Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: VII B 46/04
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 102
FGO § 155
AO 1977 § 191 Abs. 1
AO 1977 § 191
AO 1977 § 44 Abs. 1
BGB § 421
BGB § 427
HGB § 128
ZPO § 571 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gründete zusammen mit D zum 1. April 1993 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck das Betreiben einer Kfz-Werkstatt war. Nach § 7 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags erhielt der Antragsteller eine feste Vergütung von 2 400 DM jährlich und war darüber hinaus am Gewinn der Gesellschaft nicht beteiligt. Diese Vereinbarung galt --nach § 7 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags-- für die ersten zwölf Monate ab Gründung der Gesellschaft. Nach dieser Zeit sollten die Gesellschafter einvernehmlich über den Fortbestand oder die Änderung der Gewinnverteilung entscheiden. Für den Fall, dass ein Beschluss nicht zustande kommen sollte, sollte die Gesellschaft mit Ablauf der zwölf Monate als aufgelöst gelten. Nach einer am 2. April 1993 getroffenen Zusatzvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag wirkte der Antragsteller bei der Durchführung der Geschäfte der GbR nicht aktiv mit, sondern sollte in seiner Eigenschaft als Kfz-Meister lediglich bewirken, dass die GbR infolge seiner Beteiligung in die Handwerksrolle eingetragen werden konnte. Im Innenverhältnis war er von jeder Haftung freigestellt.

Nachdem die Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung für 1994 nicht unterzeichnet worden war, forderte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beide Gesellschafter auf, die Unterschriftsleistung an Amtsstelle nachzuholen oder eine vom FA vorbereitete Erklärung abzugeben. Daraufhin unterzeichnete der Antragsteller im September 1996 die Erklärung und reichte sie beim FA ein. In 2002 erließ das FA aufgrund eines bei der GbR durchgeführten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zum Teil geänderte Feststellungsbescheide, in denen es dem Antragsteller für 1993 einen Gewinnanteil von 2 000 DM, für 1994 und 1995 einen Gewinnanteil von jeweils 3 000 DM zurechnete. Lediglich im Feststellungsbescheid für 1996 wurden dem Antragsteller keine Einkünfte der GbR zugerechnet. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Bescheid vom ... März 2003 nahm das FA den Antragsteller als Gesellschafter der inzwischen aufgelösten GbR für deren rückständige Umsatzsteuer und steuerliche Nebenleistungen für 1993 bis 1996 gesamtschuldnerisch neben dem Gesellschafter D in Haftung. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage, die beim Finanzgericht (FG) unter dem Az. 4 K 818/03 anhängig ist, hat der Antragsteller gleichzeitig beantragt, den Haftungsbescheid vom ... März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... April 2003 in voller Höhe von der Vollziehung auszusetzen. Das FG versagte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 669 veröffentlichtem Beschluss.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf AdV weiter und begründet dies im Wesentlichen damit, eine Inhaftungnahme komme nicht in Betracht, weil er nicht als Mitunternehmer der GbR anzusehen sei. Er habe weder Einsicht in die Bücher gehabt noch sei er an unternehmerischen Entscheidungen beteiligt gewesen. Nach dem Gesellschaftsvertrag wäre eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern über die weitere Vergütung des Antragstellers erforderlich gewesen, um das Fortbestehen der GbR über zwölf Monate ab deren Gründung hinaus herbeizuführen. Eine solche Vereinbarung sei allerdings nicht zustande gekommen. Das Fortbestehen der GbR könne auch nicht daraus geschlossen werden, dass er, der Antragsteller, die Feststellungserklärung für 1994 angeblich nachträglich unterzeichnet habe, was im Übrigen ausdrücklich bestritten werde. Schließlich leide der angefochtene Haftungsbescheid an Ermessensfehlern. Ertragsteuerlich habe das FA aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndungsstelle die Einkünfte der GbR dem Gesellschafter D zugerechnet, für die nachgeforderte Umsatzsteuer jedoch ihn, den Antragsteller, in Anspruch genommen. Eine genaue Begründung für seine Inhaftungnahme seitens des FA sei nicht erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 22. September 2004 legte der Antragsteller eine schriftlich verfasste und unterschriebene Äußerung des D vor, in der D erklärte, dass die Erklärung, mit der die Unterschriftsleistung hinsichtlich der Feststellungserklärung für 1994 nachgeholt werden sollte, nicht von dem Antragsteller unterschrieben worden sei. Vielmehr habe er, D, die Unterschriftsleistung "veranlasst".

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), aber nicht begründet und daher zurückzuweisen. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids bestehen keine ernstlichen Zweifel. Das FG hat daher zu Recht dem Antragsteller AdV nicht gewährt.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder --was im Streitfall nicht in Betracht kommt-- seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Tatfragen auslösen. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die AdV nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 23. August 2000 VII B 145, 146/00, BFH/NV 2001, 75).

