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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.05.1999
Aktenzeichen: VII R 106/95
Rechtsgebiete: ZKDVO, AO 1977


Vorschriften:

ZKDVO Art. 900 Abs. 1 Buchst. a
ZKDVO Art. 905 Abs. 1
AO 1977 § 227
BUNDESFINANZHOF

1. Im Falle des Diebstahls von Zollagergut scheidet ein Erlaß der Einfuhrabgaben nicht allein deshalb aus, weil die Voraussetzungen des Art. 900 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO nicht vorliegen.

2. Über einen Erlaß von Zoll nach Art. 905 Abs. 1 ZKDVO kann nur die Kommission der Europäischen Gemeinschaften entscheiden. Bestehen aufgrund der Vorprüfung des Antrags auf Erlaß von Einfuhrabgaben durch eine nationale Behörde Zweifel, ob besondere Gründe i.S. von Art. 905 Abs. 1 ZKDVO vorliegen, so ist der Billigkeitsantrag der Kommission zur Entscheidung vorzulegen.

3. Über den Erlaß von im gleichen Fall zusammen mit dem Zoll als Einfuhrabgaben geschuldeter Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer entscheidet das HZA in sinngemäßer Übertragung der von der Kommission hinsichtlich des Zolls getroffenen Entscheidung auf die Verbrauchsteuern.

ZKDVO Art. 900 Abs. 1 Buchst. a, Art. 905 Abs. 1 AO 1977 § 227

Urteil vom 21. Mai 1999 - VII R 106/95 -

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg (EFG 1995, 1067)


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zeigte der Polizei und dem Zollamt am 7. Januar 1994 an, daß in der vorangegangenen Nacht in das ihm bewilligte private, unter Zollmitverschluß stehende Zollager (Typ C) eingebrochen worden sei. Für die als fehlend festgestellten, überwiegend im fremden Eigentum stehenden ... Stück Zigaretten nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) den Kläger wegen Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... DM bestandskräftig in Anspruch. Der Kläger beantragte beim HZA erfolglos, die Eingangsabgaben aus Billigkeitsgründen zu erlassen (Ablehnungsbescheid vom ...). Der dagegen gerichtete Rechtsbehelf hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der Form der Einspruchsentscheidung und auf Verpflichtung des HZA, den Antrag auf Erlaß der Eingangsabgaben der Kommission zur Entscheidung vorzulegen, aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1067 veröffentlichten Gründen, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet ab.

Im Revisionsverfahren hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 26. November 1996 VII R 106/96 (BFH/NV 1997, 447) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu folgenden Fragen eingeholt:

"1. Ist Art. 905 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung ... zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZKDVO) vom 2. Juli 1993 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 253/1) dahin auszulegen, daß ein 'besonderer Fall, der sich aus Umständen ergibt, bei denen weder eine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt' von der Entscheidungszollbehörde nicht anzunehmen ist, wenn bei einem Diebstahl von Zollagergut (Nichtgemeinschaftswaren) die Voraussetzungen von Art. 900 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO für einen Erlaß von Zoll zugunsten des Lagerinhabers nicht erfüllt sind?

2. Bei Bejahung von Frage 1:

Gilt dies auch in einem Härtefall, wenn das Risiko des Diebstahls (1.) nicht versicherbar gewesen ist und die Zollerhebung die wirtschaftliche Existenz des Lagerinhabers vernichten würde, oder kommt bei einem derartigen Sachverhalt die Beurteilung als besonderer Fall ..." --Art. 905 Abs. 1 ZKDVO--, der der Kommission zur Entscheidung vorzulegen wäre, in Betracht?".

Der EuGH hat die Fragen mit Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-86/97 wie folgt beantwortet:

"Auf 'einen besonderen Fall ..., der sich aus den Umständen ergibt, bei denen weder betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit der Beteiligten vorliegt', im Sinne von Artikel 905 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, der die Prüfung der Sache durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften erfordert, kann geschlossen werden, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszwecks des Artikels 239 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vom 12. Oktober 1992 Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist, und die Voraussetzungen des Artikels 900 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 2454/93 für einen Erlaß von Zöllen zugunsten des Antragstellers nicht erfüllt sind."

