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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.02.2002
Aktenzeichen: VII B 63/01
Rechtsgebiete: KraftStG, FGO


Vorschriften:

KraftStG § 9 Abs. 2
KraftStG § 9 Abs. 1 Nr. 2
KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
KraftStG § 9 Abs. 4 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und erfordert auch nicht aus sonstigen Gründen eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

1. Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sinngemäß zunächst darin, dass die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) i.d.F. des Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetzes vom 18. April 1997 --KraftStÄndG 1997-- (BGBl I 1997, 805) für nicht strengen Abgasnormen genügende PKW festgelegten (hohen) Steuersätze deshalb mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar seien, weil weder in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG für Krafträder, die nicht schadstoffarm sind, entsprechend erhöhte Steuersätze festgelegt seien noch für als Oldtimer zugelassene Fahrzeuge, die nach § 9 Abs. 4 Nr. 2 KraftStG i.d.F. des vorgenannten Änderungsgesetzes pauschal mit einem Steuersatz von nur 375 DM besteuert würden. Entgegen der Ansicht der Beschwerde bedarf es jedoch nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass die aus diesen Gründen gegen den angefochtenen Steuerbescheid erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) unbegründet sind.

Allerdings verlangt Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichbehandlung aller Menschen vor dem Gesetz und verbietet in seinen Abs. 2 und 3 insbesondere jede Benachteiligung oder Bevorzugung einzelner wegen persönlichkeitsbedingter Eigenheiten. Der durch diese Bestimmungen aufgestellte Gleichheitssatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (vgl. u.a. BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1) umso strikter zu beachten, je mehr eine Regelung den Einzelnen als Person betrifft, und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden sollen. Für den Bereich des Steuerrechts fordert der Gleichheitssatz nach der vorgenannten Entscheidung steuerliche "Lastengleichheit". Soweit das Gesetz Differenzierungen im Besteuerungstatbestand vornimmt und daran unterschiedliche Rechtsfolgen (etwa: unterschiedliche Steuersätze) knüpft, müssen solche unterschiedlichen Rechtsfolgen ihre Rechtfertigung in sachlichen Gründen finden.

Wie jedoch der beschließende Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG bereits u.a. in seinem Urteil vom 21. Mai 1999 VII R 25/97 (BFHE 189, 223) ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Steuergesetzen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die, wie ausgeführt, umso größer ist, wenn der Steuertatbestand nicht an mehr oder weniger unveränderliche persönliche Eigenheiten oder unausweichliche Gegebenheiten der Lebenssituation des Steuerpflichtigen, sondern an von diesem gestaltbare Verhältnisse anknüpft. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, so hat der Senat ausgeführt, ende erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist und kein einleuchtender Grund mehr für eine gesetzlich vorgenommene Differenzierung besteht. Der Gleichheitssatz sei dagegen nicht verletzt, solange irgendwelche annehmbaren Erwägungen des Gesetzgebers --z.B. solche finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Art-- die unterschiedliche Behandlung motivieren.

Wenn man diesen Maßstab zugrunde legt, ist offensichtlich --und deshalb nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig--, dass die hohe Besteuerung nicht schadstoffarmer Kfz nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt. Denn es lassen sich für die niedrigere Besteuerung ebenfalls nicht schadstoffarmer Krafträder und als Oldtimer zugelassener Fahrzeuge nachvollziehbare, vernünftige Gründe finden, wenn auch --wie der Kläger offenbar meint-- eine höhere Besteuerung solcher Fahrzeuge, sofern sie nicht schadstoffarm sind, für ökologisch vernünftiger oder sogar "gerechter" gehalten werden könnte. Dass sich die geringe Besteuerung von Oldtimern indes rechtfertigen lässt, liegt schon deshalb auf der Hand, weil solche Fahrzeuge --nach der jedenfalls nicht offensichtlich fehlgehenden Erwartung des Gesetzgebers-- nicht wie normale Kfz in erster Linie zur alltäglichen Fortbewegung gehalten und benutzt werden, sondern der "Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes" dienen, worauf das Finanzgericht (FG) bereits zutreffend hingewiesen hat und worin eingeschlossen liegt, dass solche Fahrzeuge im Allgemeinen in geringerem Umfang als normale Kfz tatsächlich benutzt werden, deshalb weniger Schadstoffe freisetzen und folglich ökologisch eher geduldet werden können als andere (vgl. Urteil des beschließenden Senats vom 19. Juli 2001 VII R 93/00, BFH/NV 2002, 140, BStBl II 2002, 20). Den zu erwartenden Umfang der Benutzung eines Fahrzeuges bei der Bemessung der Steuersätze zu berücksichtigen, ist der Gesetzgeber im Übrigen nicht, wie die Beschwerde meint, dadurch gehindert, dass Besteuerungstatbestand im Allgemeinen --wie die Beschwerde an sich richtig vorträgt-- nicht die Benutzung, sondern das verkehrsrechtliche Halten eines Fahrzeuges ist (anders jedoch die Besteuerungstatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 KraftStG). Dass der Gesetzgeber schließlich offenbar das Halten von Oldtimern aus kulturellen Gründen fördern oder zumindest erleichtern will, schlägt bei der Rechtfertigung der hier streitigen Differenzierung zusätzlich zu Buch.

