Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: VII B 385/02
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 34
AO 1977 § 69
AO 1977 § 225 Abs. 2
AO 1977 § 225 Abs. 3
FGO § 69
EStG § 41a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Anschlussbeschwerdegegnerin (Antragstellerin) war Geschäftsführerin einer GmbH, die in Insolvenz geraten ist und dem Antragsgegner, Beschwerdegegner und Anschlussbeschwerdeführer (Finanzamt --FA--) verschiedene Steuern schuldet. Das FA hat deswegen das Konto der GmbH bei der X-Bank gepfändet. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom April 2000 erstreckte sich u.a. auf alle gegenwärtig und künftig bestehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus allen Konten auf Zahlung des gegenwärtigen Überschusses und aller künftigen Überschüsse sowie auf fortlaufende Auszahlung von Aktivsalden (Tagessalden) aufgrund des Girovertrages, Gutschrift aller Eingänge, Barabhebung, Durchführung von Überweisungen an sich und an Dritte. Ferner pfändete das FA das Konto der GmbH bei der Y-Bank. Diese nahm nach der Pfändung mehrere Überweisungen an das FA aufgrund bei ihr bestehender Guthaben der GmbH in Höhe von insgesamt 1 699,89 DM vor. Die X-Bank zahlte an das FA am 26. Februar 2001 einen Betrag von 9 454,37 DM, dessen Herkunft zunächst unklar war. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage, der am 5. März 2001 beim FA eingegangen ist, teilte die GmbH diesem mit, dass die Überweisungen der Y-Bank sowie die Überweisung der X-Bank die rückständige Lohnsteuer Januar bis Dezember 2000, Säumniszuschläge hierzu, die Solidaritätszuschläge hierzu und die Säumniszuschläge zu den Solidaritätszuschlägen in Höhe von insgesamt 11 154,26 DM tilgen sollten.

Das FA folgte dieser Anweisung jedoch nicht, sondern verrechnete die vorgenannten Zahlungen mit rückständiger Umsatzsteuer und Vollstreckungskosten. Wegen der damals von der GmbH angemeldeten, jedoch nicht abgeführten Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge in Höhe von insgesamt 15 452,61 DM für den Zeitraum Januar 2000 bis April 2001 nahm das FA die Antragstellerin mit Haftungsbescheid vom 21. Mai 2001 in Anspruch. Über den Einspruch hiergegen ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides hat das FA abgelehnt.

Auf den daraufhin von der Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen, entschied das FG unter Abweisung des Antrages im Übrigen, die Vollziehung sei ab Fälligkeit bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung in Höhe von 11 000,24 DM auszusetzen. Wegen eines Teilbetrags von 1 545,87 DM beruht diese Entscheidung darauf, dass die GmbH inzwischen berichtigte Lohnsteueranmeldungen für Februar bis April 2001 abgegeben hatte und das FA aufgrund dieser Anmeldungen die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigende Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Haftungsbescheides selbst eingeräumt hatte. Wegen eines weiteren Teilbetrages von 9 454,37 DM, nämlich der Überweisung der X-Bank, ging das FG entsprechend dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin davon aus, dass diese Zahlung aufgrund deren Zahlungsauftrages und unter Erhöhung des Debetsaldos auf dem gepfändeten Konto der GmbH ausgeführt worden sei. Dementsprechend handele es sich nicht um eine i.S. des § 225 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) erzwungene Zahlung, sondern um eine solche, die nach der gesetzlichen Tilgungsbestimmung in § 225 Abs. 2 AO 1977 mit den rückständigen Lohnsteuern zu verrechnen sei; die Tilgungsbestimmung der GmbH in deren Schreiben vom 26. Februar 2001 habe allerdings deshalb keine Wirkung entfaltet, weil dieses erst nach der strittigen Zahlung beim FA eingegangen sei. Hingegen sei die Zahlung der Y-Bank (1 699,89 DM) aus dem gepfändeten Habensaldo erfolgt, so dass die Tilgungsreihenfolge vom FA habe bestimmt werden können.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin die vom FG zugelassene Beschwerde erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, "die Klägerin" (gemeint offenbar: die GmbH) habe auf das Konto bei der X-Bank eine Bareinzahlung von 9 500 DM geleistet, um ihre Steuerschuld zu begleichen. Die Zahlungen, die von der Y-Bank erfolgt seien, seien Zahlungen gewesen, die aus einem dort vorhandenen Guthaben erbracht wurden.

