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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.01.2008
Aktenzeichen: VII B 63/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG. Nachdem die GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden war, nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger wegen rückständiger Lohnsteuern in Haftung. Einspruch und Klage, die der Kläger im Wesentlichen damit begründete, er sei wegen einer Erkrankung nicht in der Lage gewesen, seine Pflichten zu erfüllen und habe deshalb die Erledigung der Zahlungsverpflichtungen der GmbH auf die für die Firma arbeitende, zuverlässige Buchhalterin delegiert, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, nach einem im Zuge des Strafverfahrens erstellten Sachverständigengutachten habe die Erkrankung des Klägers keine durchgehende und dauerhaft erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungs- und Einsichtsvermögens des Klägers bewirkt, so dass er allenfalls nur vorübergehend nicht in der Lage gewesen sei, seine Pflichten als Geschäftsführer zu erfüllen. Es stehe daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger habe erkennen können, dass er immer wieder für einen nicht vorhersehbaren Zeitraum gesundheitlich so stark beeinträchtigt sein würde, dass er seine Pflichten als Geschäftsführer und damit auch die Überwachung der von ihm mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Pflichten beauftragten Personen nicht würde wahrnehmen können. Daraus folge, dass der Kläger zur Vermeidung einer Haftung entweder bis zu einer Besserung seiner Gesundheit für einen Vertreter im Amt des Geschäftsführers habe sorgen oder aber sein eigenes Amt dauerhaft habe niederlegen müssen.

Mit am letzten Tag der Beschwerdefrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Fax hat der Kläger unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen des vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt. Auf entsprechenden telefonischen Hinweis hat er das "richtige" Aktenzeichen mitgeteilt und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Mit der Beschwerde will der Kläger die Zulassung der Revision erreichen, weil das FG die Anforderungen an das Vorliegen grober Fahrlässigkeit verkannt habe und damit von der Rechtsprechung des BFH abgewichen sei. Das FG habe die gebotene Unterscheidung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit nicht vorgenommen. Die ihm vorgeworfene mangelnde Überwachung der Buchhalterin begründe offensichtlich allenfalls leichte Fahrlässigkeit, da er sich auf die Buchhalterin, die für die ihr übertragene Aufgabe, die steuerlichen Zahlungsverpflichtungen zu erledigen, eher überqualifiziert gewesen sei, habe verlassen dürfen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Dabei kann offenbleiben, ob durch die zum Aktenzeichen des beim FG erledigten Aussetzungsverfahrens eingelegte Beschwerde die Frist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das FG-Urteil gewahrt worden ist bzw. ob dem Kläger wegen Fristversäumnis Wiedereinsetzung zu gewähren wäre. Denn die Beschwerde ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. Urteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung). Ob ein Beteiligter in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen eine Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG dürfen --abgesehen von den zulässigen und begründeten Verfahrensrügen sowie einer den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen widersprechenden Würdigung der Umstände-- von der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743; in BFH/NV 2000, 978). Der Kläger behauptet zwar, das FG habe die Unterscheidung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit verkannt, er übersieht aber, dass es sich ausdrücklich an der Rechtsprechung des Senats orientiert hat, die grobe Fahrlässigkeit dann bejaht, wenn der Geschäftsführer in Kenntnis des Umstandes, dass er die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft nicht selbst oder durch von ihm ausreichend überwachte Hilfspersonen gewährleisten kann, das Amt des Geschäftsführers beibehält (z.B. Senatsbeschluss vom 20. April 2006 VII B 280/05, BFH/NV 2006, 1441, m.w.N.).

Der Kläger behauptet selbst nicht, die Buchhalterin, der er die Abführung der Lohnsteuer eigenverantwortlich übertragen hat, überwacht zu haben. Er ist aber der Auffassung, dass das FG im konkreten Fall die mangelnde Überwachung wegen der besonderen Kompetenz und Zuverlässigkeit der Buchhalterin nicht als grobe Fahrlässigkeit habe werten dürfen. Damit rügt er die materielle Fehlerhaftigkeit der FG-Entscheidung. Diese rechtfertigt jedoch --selbst wenn sie vorläge-- die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht. Mit derartigen Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des FG wird allenfalls ein Korrekturinteresse im Einzelfall dargelegt, das regelmäßig nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt (BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625, jeweils m.w.N.).

Abgesehen davon verkennt der Kläger, dass das FG die haftungsbegründende grob fahrlässige Pflichtverletzung nicht in der mangelnden Überwachung der Buchhalterin, sondern schon darin sieht, dass der Kläger, obwohl er seine künftigen krankheitsbedingten Ausfälle in der Wahrnehmung seiner Geschäftsführerpflichten erkennen konnte, weder für einen Vertreter für das Amt des Geschäftsführers gesorgt, noch sein Amt dauerhaft niedergelegt hat. Der Senat vermag in dieser Beurteilung keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze zu erkennen, es erscheint vielmehr durchaus nachvollziehbar, darin eine grob fahrlässige Pflichtverletzung zu sehen.

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