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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.08.1998
Aktenzeichen: VII R 111/97
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1 u. 2
FGO § 124 Abs. 1
FGO § 126 Abs. 1
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 56
FGO § 155
ZPO § 240
ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 27. Februar 1997 II 124/96, zugestellt am 12. August 1997, hat der frühere Prozeßbevollmächtigte der Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) fristgerecht Revision eingelegt. Die Frist zur Begründung der Revision wurde ihm im Hinblick auf die beantragte Akteneinsicht am 11. September 1997 bis zum 15. Dezember 1997 verlängert. Er wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, daß eine weitere Fristverlängerung nur bei nachvollziehbarer Darlegung ganz besonderer, zwingender Gründe erwartet werden könne. Auf den erneuten Antrag vom 9. Dezember 1997 wurde die Revisionsbegründungsfrist nochmals bis zum 30. Januar 1998 verlängert. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 1998 legte der frühere Prozeßbevollmächtigte der Klägerinnen das Mandat nieder und beantragte gleichzeitig, die Frist zur Begründung um einen Monat zu verlängern, damit sich ggf. ein Anwalt für die Klägerinnen bestellen und die Revision begründen könne. Am 3. Februar und 17. März 1998 teilte die Geschäftsstelle des beschließenden Senats dem früheren Prozeßbevollmächtigten mit, daß die Revisionsbegründungsfrist nicht über den 30. Januar 1998 hinaus verlängert wurde.

Am 6. April 1998 reichten die jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen die Revisionsbegründung ein und beantragten gemäß § 56 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Klägerinnen hätten nach Niederlegung des Mandats durch den früheren Bevollmächtigten und dessen Fristverlängerungsantrag vom 28. Januar 1998 keine Hinweise über den weiteren Prozeßverlauf vom Gericht erhalten. Erst durch den Hinweis des Gerichts vom 17. März 1998 habe der Geschäftsführer der Klägerinnen am 30. März 1998 Kenntnis von dem angeblichen Fristablauf der Begründungsfrist erhalten. Außerdem sei für die Klägerin zu 2 am 24. November 1997 ein Antrag auf Gesamtvollstreckung gestellt und am 27. November 1997 die Sequestration angeordnet worden. Aufgrund dieser Maßnahmen sei das Verfahren entsprechend den Vorschriften über die Gesamtvollstreckung gemäß § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochen gewesen. Die Klägerinnen seien aufgrund dieser Umstände davon ausgegangen, daß ein Fristablauf nicht drohe.

Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO), weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) und den Klägerinnen die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht gewährt werden kann.

1. Das Revisionsverfahren der Klägerin zu 2 war durch die Anordnung der Sequestration nicht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen.

Bei der Sequestration in Verbindung mit einem allgemeinen Veräußerungs- und Verfügungsverbot handelt es sich um eine Sicherungsmaßnahme, die vielfach nur für eine kurze Übergangszeit angeordnet wird. Eine entsprechende Anwendung des § 240 ZPO scheidet daher nach überwiegender Ansicht aus (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 13. Juli 1987 II ZB 48/87, Betriebs-Berater 1987, 2332). Eine Unterbrechung tritt gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO lediglich im Falle der Eröffnung eines Konkursverfahrens bzw. eines Gesamtvollstreckungsverfahrens im Beitrittsgebiet über das Vermögen einer Partei ein. Das am 27. November 1996 erlassene allgemeine Verfügungsverbot hatte daher keinen Einfluß auf den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 30. Januar 1998.

2. Die vom FG zugelassene Revision ist zwar rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Urteils eingelegt, aber nicht innerhalb der vom Bundesfinanzhof (BFH) am 12. Dezember 1997 letztmals bis zum 30. Januar 1998 verlängerten Frist begründet worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltung der Frist zur Begründung der Revision infolge schuldloser Verhinderung (§ 56 FGO) ist nicht zu gewähren.

a) Die Klägerin zu 2 war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 56 Abs. 1 FGO voraus, daß jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Eine solche Frist ist --wie vorliegend-- auch die vom Vorsitzenden des Senats verlängerte Revisionsbegründungsfrist, da sie, im Gesetz angelegt, auf Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH lediglich auf einen verlängerten Zeitraum konkretisiert wird (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Mai 1970 III R 72/69, BFHE 99, 298, BStBl II 1970, 642).

Die beantragte Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden, weil die Klägerin zu 2 nicht dargetan hat, daß sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter ohne Verschulden gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Verschuldet ist die Versäumung, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen wurde. Jedes Verschulden --also auch eine einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. Senatsbeschluß vom 11. Oktober 1991 VII R 32/90, BFH/NV 1994, 553). Die Klägerin zu 2 hat sich auf den Fristverlängerungsantrag ihres früheren Prozeßbevollmächtigten und wegen der Anordnung der Sequestration darauf verlassen, daß ein Fristablauf nicht drohe. Damit ist sie ihren Sorgfaltspflichten nicht in ausreichender Weise nachgekommen. Der Geschäftsführer der Klägerin zu 2 hätte sich zumindest bei dem früheren Bevollmächtigten erkundigen müssen, ob die Revisionsbegründungsfrist tatsächlich verlängert worden war und ob die Anordnung der Sequestration eine Unterbrechung des Verfahrens zur Folge hatte. Er durfte nicht ohne weiteres hiervon ausgehen und die Frist zur Begründung der Revision verstreichen lassen. Soweit den früheren Bevollmächtigten der Klägerin zu 2 ein Verschulden trifft, weil er verkannt hat, daß die Kündigung des Vollmachtsvertrages erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Prozeßbevollmächtigten Wirksamkeit erlangt und er sich demzufolge zumindest nach der Gewährung einer erneuten Fristverlängerung hätte erkundigen bzw. den Klägerinnen die ihm bekanntgegebene Nichtverlängerung der Revisionsbegründungsfrist hätte mitteilen müssen, muß sich die Klägerin zu 2 ein darin liegendes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

b) Die Klägerin zu 1 hat keine Tatsachen vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 1 FGO rechtfertigen könnten. Der Antrag auf Gesamtvollstreckung und die Anordnung der Sequestration ist nur für die Klägerin zu 2 gestellt worden und für das Revisionsverfahren der Klägerin zu 1 ohne Belang.

3. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob den Klägerinnen bereits der Hinweis des Gerichts vom 3. Februar 1998 auf den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zugegangen und daher der am 6. April 1998 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 2 FGO bereits verspätet gewesen ist.

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