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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.09.2007
Aktenzeichen: VII B 86/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt mit zwei Kolleginnen eine Rechtsanwaltskanzlei. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteuerrückständen leitete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung ein. Zu diesem Zweck ließ das FA die Praxisräume des Klägers durchsuchen. Ausweislich der Niederschrift über diesen Pfändungsversuch wurden dabei keine verwertbaren und pfändbaren Sachen vorgefunden. Daraufhin erließ das FA gegenüber insgesamt fünf Banken und zwei Versicherungen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Nachdem der geschuldete Abgabenbetrag von einer der Drittschuldnerinnen überwiesen worden war, hob das FA sämtliche Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auf. Die gegen diese Verfügungen eingelegten Einsprüche verwarf das FA als unzulässig.

Die daraufhin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Klage aufgrund des fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig und selbst im Falle ihrer Zulässigkeit jedenfalls unbegründet sei. Im Streitfall könne eine Wiederholungsgefahr nicht angenommen werden, denn nach den Angaben des FA würden keine Abgabenrückstände mehr bestehen. Auch der Kläger selbst habe nicht zu erkennen gegeben, dass er künftig Anlass zu weiteren Beitreibungsmaßnahmen geben werde. Auch habe er nicht vorgetragen, dass er einen Schadensersatzanspruch gegen das FA geltend mache. Die vom FA getroffenen Maßnahmen stellten keine Diskriminierung dar, so dass ein Rehabilitationsinteresse nicht gegeben sei. Im Streitfall sei darüber hinaus nicht erkennbar, dass die Klage zum Zwecke der Folgenbeseitigung erhoben worden sei.

In der Sache selbst könne die Klage deshalb keinen Erfolg haben, weil die Voraussetzungen für eine Vollstreckung vorgelegen hätten. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen seien rechtmäßig, insbesondere frei von Ermessensfehlern. Allein wegen der Möglichkeit negativer Folgen für Bank- und Geschäftsverbindungen könne dem FA eine Kontenpfändung nicht verwehrt werden. Es müsse sich nicht auf eine Sachpfändung verweisen lassen. Im Gegensatz zum Vorbringen des Klägers seien in den Kanzleiräumen keine pfändbaren und verwertbaren Sachen, insbesondere keine Geldkassette vorgefunden worden. Von weiteren Aufklärungsmaßnahmen hätte jedoch abgesehen werden können, weil der Kläger in der Kanzlei nicht allein tätig gewesen sei. Somit hätte nicht festgestellt werden können, wem welche Gegenstände zuzuordnen gewesen seien. Denn keiner der drei Rechtsanwälte sei während der Durchsuchung anwesend gewesen. Zudem hätte es sich bei dem Bestand in der Geldkassette um Mandantengelder handeln können.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und des Vorliegens von Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob nach Maßgabe des im Streitfall vorliegenden Sachverhalts die umfassende Pfändung sämtlicher, auf dem Briefbogen der Kanzlei angegebenen Geschäftskonten zulässig sein könne, zumal es nur um die Steuerschuld eines Mitgliedes der Rechtsanwaltskanzlei gegangen sei. Rechtsfehlerhaft sei die Ansicht des FG, dass selbst bei einem möglichen Verstoß gegen ein Pfändungsverbot kein Feststellungsinteresse gegeben sei. Auch der Hinweis des FG, dass sich in der Geldkassette Mandantengelder befunden haben könnten, sei rechtsirrig. Entgegen der Auffassung des FG sei im Streitfall vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte auszugehen.