Der Kläger fühlt sich durch das Urteil des EuGH in seiner bisherigen Argumentation bestätigt. Danach liege im Streitfall ein "besonderer Fall" i.S. des Art. 905 der Zollkodexdurchführungsverordnung (ZKDVO) vor, zumindest könne ein solcher nicht ausgeschlossen werden. Das HZA hätte den Sachverhalt deshalb der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (KEG) zur Entscheidung vorlegen müssen.

II.

Die Revision ist begründet. Das HZA ist hinsichtlich des Zolls nach Art. 905 Abs. 1 ZKDVO verpflichtet, den Billigkeitsantrag der Kommission zur Entscheidung vorzulegen. Über die übrigen Eingangsabgaben (Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) hat das HZA in sinngemäßer Anwendung der von der Kommission in bezug auf den Zoll getroffenen Entscheidung in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

1. Der Senat entnimmt der Vorabentscheidung des EuGH, daß Art. 900 bis 903 ZKDVO nur die Tatbestände abschließend regelt, in denen Zoll durch die nationalen Zollbehörden zu erlassen ist, und Art. 904 ZKDVO die Tatbestände regelt, in denen diese Behörden den Antrag in eigener Zuständigkeit ablehnen. Daneben ist das Verfahren der Art. 905 bis 909 ZKDVO immer dann anzuwenden, wenn die nationale Zollbehörde nicht in der Lage ist, nach den Art. 899 bis 904 ZKDVO Zölle zu erlassen oder deren Erlaß abzulehnen. Art. 905 ZKDVO enthält eine allgemeine Billigkeitsklausel für außergewöhnliche Fälle, die als solche unter keinen der in den Art. 900 bis 904 dieser Verordnung beschriebenen Tatbestände fallen. Danach kann aus Art. 900 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO nicht geschlossen werden, daß im Falle des Diebstahls von Zollagergut ein besonderer Fall i.S. des Art. 905 ZKDVO allein deswegen nicht vorliegen kann, weil die Voraussetzungen des Art. 900 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO nicht erfüllt sind.

Ob die Voraussetzungen für einen Erlaß nach Art. 905 Abs. 1 ZKDVO erfüllt sind, kann nur die KEG entscheiden. Den nationalen Behörden obliegt lediglich eine Vorprüfung des Antrags unter Billigkeitsgesichtspunkten daraufhin, ob sich der Antragsteller aufgrund der vorgebrachten Umstände in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist. Daraus folgt, daß die nationale Behörde den Billigkeitsantrag immer dann, wenn Zweifel bestehen, wie über ihn zu entscheiden ist, der KEG zur Entscheidung vorlegen muß (vgl. Schlußantrag des Generalanwalts im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in dieser Sache --Rs. C-86/97 Tz. 45--).

Solche Zweifel bestehen im Streitfall.

Der Billigkeitsantrag könnte nicht schon mit der Begründung abgelehnt werden, der Kläger habe in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt. Das FG hat dazu zwar keine Feststellungen getroffen. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt haben könnte. Insbesondere kann --anders als der Generalanwalt in seinem Schlußantrag (Tz. 42) meint-- im Hinblick darauf, daß der Kläger die Ware nicht versichert hat, keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit in Betracht kommen. Denn eine zollrechtliche Verpflichtung zu einer entsprechenden Versicherung der Waren besteht nicht und das finanzielle Risiko für die Existenz des Unternehmens im Zusammenhang mit der Abgabenerhebung spielt im Rahmen des Art. 905 Abs. 1 ZKDVO keine Rolle, weil die mögliche Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz eines Unternehmens durch die Abgabenerhebung kein besonderer Umstand i.S. des Art. 905 Abs. 1 ZKDVO ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 1984 Rsn. 98/98 und 230/83, Slg. 1984, 3763 Tz. 16).

