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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.05.2001
Aktenzeichen: VII B 7/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 a.F.
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine Spedition, beantragte mit mehreren Zollanmeldungen vom ... 1992 und vom ... 1992 als Vertreterin verschiedener Botschaften und Konsulate die Abfertigung von Fleisch als Diplomaten- und Konsulargut zur Freigutverwendung. Die von den Diplomaten unterzeichneten Anträge und Zollanmeldungen auf Abfertigung zur Freigutverwendung waren dem Lieferer, der Firma K, von einem in Z ansässigen Empfänger übergeben worden. K leitete die Anträge an die Klägerin weiter, die die Zollanmeldungen in Feld 2 der Zollbelege als Vertreterin der betreffenden Diplomaten unterzeichnete. Das Fleisch wurde antragsgemäß als Diplomatengut zur bleibenden Freigutverwendung abgefertigt.

Auf Grund eines Ermittlungsverfahrens gegen K gelangten die Zollbehörden zu dem Ergebnis, dass die Diplomaten quasi im Vorgriff mit Ware des freien Verkehrs beliefert worden seien, weil die von ihnen unterzeichneten Anträge nicht rechtzeitig vorlagen. Nach den Feststellungen der Zollfahndung verkaufte K später das mit den oben genannten Zollanmeldungen zur Freigutverwendung abgefertigte Fleisch als Ware des freien Verkehrs an Dritte. Mit dem angefochtenen Steuerbescheid wurden deshalb von der Klägerin insgesamt ... DM an Eingangsabgaben mit der Begründung nachgefordert, die Klägerin habe gewusst, dass die Fleischsendungen nicht für Diplomaten, sondern als Kompensationslieferungen für früher an die Diplomaten gelieferte Sendungen gedacht gewesen seien. Sie sei deshalb von den Diplomaten nicht (mehr) bevollmächtigt gewesen, die Zollanmeldungen in deren Namen abzugeben. Sie habe die Anmeldepflicht verletzt und die Bedingungen für die Überführung der Ware in die Freigutverwendung nicht erfüllt.

Die Klage mit der Begründung, der Klägerin würden zu Unrecht so genannte Kompensationsgeschäfte vorgeworfen, weil nicht nachgewiesen sei, dass die Fleischsendungen nicht ihrer Zweckbestimmung zugeführt worden seien, war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die der Klägerin erteilten Vollmachten seien zum Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht erloschen gewesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten und Beschwerdeführers (Hauptzollamt --HZA--) seien sie selbst dann nicht als erloschen anzusehen, wenn bereits im Zeitpunkt der Anmeldung nicht abgabenfreies Fleisch des freien Verkehrs an die Diplomaten geliefert gewesen wäre. Denn die Diplomaten hätten solches (nicht abgabenfreies) Fleisch nicht haben wollen. Die Ware sei nicht durch ihre Abfertigung zur bleibenden Freigutverwendung abgabenrechtlich unzulässig behandelt worden, sondern vielmehr dadurch, dass --nach dem Vortrag des HZA-- K dieses Fleisch an Dritte verkaufte und das Fleisch dadurch der zollamtlichen Überwachung entzog.

II. Die Beschwerde, mit der das HZA die Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG begehrt, ist unzulässig.

1. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 2000, 1757) ist die Zulässigkeit und damit auch die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde noch nach § 115 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der vor In-Kraft-Treten des 2.FGOÄndG geltenden Fassung (FGO a.F.) zu beurteilen, weil das angefochtene Urteil vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist.

2. Das HZA rügt, dass die Vorentscheidung von dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Juni 1990 VII B 179/89 (BFH/NV 1991, 207) abweiche. Der vom BFH beurteilte Sachverhalt entspreche im Wesentlichen dem vom FG "entschiedenen Tatbestand". Ebenso wie im Falle der BFH-Entscheidung hätten auch im Streitfall im Zeitpunkt der Abfertigung nicht die Voraussetzungen für die begehrte Abfertigung vorgelegen. Damit habe die Klägerin die Fleischpartien auch nicht "zu Recht und mit Vertretungsmacht zur Freigutverwendung abfertigen lassen" können.

Mit diesen Ausführungen wird aber eine Abweichung der Vorentscheidung von dem genannten BFH-Beschluss (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) nicht hinreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.). Dazu wäre es nach ständiger Rechtsprechung des BFH erforderlich gewesen, abstrakte Rechtssätze aus beiden Entscheidungen herauszuarbeiten und sie so einander gegenüberzustellen, dass ihre Abweichung voneinander deutlich wird (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, und vom 7. Dezember 1994 II B 179/93, BFH/NV 1995, 695, jeweils m.w.N.). Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, welchen von Rechtssätzen der genannten BFH-Entscheidung abweichenden Rechtssatz das FG aufgestellt haben sollte.

3. Das HZA sieht die Rechtsfrage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob eine stillschweigend erteilte Vollmacht im Außenverhältnis (gegenüber der Zollverwaltung) weiterbesteht --wie das FG offensichtlich meine--, obwohl sie nach Ansicht des HZA im Innenverhältnis (zu den Auftraggebern) bereits durch Zweckerledigung erloschen sei. Diese Rechtsfrage sei nicht auf den Einzelfall beschränkt, sondern für sämtliche Zollabfertigungen mit Zweckbindung von Bedeutung und könne daher in einer Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich sein. Da sie noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, habe sie deshalb grundsätzliche Bedeutung.

Diese Ausführungen rechtfertigen jedoch nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., weil es sich bei der vom HZA gestellten Frage nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine tatsächliche Frage, nämlich um die Auslegung der Willenserklärungen, handelt, die konkludent mit der Übergabe der ausgefüllten Zollantragsformulare über den Lieferer an die Klägerin abgegeben worden sind. Die Auslegung einer solchen Willenserklärung fällt grundsätzlich in den Bereich der tatsächlichen Feststellungen durch das FG, an die der Senat in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden wäre (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Anm. 17). In einem Revisionsverfahren könnte sie nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet worden sind oder die Auslegung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BFH, Beschluss vom 15. Juni 2000 IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238; Urteile vom 23. März 2000 VII R 12/99, BFH/NV 2000, 1263, und vom 16. Juni 1999 II R 20/98, BFH/NV 2000, 80). Eine diesbezügliche Rechtsfrage enthält die Beschwerde indes nicht.



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