Das FA hat gegen den Beschluss des FG Anschlussbeschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass die Aussetzung der Vollziehung wegen der Zahlung der X-Bank in Höhe von 9 454,37 DM aufgehoben wird. Dazu legt das FA deren Schreiben vor, in dem es heißt, die Zahlung von 9 454,37 DM sei auf Wunsch der GmbH zur "Teilerledigung der Pfändung" erfolgt. Auch bei der zwangsweisen Zahlung der Y-Bank könne das FA nach § 225 Abs. 3 AO 1977 die Reihenfolge der Tilgung bestimmen. Im Übrigen trägt es vor, die von der Beschwerdeführerin (gemeint offenbar: der GmbH) abgegebenen korrigierten Lohnsteueranmeldungen hätten zwar zu einer Reduzierung der Haftungsschuld um 1 545,87 DM auf 13 906,74 DM geführt. Soweit die Antragstellerin jedoch über die vom FG vorgenommene Vollziehungsaussetzung hinaus die Aussetzung des Restbetrages von 4 452,37 DM begehre, sei dem nicht zuzustimmen. Denn dieser Betrag setze sich zusammen aus den Zahlungen der Y-Bank in Höhe von insgesamt 1 699,89 DM und unstreitig nicht beglichenen Lohnsteuerbeträgen in Höhe von 2 752,48 DM.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet, die Anschlussbeschwerde des FA hingegen begründet; sie führt zur Änderung des Beschlusses des FG dahin, dass die Vollziehung des strittigen Haftungsbescheides nur wegen des sich aus den korrigierten Lohnsteueranmeldungen der GmbH ergebenden Teilbetrages ausgesetzt wird.

Maßstab der rechtlichen Prüfung ist § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 34, 69 AO 1977 und § 41a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Anwendung dieser Bestimmungen im Streitfall ist nicht (mehr) streitig; aus ihnen ergibt sich, wie das FG rechtsfehlerfrei erkannt hat, dass die Antragstellerin dem FA haftet, soweit Lohnsteuern von der von der Antragstellerin vertretenen GmbH nicht an das FA abgeführt worden sind, die Steuerentrichtungsschuld der GmbH also unbefriedigt geblieben ist und von der GmbH auch nicht mehr befriedigt werden kann.

Die Beteiligten gehen angesichts der von der GmbH abgegebenen berichtigten Lohnsteueranmeldungen übereinstimmend davon aus, dass eine Lohnsteuerentrichtungsschuld der GmbH jedenfalls für den 13 906,74 DM um 1 545,87 DM übersteigenden Betrag, den das FA in dem Haftungsbescheid als rückständige Schuld der GmbH zugrunde gelegt hat, nicht besteht. Insoweit ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides also i.S. des § 69 FGO ernstlich zweifelhaft und die Vollziehung des Bescheides, wie vom FG verfügt, auszusetzen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten ebenfalls kein Streit.

Wegen des weiterhin strittigen Teilbetrages von 1 699,89 DM ist die Vollziehung nicht auszusetzen. Die Antragstellerin trägt selbst vor, die Zahlungen der Y-Bank in dieser Höhe seien aus ihrem dortigen Guthaben erfolgt. Dieses war indes, wie das FG ausgeführt und die Antragstellerin nicht substantiiert in Frage gestellt hat, von der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA gegen die Y-Bank erfasst, so dass das FA nach § 225 Abs. 3 AO 1977 wie geschehen bestimmen konnte, dass diese Zahlung nicht die Lohnsteuerschulden der GmbH tilgen solle, sondern anderweit verbucht werde.

