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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: VII B 8/04
Rechtsgebiete: ZollverwaltungsG, FGO


Vorschriften:

ZollverwaltungsG § 5 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Im Rahmen einer bei der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass ihr von ihrem Büro in Hongkong Musterkosten ("sample charges") berechnet worden waren. Die Rechnungsbeträge waren nicht in den intern bei der Klägerin durchgeführten Kontenabgleich einbezogen worden. Nach Ansicht der Prüfer hatte die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Muster eine zollrechtliche Bestimmung erhalten hatten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) forderte deshalb von der Klägerin mit Bescheid vom 12. August 1999 Zoll und Einfuhrumsatzsteuer nach.

Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2001) erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das FG aus, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die eingeführten Warensendungen verzollt worden seien. Die Muster seien einfuhrabgabenpflichtig gewesen. Eine Zollbefreiung nach Art. 91 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinsame System der Zollbefreiungen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 105/1) scheide aus. Die Klägerin sei Schuldnerin der Einfuhrabgaben geworden, weil die Einfuhren auf ihre Rechnung und in ihrem Namen angemeldet worden seien. Soweit Zollfreischreibungen im Paketdienst erfolgt seien, habe dieser in Vertretung der Klägerin gehandelt. Dies ergebe sich hinsichtlich der Deutschen Bundespost aus § 5 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes. Andere Paketdienste hätten mit Vollmacht der Klägerin gehandelt. Es sei gerichtsbekannt, dass derartige Paketdienste Zollabfertigungen nur durchführen ließen, wenn sie hierzu vom Einführer beauftragt worden seien. Dies gelte erst recht, wenn ein Paketdienst --wie im Streitfall-- laufend für die Klägerin Einfuhren abfertige.

Da die Klägerin behaupte, die Mustersendungen seien nicht von Rechnungen begleitet gewesen und ihr Büro in Hongkong habe diese Rechnungen erst nachträglich vorgelegt, sei davon auszugehen, dass sie bei der Verzollung nicht über die für eine Zollanmeldung bzw. Zollwertanmeldung erforderlichen Angaben verfügt habe. Um ihre Pflicht zur Abgabe einer zutreffenden Zollanmeldung bzw. Zollwertanmeldung zu erfüllen, sei sie gehalten gewesen, die nachträglich eingehenden Rechnungen einer Verzollung zuzuführen. Hierzu habe sie diese Rechnungen den vorangegangenen Abfertigungen zuordnen und eine berichtigte Zollanmeldung abgeben müssen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordere. Das FG habe die Auffassung vertreten, dass ein Paketdienst bei einer zusammengefassten mündlichen Zollanmeldung von Einzelsendungen, die für unterschiedliche Empfänger bestimmt seien, jeden einzelnen Empfänger vertrete und damit in dessen Namen eine Zollschuld auslöse. Nach dem Offenheitsgrundsatz müsse jedoch eine verbale Aufzählung aller Empfänger erfolgen, was lebensfremd sei. Das FG sei zudem von den Rechtsprechungsgrundsätzen abgewichen, dass eine Stellvertretung nur anzunehmen sei, wenn darauf hingewiesen werde, und dass der Umstand, dass ein Anmelder ein Spediteur sei, für die Annahme einer Stellvertretung nicht ausreiche. Ferner sei die vom FG angenommene Berichtigungspflicht eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Es stelle sich die Frage, ob es eine Berichtigungspflicht für sie geben könne, wenn sie nicht Zollschuldnerin geworden wäre, und wie bei mündlichen Zollanmeldungen eine solche Berichtigung vorzunehmen wäre.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Ungeachtet der Mängel in der Darlegung der benannten Revisionszulassungsgründe (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen diese jedenfalls nicht vor.

1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähigen Rechtsfrage in Betracht (vgl. BFH-Beschluss vom 25. April 2002 II B 24/01, BFH/NV 2002, 1311, 1312; Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 71/02, BFH/NV 2004, 493, 494). Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sind nicht klärungsfähig. An der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie nach den für den BFH bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 15. September 1995 V B 59/95, BFH/NV 1996, 439, 440; Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 260/02, BFH/NV 2004, 69, 71). So liegt es hier.

Die sinngemäß von der Klägerin formulierte Frage, ob ein Paketdienst bei einer zusammengefassten mündlichen Zollanmeldung von Einzelsendungen, die für unterschiedliche Empfänger bestimmt sind, jeden einzelnen Empfänger wirksam vertreten kann und ob hierzu unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 29. Juli 2003 VII R 49/02 (BFH/NV 2004, 99) eine verbale Aufzählung sämtlicher Empfängernamen erforderlich ist, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das FG hat nicht festgestellt, dass im Streitfall von Paketdiensten zusammengefasste mündliche Zollanmeldungen für verschiedene Empfänger abgegeben wurden. Eine derartige Feststellung lässt sich der Vorentscheidung auch nicht auf Grund einer konkreten Bezugnahme des FG auf Schriftsätze der Beteiligten entnehmen.

Die von der Klägerin problematisierte Frage, ob sie eine Verpflichtung zur Berichtigung von Zollanmeldungen treffen kann und wie eine Berichtigung mündlich abgegebener Anmeldungen zu erfolgen hat, würde sich mangels Entscheidungserheblichkeit in einem Revisionsverfahren gleichfalls nicht stellen. Der Senat hätte vielmehr zu prüfen, ob die Einfuhrabgaben zu Recht gegen die Klägerin festgesetzt worden sind (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Nach den Feststellungen des FG wurden die Einfuhrabgaben von der Klägerin nachgefordert, weil sie nicht nachgewiesen hat, dass für eingeführte Warenmuster die geschuldeten Abgaben erhoben worden sind. Dies wurde im Rahmen der durchgeführten Außenprüfung festgestellt, ohne dass es einer Berichtigung von Zollanmeldungen durch die Klägerin bedurfte. Denn die Zollbehörde kann gemäß Art. 78 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1) nach der Überlassung der Waren auch von Amts wegen eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen. Ergibt diese nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung einer Vorschrift über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so trifft die Zollbehörde die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihr bekannten neuen Umstände zu regeln (Art. 78 Abs. 3 ZK). Dies kann --wie im Streitfall-- zu einer Nachforderung bislang noch nicht buchmäßig erfasster Einfuhrabgaben führen. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, eine Berichtigung der Anmeldungen durch die Zollbehörde könne sich nur an den Anmelder und nicht an sie richten, weil sie nicht Zollschuldnerin geworden sei, wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil hiermit kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz zuzulassen. Eine Divergenz liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts abweicht (BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, 206, BStBl II 1991, 309, 310; vom 6. November 2002 X B 88/02, BFH/NV 2003, 170). Anders als die Klägerin meint, ist das FG jedoch nicht von den Grundsätzen der Senatsurteile vom 19. Januar 1988 VII R 61-62/85 (BFH/NV 1988, 746) und vom 6. Juni 2000 VII R 72/99 (BFHE 192, 390) abgewichen. Das FG hat weder den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Speditionsunternehmen bei der Zollabfertigung von vornherein erkennbar in fremdem Namen handelt, noch ist es davon ausgegangen, dass bei der Abgabe einer Zollanmeldung im Namen eines Dritten nicht auf ein Vertretungsverhältnis hingewiesen werden muss. Das FG hat im Gegenteil festgestellt, dass die eingeführten Warenmuster im Namen der Klägerin angemeldet worden sind.

Ende der Entscheidung

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