bank, die in den abgetretenen Forderungen enthaltene Umsatzsteuer zu entrichten oder treuhänderisch zu verwalten, nicht begründet werden kann.

Es sind zudem keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den Senat erforderlich machen. Zwar trägt die Beschwerde vor, dass sich die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage vor allem im Hinblick auf die durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2003 (Steueränderungsgesetz 2003, BStBl I 2003, 710, 721) neu eingeführte Vorschrift des § 13c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebe. Danach sei nunmehr der Abtretungsempfänger zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet. Da eine entsprechende Regelung vor In-Kraft-Treten des § 13c UStG fehle, sei die Beantwortung der Frage für Fälle vor dem 1. Januar 2004 aus Gründen der Rechtssicherheit notwendig, um Regelungslücken zu vermeiden. Dieses Vorbringen führt jedoch nicht dazu, eine erneute Entscheidung des Senats für geboten zu erachten. Unabhängig davon, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 13c UStG erfüllt wären, findet die besagte Vorschrift erst auf Forderungen Anwendung, die nach dem 7. November 2003 abgetreten, verpfändet oder gepfändet worden sind (§ 27 Abs. 7 Satz 1 UStG). Eine Erstreckung des § 13c UStG auf vor diesem Zeitpunkt abgetretene oder verpfändete Forderungen ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht zulässig, mit der Folge, dass eine entsprechende Regelungslücke nicht angenommen werden kann. Mithin kann eine Bank, an die Forderungen vor dem 7. November 2003 abgetreten oder verpfändet worden sind, nicht für die in den Forderungen enthaltene Umsatzsteuer nach § 13c UStG in Anspruch genommen werden.

2. Soweit die Beschwerde weiter vorträgt, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, inwieweit ein Geschäftsführer zur anteiligen Tilgung der Steuerschuld herangezogen werden könne, falls dieser zwar rechtlich Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel der GmbH habe, jedoch faktisch wegen des Einflusses der Bank nicht in der Lage sei, diese Betriebsmittel zur anteiligen Befriedigung einzusetzen, hat sie einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

Für die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 260/02, BFH/NV 2004, 69, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Auch wenn in der Begründungsschrift eine abstrakte Rechtsfrage formuliert worden ist, fehlt es an konkreten Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage. Lediglich der Hinweis, die Frage habe aufgrund der Vielzahl von Insolvenzen und der bisherigen Bankenpraxis grundsätzliche Bedeutung reicht nicht aus, um den geltend gemachten Zulassungsgrund hinreichend begründen zu können (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 34, m.w.N.).

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