2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids liegen im Streitfall nicht vor. Nach gebotener summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel ist festzustellen, dass das FA den Antragsteller als Gesellschafter der GbR für deren rückständige Umsatzsteuer nebst steuerlicher Nebenleistungen zu Recht persönlich in Haftung genommen hat.

a) Nach § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Diese Vorschrift umfasst auch die Haftungsansprüche nach zivilem Recht. Wenn Gesellschaften als solche, wie z.B. bei der Umsatzsteuer, der Besteuerung unterliegen, gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die persönliche Haftung der Gesellschafter die Vorschriften des bürgerlichen Rechts sinngemäß. Dabei kann im Streitfall offen bleiben, ob sich die persönliche gesamtschuldnerische Haftung des Antragstellers als Gesellschafter der GbR aus den Rechtsgedanken der §§ 421, 427 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergibt (so die bisher ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. die Nachweise in Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 69 Rz. 156) oder --wie das FG meint-- der Antragsteller aufgrund einer analogen Anwendung des § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB) persönlich haftet (so Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2001, 1056; ihm folgend: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2001 6 K 2871/98, EFG 2002, 64; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Vor § 69 AO 1977 Tz. 43 ff.). § 128 HGB wäre im Streitfall auch sinngemäß anwendbar, weil die GbR den Zweck verfolgte, eine Kfz-Werkstatt zu betreiben; sie ist daher nach außen im Wirtschaftsverkehr tätig geworden (sog. Außen-Gesellschaft).

b) Der zivilrechtliche Haftungstatbestand (§§ 421, 427 BGB bzw. § 128 HGB) ist auch verwirklicht, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Begründung der Umsatzsteuerschulden (1993 bis 1996) Gesellschafter der GbR war. Die Gesellschafterstellung des Antragstellers ist mit der Errichtung der GbR zum 1. April 1993 begründet worden. Diese Eigenschaft hat der Antragsteller auch nicht während des Haftungszeitraums verloren. Zwar sollte die GbR nach § 7 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags mit Ablauf von zwölf Monaten ab deren Gründung als aufgelöst gelten, falls die Gesellschafter keinen erneuten Beschluss über die Gewinnverteilung fassten. Ein solcher Beschluss ist zwar nicht aktenkundig und soll nach dem Vorbringen der Beschwerde nie zustande gekommen sein. Gleichwohl sprechen die Umstände des Falles --wie sie sich aus den Akten ergeben-- eindeutig dafür, dass die Gesellschafter eine erneute Vereinbarung über die Gewinnverteilung getroffen und die GbR über den März 1994 hinaus, zumindest während des Haftungszeitraums fortgesetzt haben. Anders wäre es schwer verständlich, dass der Antragsteller die vom FA erlassenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der GbR für 1993 bis 1996, in denen dem Antragsteller --außer für 1996-- Einkünfte der GbR zugerechnet wurden, gegen sich hat gelten lassen. Auch als er im September 1996 beim FA eine Erklärung einreichte, mit der er die fehlende Unterschriftsleistung auf der Feststellungserklärung für 1994 nachholte, hat er keine Einwände dahin gehend vorgebracht, dass die GbR mangels erneuter Vereinbarung über die Gewinnverteilung nicht mehr bestehe.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren die Echtheit der Unterschrift bezweifelt, kann dieses Vorbringen zumindest im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist neues Vorbringen der Beteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 571 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) im Beschwerdeverfahren zulässig. Als Beschwerdegericht hat der BFH zwar solches neues Vorbringen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen und muss die angefochtene Entscheidung auch in tatsächlicher Hinsicht --ggf. nach Beweisaufnahme-- überprüfen (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 132 Rz. 6, m.w.N.). Die Überprüfung des vorinstanzlichen Beschlusses in tatsächlicher Hinsicht beschränkt sich im Streitfall allerdings auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten und die präsenten Beweismittel (zu diesen vgl. §§ 371 ff. ZPO), da sich die Beschwerde gegen die richterliche Ablehnung einer beantragten AdV richtet und im AdV-Verfahren nur solche Beweismittel berücksichtigt werden können. Da die entscheidungserheblichen Tatsachen lediglich glaubhaft gemacht werden müssen (vgl. Gräber/ Koch, a.a.O., § 69 Rz. 121, m.w.N.), ist allerdings auch die Vorlage einer Versicherung an Eides Statt des Beteiligten oder eines Dritten zulässig (§ 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO). An die Stelle der --im AdV-Verfahren im allgemeinen ausgeschlossene-- Vernehmung eines Zeugen oder dessen eidesstattlicher Versicherung kann jedoch grundsätzlich nicht die Vorlage einer privatschriftlichen Erklärung derselben gesetzt werden. Zwar ist eine solche Erklärung im Rahmen der Würdigung des eigenen Vortrags des Antragstellers zu berücksichtigen. Ohne Beibringung von Beweismitteln (Mitteln der Glaubhaftmachung), d.h. durch die schlichte Behauptung des Antragstellers, kann jedoch die für eine ihm günstige Entscheidung erforderliche richterliche Überzeugung, dass eine hinreichende Möglichkeit besteht, die von ihm behaupteten Tatsachen im Hauptsacheverfahren festzustellen, nur ausnahmsweise gewonnen werden (zu einem solchen Fall vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 2. Juli 1974 2 BvR 32/74, BVerfGE 38, 35). Das gilt insbesondere dann, wenn --wie hier-- Mittel der Glaubhaftmachung an sich zur Verfügung stünden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002, und vom 25. November 1996 III R 8/96, BFH/NV 1997, 366).