Wegen der Zahlungen der X-Bank (9 454,37 DM) ist die Vollziehung ebenso wenig auszusetzen. Auch diese sind nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin aus dem Guthaben der GmbH bei dieser Bank erfolgt; sie waren deshalb gleichfalls von einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA erfasst und konnten nach dessen Ermessen anders als auf die Lohnsteuerentrichtungsschuld der GmbH verbucht werden. Daran ändert nichts, dass das Guthaben wie die Antragstellerin behauptet durch eine Einzahlung der GmbH entstanden und diese Einzahlung von der GmbH vorgenommen worden sein mag, um ihre Lohnsteuerentrichtungsschuld durch eine entsprechende Überweisungsanordnung tilgen zu können. Die --hier vom FA verfügte-- Pfändung auch künftiger Guthaben aus einem laufenden Konto beschränkt den Kontoinhaber zwar für sich genommen nicht in seinen Möglichkeiten, Geld auf sein Konto einzuzahlen und bevor dieses nach Maßgabe des Kontokorrentvertrages in den jeweils nächsten Rechnungsabschluss eingeht über die betreffende Gutschrift z.B. durch Überweisung an einen Dritten zu verfügen (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl. 2002, Rdnr. 165, m.w.N.). Dieses von der Pfändung des Guthabens nicht erfasste Recht kann jedoch seinerseits gepfändet werden mit der Folge, dass der Pfändungsgläubiger zwar nicht einen unmittelbaren Zugriff auf den Einzahlungsbetrag erhält, der vielmehr von der für den Bankvertrag kennzeichnenden Kontokorrentabrede erfasst wird, wohl aber auf den Anspruch des Kontoinhabers auf Gutschrift der auf sein Konto durch Überweisung oder Einzahlung eingehenden Beträge, so dass die Bank (Drittschuldnerin) daran gehindert wird, Verfügungen des Kontoinhabers über eingehende Beträge vor Einstellung in das Kontokorrent zu erfüllen (Stöber, a.a.O., Rdnr. 166 e, m.N.). Eine solche Pfändung hat das FA ausdrücklich ausgesprochen ("Anspruch ... auf Gutschrift aller Eingänge"); sie erfasst auch eigene Einzahlungen des Kontoinhabers. Dem entspricht die Mitteilung der X-Bank, dass sie ohne Rücksicht auf die Verfügung des FA eine Verfügung der GmbH über den strittigen Einzahlungsbetrag nicht ausgeführt hätte. Folglich ist davon auszugehen, dass die Zahlung der X-Bank nicht aufgrund der Überweisung des Einzahlungsbetrages geleistet worden ist, sondern aufgrund des durch diese Einzahlung entstandenen, von dem FA gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen positiven Tagessaldos, der anders als vorgenannter Anspruch selbständig pfändbar ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 1985 IX ZR 65/84, BGHZ 93, 315) und vom FA auch tatsächlich gepfändet worden ist. Mithin irrt die Antragstellerin, wenn sie meint, hinsichtlich dieser Zahlung habe das FA nicht nach § 225 Abs. 3 AO 1977 eine Tilgungsbestimmung treffen dürfen. Dass die GmbH dieses rechtliche Ergebnis dadurch hätte vermeiden können (und angeblich hat vermeiden wollen), dass sie --woran sie durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA selbstredend nicht gehindert werden konnte-- eine Einzahlung auf ihr gepfändetes Bankkonto unterlässt und ihr anderweit zur Verfügung stehende Gelder auf anderem Zahlungswege zur Tilgung ihrer Lohnsteuerschuld bei dem FA verwendet, vermag an der rechtlichen Beurteilung der tatsächlich von der GmbH vorgenommenen Zahlung nichts zu ändern.

Zieht man die vorgenannten Teilbeträge von dem Gesamtbetrag, dessentwegen die Antragstellerin auf Haftung in Anspruch genommen worden ist, ab, verbleibt ein Betrag in Höhe von 2 752,48 DM (15 452,61 DM - 1 545,87 DM - 1 699,89 DM - 9 454,37 DM), dessentwegen die Vollziehung ebenfalls nicht ausgesetzt werden kann, nachdem die Antragstellerin keinerlei Grund dafür angegeben hat, weshalb sie für die betreffenden Lohnsteuerbeträge meint nicht haften zu müssen.

Ende der Entscheidung

Zurück