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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.10.1999
Aktenzeichen: VII B 72/99
Rechtsgebiete: VwVfG, FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

VwVfG § 48
VwVfG § 48 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 60 Abs. 3 Satz 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für seinen landwirtschaftlichen Betrieb nach Wiederaufnahme der Milchproduktion aufgrund der sog. SLOM-Regelungen eine Anlieferungsreferenzmenge Milch zusteht.

Der Kläger hatte seinen landwirtschaftlichen Betrieb nach Auslaufen seiner Nichtvermarktungsverpflichtung --Verordnung (EWG) Nr. 1078/77-- auf die Aufzucht u.a. von Ammenkühen umgestellt und ihn 1989 in eine mit seinem Sohn gegründete Gesellschaft eingebracht. Nachdem der Kläger im gleichen Jahr sein ehemaliges, in der Ortslage gelegenes Hofgebäude veräußert, einen am Ortsrand gelegenen Hof gepachtet und dort seine Ammenkühe aufgestallt hatte, teilte er dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) mit, er beabsichtige, die Milchproduktion im März 1990 wieder aufzunehmen, und zwar in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit seinem Sohn und in zusätzlich angepachteten, separaten Wirtschaftsgebäuden sowie mit einem aufgrund eines Arbeitserledigungsvertrages von ihm für das Füttern und Melken beschäftigten Landwirt. Er hatte nämlich über die für die Milchproduktion benötigten 14 Milchkühe mit dem Beigeladenen einen Mietvertrag geschlossen. Mit diesem schloß er auch den vorgenannten Arbeitserledigungsvertrag ab. Ferner mietete er einen Kuhstall mit Anlagen für die Milchproduktion und pachtete von dem Vater des Beigeladenen rd. 10 ha bis dahin von diesem bewirtschaftete landwirtschaftliche Fläche.

Von der Käuferin seiner Milch wurde eine Berechnung der vorläufigen Anlieferungsreferenzmenge für den Kläger von rd. 70 000 kg vorgenommen. Nachdem der Kläger im März 1990 die Milchlieferungen aufgenommen und im Mai 1991 von der Käuferin eine endgültige Anlieferungsreferenzmenge in der vorgenannten Höhe erhalten hatte, wurde der mit dem Vater des Beigeladenen und Beschwerdeführers (Beigeladener) geschlossene Landpachtvertrag offenbar im Frühjahr 1992 wieder aufgehoben; zugleich stellte der Kläger die Milchlieferungen ein. Durch Bescheinigung des Amtes für Landwirtschaft und Landentwicklung ist eine Referenzmenge von rd. 100 000 kg auf den Beigeladenen übertragen worden, der die vom Kläger zurückgegebene Fläche von seinem Vater gepachtet hatte.

Das HZA hat aufgrund dieser Vorgänge die Anlieferungsreferenzmenge des Klägers auf 0 kg festgesetzt. Die von ihm angelieferte Milch rechnete es dem Beigeladenen zu.

Die gegen die Festsetzung der Referenzmenge durch das HZA erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei nicht Milcherzeuger i.S. der Verordnung (EWG) Nr. 804/68. Die Erzeugereigenschaft könne zwar nicht deswegen verneint werden, weil die abgelieferte Milch mit gepachteten Kühen in einem gepachteten Stallgebäude ermolken worden sei. Voraussetzung der Erzeugerstellung des Klägers sei allerdings, daß solche Verträge wirksam abgeschlossen und gemäß dem Vereinbarten umgesetzt worden seien. Sie blieben hingegen unberücksichtigt, wenn ein Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege oder die Verträge nur zum Schein abgeschlossen seien.

Im Streitfall sei zwar der Mietvertrag über die Stallgebäude wirksam abgeschlossen und durchgeführt worden. Der Kuhpachtvertrag sei hingegen ein Scheingeschäft; der Kläger und der Beigeladene hätten die vertraglichen Vereinbarungen nicht eingehalten und was sie tatsächlich ausgeführt hätten, nicht schriftlich fixiert. Ähnliches gelte für den Arbeitserledigungsvertrag. Eine Gesamtbetrachtung der Absprachen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen unter Einbeziehung des Landpachtvertrages mit dem Vater des Beigeladenen zeige, daß durch vertragliche Gestaltungen ein Ergebnis erreicht werden sollte, das nach der Wertung der maßgebenden Rechtsordnung auf diesem Weg nicht erreichbar sein sollte. Der Kläger habe seine eigenen landwirtschaftlichen Flächen nach wie vor zur Ammenkuhhaltung genutzt und daneben durch Hinzupachtung einen neuen Betrieb aufgebaut, der mithin die Milcherzeugung nicht wiederaufgenommen, sondern mit ihr begonnen habe. Der Kläger habe sich lediglich den Marktwert der Referenzmenge sichern wollen.

§ 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sei zwar auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar, stehe dem angefochtenen Bescheid aber nicht entgegen. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, weil er dem HZA falsche Angaben gemacht habe. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei eingehalten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Beigeladenen, mit der sinngemäß grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend gemacht werden.