Unter Beachtung dieser Maßstäbe zweifelt der beschließende Senat nicht daran, dass der Antragsteller die Unterschrift auf der vom FA vorbereiteten Erklärung geleistet hat. Daran vermag die mit Schriftsatz vom 22. September 2004 vorgelegte Erklärung des D nichts zu ändern, die --wie ausgeführt-- kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung darstellt. Sie ist auch ihrem Inhalt nach nicht geeignet, die Zweifel an der Richtigkeit des Sachvortrags des Antragstellers auszuräumen. Insbesondere vermisst man eine genaue Darstellung, wer aus welchem Grunde die Unterschrift des Antragstellers gefälscht haben soll und weshalb D dies "veranlasst" hat (statt es selbst zu besorgen). Da sich das Vorbringen der Beschwerde mithin in der bloßen Behauptung erschöpft, die Unterschrift stamme nicht vom Antragsteller, ist dessen Vorbringen nicht in einer Weise glaubhaft gemacht worden, die geeignet gewesen wäre, die vorläufige Überzeugung des Senats davon zu erschüttern, dass der Antragsteller in dem maßgeblichen Zeitpunkt noch an der Gesellschaft beteiligt war.

c) Die Haftung ist --entgegen der Auffassung der Beschwerde-- nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Antragsteller keinen Einblick in die Bücher der GbR hatte und an den unternehmerischen Entscheidungen nicht beteiligt wurde. Denn für das Außenverhältnis, d.h. für das Verhältnis der GbR bzw. deren Gesellschafter zu Dritten, wozu auch die hier in Rede stehende Haftung gegenüber dem FA gehört, kommt es allein auf die formale Stellung des potentiell Haftenden als Gesellschafter an. Unerheblich ist, ob der Gesellschafter in tatsächlicher Hinsicht daran gehindert war, die Rechte eines Gesellschafters auszuüben. Zivilrechtlich bleibt es bei der Gesellschafterstellung des potentiell Haftenden. Er ist der Träger der Mitgliedschaft; ihn treffen im Verhältnis zu Dritten die Pflichten eines Gesellschafters (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 II R 69/91, BFH/NV 1995, 186; vgl. auch Klein/Rüsken, a.a.O., § 69 Rz. 156; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Vor §§ 69 bis 77 AO 1977 Rz. 54).

Genauso wenig konnte die Haftung durch die Zusatzvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag, nach welcher der Antragsteller im Innenverhältnis von jeder Haftung freigestellt wurde, ausgeschlossen werden. Der zivilrechtlich zulässige Haftungsausschluss kann sich nur auf rechtsgeschäftlich begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten, nicht aber auf Verbindlichkeiten, die --wie Steuerschulden-- kraft Gesetzes entstehen, auswirken (Senatsurteil vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939). Der Haftungsausschluss im Innenverhältnis entfaltet mithin im Außenverhältnis, also auch gegenüber dem FA, keine Rechtswirkung.

d) Das FG hat schließlich zu Recht entschieden, dass die Inanspruchnahme des Antragstellers durch den angefochtenen Bescheid ohne Ermessensfehler des FA erfolgt ist.

Das FA hatte --wovon das FG zutreffend ausgegangen ist-- bei der Frage der Inanspruchnahme des Antragstellers als Gesellschafter der GbR für deren Umsatzsteuerschulden eine Ermessensentscheidung zu treffen. Neben dem Antragsteller kam auch D als Haftungsschuldner in Betracht, da dieser als weiterer Gesellschafter der GbR ebenso für deren Steuerschulden gemäß § 191 AO 1977 i.V.m. §§ 421, 427 BGB bzw. § 128 HGB einzustehen hatte. Beide Gesellschafter haften dabei nach § 44 Abs. 1 AO 1977 gleichrangig nebeneinander als Gesamtschuldner. Die Entscheidung, welcher von mehreren grundsätzlich gleichrangigen Schuldnern in Anspruch genommen werden soll, steht genauso im pflichtgemäßen Auswahlermessen der Behörde (§ 5 AO 1977), wie die Entscheidung, dass alle Gesamtschuldner in Haftung genommen werden sollen. Der beschließende Senat geht auch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass jeder der Gesamtschuldner ein subjektives öffentliches Recht hat, dass die Finanzbehörde diese Entscheidung ermessensfehlerfrei trifft (zu einem entsprechenden Anspruch sogar bei mehreren Abgabenschuldnern vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFHE 204, 380).