Zweifel hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob im Streitfall besondere Gründe i.S. des Art. 905 Abs. 1 ZKDVO vorliegen, ergeben sich aber aus den Ausführungen, die der Generalanwalt in seinem Schlußantrag bezüglich des in dieser Sache gestellten Vorabentscheidungsersuchens gemacht hat. Danach hält er die Ansicht des Klägers nicht prima facie für unschlüssig, ein besonderer Fall liege deswegen vor, weil der Verbleib der Ware, wegen ihrer Art --Zigaretten seien gemeinhin keiner Identifizierung zugänglich-- nicht mit Gewißheit i.S. des Art. 900 Abs. 1 ZKDVO feststellbar sei und schon deshalb die günstige Regelung des Art. 900 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO nicht in Anspruch genommen werden könne (Tz. 39). Obwohl diese Ausführungen des Generalanwalts für den Senat nicht verbindlich sind, reichen sie aus, um die Entscheidung über die Sache auch für den Senat als zweifelhaft erscheinen zu lassen, so daß eine Vorlage des Billigkeitsantrags an die KEG nach dem Verfahren der Art. 905 ff. ZKDVO geboten erscheint, ohne daß es einer weiteren Auseinandersetzung mit der Sache bedarf.

Es kommt nicht darauf an, ob auch die übrigen vom Kläger vorgetragenen Gründe jeweils für sich die Annahme eines "besonderen Falls" i.S. des Art. 905 Abs. 1 ZKDVO rechtfertigen würden. Denn es ist nicht auszuschließen, daß bereits der genannte, prima facie vom Generalanwalt nicht für unschlüssig gehaltene Grund die Annahme eines "besonderen Falls" durch die KEG rechtfertigt. Es ist daher nicht geboten, im finanzgerichtlichen Verfahren zu den übrigen vom Kläger genannten Gründen Stellung zu nehmen, hinsichtlich derer der Generalanwalt allerdings Bedenken geäußert hat, ob aus ihnen ein "besonderer Fall" im Sinne der genannten Vorschrift herzuleiten ist, aber auch nicht ausgeschlossen hat, daß sich eventuell das Vorliegen eines "besonderen Falles" aus der Gesamtbeurteilung der vom Kläger angeführten Begründungselemente und Umstände ergeben könne (vgl. Schlußantrag Tz. 45).

2. Für den Erlaß der Tabaksteuer verweist § 21 Nr. 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2150) auf die Vorschriften für Zölle, die insoweit sinngemäß gelten. Das gleiche gilt für die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 5 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. April 1993 (BGBl I, 566) nach Maßgabe des § 14 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung 1993 (EUStBV) vom 11. August 1992 (BGBl I, 1526), nach dem die Einfuhrumsatzsteuer, abgesehen von der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme des § 14 Abs. 2 EUStBV, in den in Art. 235 bis 242 Zollkodex bezeichneten Fällen in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften und der Durchführungsvorschriften dazu erlassen wird.

Da es sich bei diesen Verweisungen nur um Verweise auf die materiellen, für Zölle geltenden Vorschriften handelt, bleibt die Zuständigkeit des HZA für die Entscheidung über den Billigkeitsantrag hinsichtlich der Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer zwar unberührt. Es ist jedoch wegen der Verweisung an die von der Kommission in bezug auf den Zoll getroffene Entscheidung in der Weise gebunden, daß es sie sinngemäß auch für die Tabak- und die Einfuhrumsatzsteuer übernehmen muß.

Das kraft ausdrücklicher Verweisung geltende Gemeinschaftsrecht schließt als spezifische Regelung die nach nationalem Recht in § 227 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) enthaltene Billigkeitsregelung aus (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 3. Mai 1990 VII R 71/88, BFHE 161, 260, 262). Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll insbesondere sichergestellt werden, daß die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden (vgl. BFH in BFHE 161, 260, 262). Das gilt nicht nur für die Erhebung der Abgaben, sondern kraft der ausdrücklichen Inbezugnahme der Zollvorschriften über den Erlaß grundsätzlich entsprechend auch für den Erlaß von Verbrauchsteuern, die als Eingangsabgaben erhoben werden.

Da die Verweisungen die Anwendung der Zollvorschriften nicht schlechthin, sondern nur sinngemäß anordnen, gilt eine Zollvorschrift zwar nur mit der Maßgabe, daß ihre Anwendung dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die betreffende Verbrauchsteuer nicht widerspricht. Ob das der Fall ist, bedarf für jede Bestimmung einer eigenen Prüfung. Die Anwendung einer Zollvorschrift darf danach nicht zu einem Ergebnis führen, das den mit der Erhebung der betreffenden Verbrauchsteuer verfolgten Zweck beeinträchtigen würde (vgl. BFH, Urteil vom 5. September 1989 VII R 39/87, BFHE 158, 182, 187). Das ist aber bei den Vorschriften über den Erlaß, auf die in den Verbrauchsteuergesetzen ausdrücklich verwiesen wird, regelmäßig nicht der Fall.