Aber auch die pro 100 ccm geringere steuerliche Belastung nicht schadstoffarmer Krafträder verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Es bedarf dafür keiner Untersuchung, ob nicht Krafträder möglicherweise schon deshalb steuerlich anders behandelt werden dürfen als PKW, weil sie typischerweise eine geringere jährliche Fahrleistung und folglich im Allgemeinen einen insofern geringeren Schadstoffausstoß aufweisen und weil ihre Ausstattung mit Einrichtungen zur Verringerung des Schadstoffausstoßes einen, gemessen am Fahrzeugwert, relativ höheren Aufwand erfordern würde. Es kann auch dahinstehen, ob der Gesetzgeber nicht berücksichtigen durfte und musste, dass schadstoffarme Krafträder --jedenfalls bei Erlass des KraftStÄndG 1997-- (noch) nicht oder nur in geringem Umfang am Markt angeboten werden. Denn selbst wenn all dies nicht der Fall sein sollte, konnte der Gesetzgeber auf eine im Verhältnis zu PKW vergleichbar hohe Besteuerung nicht schadstoffarmer Krafträder schon deshalb verzichten und ihre weitere Teilnahme am Straßenverkehr einstweilen, ohne steuerliche Konsequenzen daraus zu ziehen, hinnehmen, um auch denjenigen Verkehrsteilnehmern, die --wie der Kläger-- die hohe Steuer für nicht schadstoffarme PKW genauso wie die Aufwendungen für die Anschaffung eines schadstoffarmen PKW scheuen, eine kostengünstige Möglichkeit zu belassen, gleichwohl am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen. Dass er damit nicht völlig Gleiches ungleich behandelt hat, weil die Benutzung eines Kraftrades, insbesondere auch hinsichtlich der dadurch vermittelten Gebrauchsvorteile, sich wesentlich von der Benutzung eines PKW unterscheidet, begreift sich von selbst.

2. Eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage, welche die Zulassung der Revision erforderte, wirft auch nicht das Vorbringen der Beschwerde auf, die Kraftfahrzeugsteuersätze für nicht schadstoffarme Kfz hätten nicht, wie durch das eingangs genannte Änderungsgesetz geschehen, um 121,66 % erhöht werden dürfen. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass Steuern nur "maßvoll" und jedenfalls nicht, wie die Beschwerde rügt, "von einem Tag auf den anderen um rd. 120 %" erhöht werden dürfen. Die Beschwerde vermag selbst für einen solchen Rechtssatz keinerlei verfassungsrechtliche Herleitung anzugeben. Ihn anzunehmen, wäre schon deshalb abwegig, weil anderenfalls der Gesetzgeber auch für gehindert gehalten werden müsste, neue Steuern --jedenfalls sofern sie mehr als geringfügig sind-- zu erfinden und dadurch einen u.U. für ihn neu entstandenen zusätzlichen Finanzbedarf zu befriedigen, was indes in den Grenzen des Art. 14 GG und des daraus herzuleitenden Verbotes einer steuerlichen "Erdrosselung" das ureigenste Recht des demokratischen Gemeinwesens ist. Sofern der beschließende Senat in seinem Urteil vom 10. Juli 1990 VII R 12/88 (BFHE 162, 141, BStBl II 1990, 929) die dort zur Rede stehende Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer als maßvoll gekennzeichnet hat, hat er damit kein Kriterium einer verfassungsrechtlichen Prüfung formuliert.

3. Eine Zulassung der Revision ist, anders als die Beschwerde meint, auch nicht zur Fortentwicklung des Rechts erforderlich. Es bedarf hier keiner Untersuchung und Entscheidung, inwiefern sich dieser Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) von dem vorstehend erörterten (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) unterscheidet. Denn nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ist die Prüfung des BFH im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die Zulassungsgründe beschränkt, deren Voraussetzungen in der Beschwerdeschrift "dargelegt" sind. Der Beschwerde des Klägers ist indes nichts dafür zu entnehmen, was eine Entscheidung des BFH über die Gültigkeit der eingangs angeführten kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Vorschriften und ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz unter dem Gesichtspunkt der "Fortentwicklung des Rechts" aus Gründen erfordern soll, die nicht in dem Begriff der grundsätzlichen Bedeutung enthalten sind und insoweit den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in dem des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgehen lassen. Sofern jedenfalls die Rechtssache eine im Revisionsverfahren klärungsbedürftige Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 KraftStG aufwürfe --was indes nicht der Fall ist--, würde ihr dies nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzliche Bedeutung verleihen (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 10. März 1992 VII B 250/91, BFH/NV 1992, 771) und folglich eine Zulassung der Revision bereits nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordern.

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