Die Ermessensentscheidung ist daher nach § 102 FGO vom Gericht daraufhin zu überprüfen, ob sie rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid, spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden (vgl. § 121 Abs. 1 AO 1977), anderenfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist (ständige Rechtsprechung; zuletzt Senatsurteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, m.w.N.).

Zu einer ermessensfehlerfreien Auswahlentscheidung gehört zunächst, dass sich die Finanzbehörde überhaupt ein zutreffendes Bild darüber verschafft, wer für die betreffenden Abgaben aus welchen Rechtsgründen haftet (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 191 Rz. 58). Haften mehrere aus dem gleichen Rechtsgrund --hier: ihrer gesellschaftlichen Beteiligung an der Steuerschuldnerin--, so ist es in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, diese nebeneinander auf die Haftungssumme in Anspruch zu nehmen. Ausnahmen hiervon hat die Rechtsprechung des beschließenden Senats nur unter strengen Voraussetzungen gemacht, etwa wenn bei mehreren Geschäftsführern durch eine klare und eindeutige, schriftliche Vereinbarung ein Geschäftsführer im Innenverhältnis von seiner steuerlichen Verantwortlichkeit freigestellt war (vgl. u.a. Senatsurteil vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, BFHE 186, 132, BStBl II 1998, 761). Ob in ähnlicher Weise die unbeschränkte persönliche Haftung des Gesellschafters steuerrechtlich nach Maßgabe seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen oder am Gewinn oder dergleichen zu beschränken sein kann, bedarf in diesem Verfahren keiner abschließenden Prüfung. Denn jedenfalls könnte eine solche Beschränkung nur dann zum Zuge kommen, wenn feststeht, dass der Steuerausfall durch Haftungsinanspruchnahme anderer Gesellschafter ausgeglichen werden kann.

So liegt es hier aber nicht. Das FA hat zur Begründung seiner Entscheidung im angefochtenen Haftungsbescheid darauf verwiesen, dass Vollstreckungsversuche in das Vermögen der nicht mehr existierenden GbR nicht mehr möglich seien und eine gesamtschuldnerische Inhaftungnahme des D als weiteren Haftungsschuldner neben dem Antragsteller erfolge. Dies sei in Fällen sachgerecht, in denen z.B. aufgrund der Höhe der Haftungssumme oder der Vermögensverhältnisse der einzelnen Gesellschafter nur so die Einziehung rückständiger Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis möglich ist. Das FA ist also davon sinngemäß ausgegangen, seine Steuerforderungen nicht allein bei D, sondern mit hinreichender Sicherheit nur durch die Inhaftungnahme beider Gesellschafter nebeneinander realisieren zu können. Dass es dabei von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre, ist in einer in diesem Verfahren zu berücksichtigenden Weise nicht dargelegt.

Es bedurfte, wie ausgeführt, keiner Erläuterungen darüber, weshalb der Gesellschafter D nicht vorrangig vor dem Antragsteller in Haftung genommen wurde, etwa weil D nach der Zusatzvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag die GbR unternehmerisch führte und allein für deren Verbindlichkeiten einzustehen hatte (so aber wohl FG Düsseldorf im Urteil vom 14. Dezember 1998 3 K 233/97 H (U), EFG 1999, 366). Denn beide Gesellschafter haften aufgrund desselben zivilrechtlichen Haftungstatbestands. Eine Rangordnung in der Weise, dass grundsätzlich der Gesellschafter, der im Innenverhältnis für die Schulden der GbR haftet, vorrangig in Anspruch zu nehmen wäre, besteht nicht.

Sind im Einzelfall besondere Umstände gegeben, die auf Seiten des jeweiligen Gesamtschuldners gegen seine Inanspruchnahme sprechen, so hat die Finanzbehörde dies zwar in ihren Ermessenserwägungen zu berücksichtigen und muss dies dementsprechend in die schriftliche Begründung des betreffenden Verwaltungsakts einfließen lassen (vgl. Senatsurteile in BFHE 204, 380, und vom 23. November 1993 VII R 32/93, BFHE 173, 274). Der Senat vermag jedoch im Streitfall nach der gebotenen summarischen Prüfung und anhand der präsenten Beweismittel keine besonderen Umstände zu erkennen, die eine solche weitergehende Begründung des Auswahlermessens durch das FA erforderlich gemacht hätten.



Ende der Entscheidung

Zurück