Zwar wird von der Verwaltung (Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung Z 1102 Abs. 74 Unterabs. 2), in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (FG des Saarlandes, Urteil vom 23. Mai 1990 2 K 56/85, EFG 1991, 204; FG Bremen, Urteil vom 28. Juni 1991 II 226/89 K, EFG 1992, 84, die den gemeinschaftsrechtlichen unbestimmten Rechtsbegriff "besondere Umstände" durch die nationalen Billigkeitsgesichtspunkte interpretieren wollen; FG München, Urteil vom 28. November 1990 3 K 3268/87, EFG 1991, 489) und teilweise im Schrifttum (vgl. Worms in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, F IX 1/13 Rz. 14; Mewes, Recht der internationalen Wirtschaft 1993, 479, 484; zum entsprechenden neuen Recht Worms in Dorsch, Zollrecht, B I/235-242 Rz. 116; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 227 AO 1977 Rz. 5 b; Krabbe in Koch/Scholz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 227 Rz. 6; a.A. Müller-Eiselt in Dorsch, a.a.O., E II/14 Rz. 7) die Meinung vertreten, daß in bezug auf die als Eingangsabgaben zu erhebenden Verbrauchsteuern weiterhin auch nationales Billigkeitsrecht anzuwenden sei. Dem Zweck der als Eingangsabgaben zu erhebenden Verbrauchsteuern läßt sich dies allerdings nicht entnehmen (vgl. Huchatz in Witte, Zollkodex, 2. Aufl., Vor Art. 235 Rz. 5, m.w.N., Art. 239 Rz. 30; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 227 Abschn. 2, der die Frage allerdings letztlich offen läßt; nicht abschließend auch BFH, Beschluß vom 7. April 1992 VII B 56/91, BFH/NV 1993, 137, 139).

Allein der Umstand, daß § 227 AO 1977 weiterhin für Verbrauchsteuern gilt, die nicht als Eingangsabgaben erhoben werden, gibt keine Veranlassung, diese Vorschrift auch im Zusammenhang mit der Erhebung von Verbrauchsteuern als Eingangsabgaben heranzuziehen. Denn der Gesetzgeber hat für die Erhebung der betreffenden Verbrauchsteuern ausdrücklich auf die entsprechenden Zollvorschriften über den Erlaß verwiesen. Hätte er daneben auch die Anwendung von § 227 AO 1977 in Betracht gezogen, so hätte es angesichts des abschließenden Charakters der zollrechtlichen Regelungen über den Erlaß einer besonderen Regelung bedurft, die neben den zollrechtlichen Regelungen ausdrücklich § 227 AO 1977 weiterhin für anwendbar erklärt hätte. Aus der bloßen Verwendung des Wortes "sinngemäß" läßt sich dies jedenfalls nicht entnehmen. Soweit bei den als Eingangsabgaben zu erhebenden Verbrauchsteuern im Zusammenhang mit dem Erlaß materielle Besonderheiten zu berücksichtigen sind, hat der Gesetzgeber dies --wie in § 5 Abs. 2 UStG 1993 i.V.m. § 14 Abs. 2 EUStBV geschehen-- durch eine ausdrückliche Regelung vorgeschrieben. Bestehen solche Sonderregelungen nicht, sind daher die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den Erlaß sinngemäß anzuwenden.

Um hinsichtlich ein und desselben Sachverhalts divergierende Entscheidungen zu den einzelnen Eingangsabgaben zu vermeiden, die dadurch entstehen können, daß für sie eine unterschiedliche Entscheidungszuständigkeit (einerseits der KEG hinsichtlich des Zolls, andererseits des HZA in bezug auf Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) besteht, ist das HZA an die eingeholte Entscheidung der KEG bezüglich des Zolls gebunden, und muß diese sinngemäß auf die Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer übertragen (vgl. Huchatz in Witte, a.a.O., Art. 239 Rz. 30). Es hat daher vor seiner Entscheidung über den Billigkeitsantrag betreffend die nationalen Eingangsabgaben die Entscheidung der KEG über den Billigkeitsantrag hinsichtlich des Zolls abzuwarten.

Ende der Entscheidung

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