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ergebe sich bereits daraus, dass das FG sämtliche Beweisangebote des Klägers kommentarlos unberücksichtigt gelassen habe. In der mündlichen Verhandlung habe das FG dazu ausgeführt, dass sich die Aussagen der Zeugen des FA und der vom Kläger benannten Zeugen im Falle einer Beweiserhebung entgegenstehen würden, was nicht zu einem für den Kläger positiven Ergebnis führen könne. Das FG habe verkannt, dass es nur dann in der Lage gewesen wäre, über das Vorliegen eines berechtigten Interesses zu befinden, wenn es die in zwei Schriftsätzen beantragten Beweise auch erhoben hätte. Bei Erhebung der angebotenen Beweise hätte sich ergeben, dass in der Kanzlei pfändbare Wertgegenstände gewesen seien, mit deren Verwertungserlös die Steuerschuld hätte getilgt werden können, so dass die angefochtenen Vollstreckungsmaßnahmen entbehrlich gewesen seien. Nicht nachvollziehbar sei die Anmerkung des FG, dass von der Zeugenvernehmung hätte abgesehen werden können. Denn vom Kläger sei unstreitig vorgetragen worden, dass sich die Geldkassette sowie zwei Original-Ölgemälde in seinem Besprechungszimmer befunden hätten. Zur weiteren Begründung seiner Beschwerde gibt der Kläger den Wortlaut der umfassenden Klagebegründung und eines weiteren Schriftsatzes wieder.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die grundsätzliche Bedeutung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage ist nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt; der behauptete Verfahrensfehler der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger lediglich behauptet, ohne jedoch im Einzelnen darzulegen, inwiefern die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage, ob nach Maßgabe des im Streitfall vorliegenden Sachverhalts die umfassende Pfändung sämtlicher Konten einer Rechtsanwaltskanzlei zulässig sei, in der Rechtsprechung und/oder im Schrifttum umstritten ist und dass eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat (vgl. zu den Darlegungserfordernissen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Der bloße Hinweis, dass diese Frage erkennbar noch nicht entschieden worden sei, genügt den Darlegungserfordernissen nicht (Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 1997 VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882). Im Übrigen gibt der Kläger selbst zu erkennen, dass die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Frage von den konkreten Umständen des vorliegenden Streitfalles und somit von den Verhältnissen in einem Einzelfall abhängt. Damit wird gerade nicht belegt, dass der Beantwortung der Frage für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle eine entscheidende Bedeutung zukommt.

2. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das FG rechtsirrig das bestehende Feststellungsinteresse --insbesondere sein Rehabilitationsinteresse-- verkannt habe, richtet sich sein Vorbringen gegen die vermeintlich unzutreffende materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalles durch das FG, was nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen kann (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2004 VI B 220/00, BFH/NV 2004, 1419). Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das FG im Übrigen die Aussage nicht getroffen, dass ein Verstoß gegen ein Pfändungsverbot kein berechtigtes Feststellungsinteresse darstellen könne. Vielmehr hat das FG auf Seite 11 des Urteils ausdrücklich ausgeführt, dass ein möglicher Verstoß gegen ein Pfändungsverbot für den Kläger ein gerechtfertigtes Interesse an der Folgenbeseitigung darstellen könnte. Es hat dieses Interesse beim Kläger aber deshalb verneint, weil nicht erkennbar geworden sei, dass der Kläger die Klage zum Zwecke der Folgenbeseitigung erhoben habe. Das hat der Kläger offenbar übersehen.

3. Die vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel der Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) und der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) liegen nicht vor. Die Verpflichtung des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs bezieht sich grundsätzlich auch darauf, Beweisantritte der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Eine Verletzung des Gehörsanspruchs kommt dann in Betracht, wenn das Gericht gestellte Beweisanträge unberechtigt, d.h. aus außerhalb des Prozessrechts liegenden Gründen unberücksichtigt lässt (Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 119 Rz 48.3 "Beweis").

Unabhängig davon, dass dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen ist, dass er sich zu entscheidungserheblichen Gesichtspunkten nicht hat äußern können oder dass das FG sein Vorbringen gänzlich außer Acht gelassen hat, sind dem FG die behaupteten Verfahrensfehler nicht unterlaufen. Vielmehr hat das FG die gestellten Beweisanträge zur Kenntnis genommen und wie der Kläger selbst vorträgt, eine Zeugenvernehmung auch in Erwägung gezogen. Im Urteil hat es dann nachvollziehbar begründet, dass es nach seiner Rechtsauffassung auf die beantragte Vernehmung nicht ankam. Denn da das FG die Klage aufgrund des fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen hat, kam es aus seiner Sicht nicht darauf an, ob sich in der Kanzlei die vom Kläger angegebenen Wertgegenstände tatsächlich befunden haben. Im Übrigen ist das FG erst im Rahmen der hilfsweisen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte auf das diesbezügliche Vorbringen des Klägers eingegangen, ohne dass dieses entscheidungserheblich gewesen wäre. Bei diesem Vorgehen des FG ist für den Senat eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder eine Verletzung der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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