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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: VII B 57/08
Rechtsgebiete: FGO, VwZG


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 S. 3
VwZG § 9 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erging unter dem 18. August 1999 ein Haftungsbescheid, mit dem er für Steuerschulden und verwirkte Säumniszuschläge einer AG in Haftung genommen wurde und dem eine Aufforderung zur Zahlung bis zum 17. September 1999 beigefügt war. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) übermittelte dem Kläger zwei Ausfertigungen des Haftungsbescheids durch die Post mit Zustellungsurkunde. Unter der vom Kläger angegebenen Anschrift wurde das Schriftstück am 19. August 1999 der Mutter des Klägers übergeben. Die Vollziehung des Haftungsbescheids war zunächst unter Widerrufsvorbehalt ausgesetzt. Nachdem das FA die Haftungsforderung mit einem im Dezember 1999 ergangenen Teilwiderrufsbescheid reduziert hatte, wies es mit Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2000 den gegen den Haftungsbescheid erhobenen Einspruch des Klägers zurück und beendete die Vollziehungsaussetzung einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Nachdem sich der Kläger im Vollstreckungsverfahren gegen Vollstreckungsversuche des FA gewehrt und geltend gemacht hatte, dass die Haftungsforderung verjährt sei, erließ das FA unter dem 24. Juni 2004 einen Abrechnungsbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass hinsichtlich der im ursprünglichen Haftungsbescheid festgesetzten Steuern und Nebenleistungen, soweit in der Zwischenzeit nicht anderweitig erloschen, keine Zahlungsverjährung eingetreten sei.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen ab. Das FG urteilte, dass der Haftungsbescheid vom 18. August 1999 wirksam bekannt gegeben und der Haftungsbetrag somit wirksam festgesetzt worden sei. Der Bescheid sei dem Kläger am 19. August 1999 zugestellt worden; etwaige Zustellungsmängel seien geheilt, weil der Kläger --wie seinem Einspruchsschreiben entnommen werden könne-- den Haftungsbescheid jedenfalls vor dem 3. September 1999 erhalten habe. Damit sei auch das mit dem Haftungsbescheid verbundene Leistungsgebot wirksam geworden. Dieses sei weder durch den Teilwiderrufsbescheid noch durch die Einspruchsentscheidung aufgehoben worden. Der Abrechnungsbescheid behandele die Ansprüche aus dem Haftungsbescheid zu Recht als nicht zahlungsverjährt und auch die Berechnung der Säumniszuschläge sei rechtmäßig.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1.

Mit der Wiedergabe eines Rechtssatzes aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. März 2000 III R 19/99 (BFHE 191, 486, BStBl II 2000, 520), demzufolge die Finanzbehörde nicht verpflichtet ist, die Gründe ihrer Entscheidung, den Verwaltungsakt zuzustellen, in den Steuerakten niederzulegen, sondern dass es genügt, dass der Wille, den Verwaltungsakt durch Zustellung zu übermitteln, in anderer Weise aus dem Akteninhalt deutlich wird, macht die Beschwerde die behauptete Abweichung des angefochtenen FG-Urteils von jenem BFH-Urteil nicht deutlich. Das FG ist in den Urteilsgründen davon ausgegangen, dass das FA die Zustellung des Haftungsbescheids vom 18. August 1999 und des damit verbundenen Leistungsgebots verfügt habe und dass die Zustellung des Verwaltungsakts durch Ersatzzustellung am 19. August 1999, jedenfalls aber --sollten Zustellungsmängel vorliegen-- vor dem 3. September 1999, also noch vor Ablauf der Zahlungsfrist, durch den tatsächlichen Erhalt des Schriftstücks bewirkt worden sei. Wenn die Beschwerde demgegenüber meint, dass eine nach dem Willen des FA angeordnete förmliche Zustellung eines Verwaltungsakts nur durch eine nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) ordnungsgemäße, nicht aber durch eine "zufällige" Übergabe, bewirkt werden könne, so kann sie diese Rechtsansicht weder auf das angeführte BFH-Urteil in BFHE 191, 486, BStBl II 2000, 520 noch auf die Vorschriften des VwZG stützen. Im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung "gilt" nach § 9 Abs. 1 VwZG a.F. das Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat; die Zustellung wird mithin vom Gesetz für den Zeitpunkt des Erhalts des Schriftstücks fingiert. Dass --wie die Beschwerde offenbar meint-- die fingierte Zustellung des Haftungsbescheids nicht die vom FA angeordnete Art der Zustellung und damit nicht wirksam gewesen sei, lässt sich nicht vertreten. Der Haftungsbescheid und das Leistungsgebot sollten dem Kläger nach den Vorschriften des VwZG (§ 122 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung) zugestellt werden. Auch die fingierte Zustellung nach § 9 Abs. 1 VwZG a.F. ist aber fraglos eine Zustellung nach den Vorschriften des VwZG.

2.

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob bei einem Abrechnungsbescheid über entstandene Säumniszuschläge die Einspruchsentscheidung einer Auslegung zugänglich ist, wenn die Identifizierung einer zugestellten Zahlungsaufforderung nicht möglich ist, eine in einem künftigen Revisionsverfahren überhaupt klärungsfähige Frage ist. Hinsichtlich der verwirkten Säumniszuschläge hat das FG ausgeführt, dass die Darstellung der Enddaten der Berechnung der Säumniszuschläge sowohl in der Zahlungsaufforderung vom 1. Juni 2004 als auch in der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2004 zwar fehlerhaft erscheine, dass aber die gerichtliche Überprüfung der Berechnungen keinen Fehler zulasten des Klägers ergeben habe, was das FG im Folgenden ausführlich und durch tabellarische Darstellung der einzelnen Beträge begründet. Die Zahlungsaufforderung vom 15. Februar 2001 und ihre Zustellung hat für das FG insoweit keine Rolle gespielt. Auf die Ausführungen der Beschwerde zur wirksamen Bekanntgabe dieser Zahlungsaufforderung braucht daher nicht eingegangen zu werden. Auch darüber hinaus ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass den Ausführungen des FG zur Berechnung der Säumniszuschläge klärungsbedürftige Rechtsfragen zugrunde liegen.

3.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel in Gestalt der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Soweit das FG ausgeführt hat, dass der Postzusteller den Haftungsbescheid und das damit verbundene Leistungsgebot am 19. August 1999 der unter der angegebenen Anschrift anwesenden Mutter des Klägers, die er als erwachsene Hausgenossin angesehen habe, übergeben habe, stellt dies keine sog. Überraschungsentscheidung dar. Zum einen war --wie die Beschwerde selbst angibt-- die ordnungsgemäße Ersatzzustellung am 19. August 1999 von Anfang an streitig, weshalb davon auszugehen war, dass das FG zu dieser Frage unter Heranziehung der Angaben in der Zustellungsurkunde Stellung nehmen werde. Zum anderen beruht die Entscheidung des FG nicht auf den vorstehend genannten Ausführungen zur Ersatzzustellung am 19. August 1999, weil das FG etwaige Zustellungsmängel als gemäß § 9 Abs. 1 VwZG a.F. geheilt und die Zustellung als jedenfalls vor dem 3. September 1999 bewirkt angesehen hat.

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