Als verfahrensfehlerhaft sieht die Beschwerde an, daß das FG den Mitgesellschafter, den Sohn des Klägers, nicht beigeladen hat. Außerdem habe es den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt. Es habe den geladenen, jedoch nicht erschienenen Zeugen zu Art und Umfang der von ihm geleisteten Arbeit bei der Versorgung der Milchkühe und zu den räumlichen Verhältnissen vernehmen müssen. Der Zeuge habe zur Aufklärung des gesamten Sachverhalts beitragen können. Das FG habe ferner den Amtsermittlungsgrundsatz und den Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, daß es in der mündlichen Verhandlung die Schwankungen bei der Menge angelieferter Milch vorgehalten habe, ohne darauf vorher hinzuweisen; hätte es dies getan, so hätte der Kläger nachgeforscht und versucht, den Sachverhalt aufzuklären.

Eine weitere Aufklärung wäre auch hinsichtlich des Vortrages des Klägers notwendig gewesen, alle Verträge auf Empfehlung und nach Rücksprache mit dem Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung abgeschlossen zu haben und vor Aufnahme der Milchproduktion auch beim HZA nachgefragt zu haben. Die Aufklärung hätte die Ernsthaftigkeit der Aufnahme der Milcherzeugung durch den Kläger ergeben.

In diesem Zusammenhang stelle sich die grundsätzliche Frage, inwieweit in die Vertragsfreiheit durch Annahme eines Scheingeschäfts aufgrund eines angeblich zu niedrigen Pachtzinses eingegriffen werden könne und ob ein Vertrag durch nachfolgende Änderungen und Nichteinhaltung der gewillkürten Schriftform zu einem Scheinvertrag werde. Weiter stelle sich die grundsätzliche Frage des Vertrauensschutzes, weil die Existenz des Betriebes des Beigeladenen durch die nachgeforderten Milchgarantiemengenabgaben gefährdet sei, ferner, inwieweit der Beigeladene auf die Anerkennung einer Referenzmenge für den Betrieb des Klägers habe vertrauen dürfen und inwieweit er Kenntnis von den angeblich unrichtigen Angaben des Klägers gehabt habe, was auch habe weiter aufgeklärt werden müssen.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

Wird die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache als Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so ist in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage herauszuarbeiten, die sich auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde, und darzustellen, inwieweit die richtige Antwort auf diese Frage höchstrichterlicher Klärung bedarf, insbesondere, inwieweit diese Frage in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten und anhand des Gesetzestextes nicht eindeutig zu beantworten ist.

Solche Darlegungen läßt die Beschwerdeschrift nicht erkennen. Dies näher auszuführen, kann der beschließende Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs unterlassen, zumal offenkundig ist, daß die Darlegungen der Beschwerde zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen.

Verfahrensmängel, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind ebenfalls nicht ausreichend bezeichnet. Soweit die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gerügt wird, fehlt es insbesondere an genauen Darlegungen, welche Beweisanträge der Kläger insoweit in der Tatsacheninstanz gestellt hat oder weshalb sich seiner Meinung nach dem FG die Notwendigkeit der Erhebung weiterer Beweise aufdrängen mußte, obwohl sie der Kläger selbst damals noch nicht für notwendig gehalten hat, und vor allem, welches genaue Ergebnis die vom FG angeblich zu Unrecht unterlassene weitere Sachaufklärung gehabt hätte. Soweit die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird, gehört zur Bezeichnung eines diesbezüglichen Verfahrensmangels, daß angegeben wird, was der Kläger bei Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs noch hätte vortragen können und wollen, wie also der Kläger die vom FG für entscheidungserheblich erachtete Tatsache erklärt hätte, daß in der fraglichen Zeit von Tag zu Tag stark schwankende Milchanlieferungen des angeblich vom Kläger unterhaltenen landwirtschaftlichen Betriebes registriert worden sind. Dazu findet sich in der Beschwerdeschrift indes nichts.

Schließlich ist auch der Verfahrensmangel des Unterlassens einer notwendigen Beiladung weder schlüssig dargelegt noch liegt er vor. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ist ein Dritter nur dann beizuladen, wenn er derart an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist dann der Fall, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht getroffen werden kann, ohne daß dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig in seine Rechte eingegriffen wird, d.h. seine Rechte gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden. Die strittige Referenzmenge steht indes allein dem Kläger aufgrund der von ihm eingegangenen Nichtvermarktungsverpflichtung zu; dementsprechend ist der angefochtene Bescheid allein an ihn gerichtet. Sein Sohn ist als Mitglied der Gesellschaft, welche die Referenzmenge zu beliefern beabsichtigt, von dem Bescheid zwar wirtschaftlich, aber nicht unmittelbar rechtlich betroffen. Er ist daher zu dem Anfechtungsprozeß des Klägers als Inhaber der Referenzmenge ebensowenig notwendig beizuladen wie er selbst klagebefugt gewesen wäre. Denn in Rechte eines Dritten, der das Recht des Klägers zur abgabenfreien Milchlieferung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen mit diesem wirtschaftlich mitausnutzen möchte, wird durch eine diesem gegenüber ergehende Entscheidung über den Bestand dieses Rechts nicht eingegriffen.

Ende der Entscheidung

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