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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.07.2000
Aktenzeichen: VII R 113/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2
FGO § 105 Abs. 5
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 119 Nr. 6
FGO § 120 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ in der Zeit von April bis September 1991 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) fünf Sendungen aus Kanada mit u.a. Windeln, Windeleinlagen, Windelhosen, Überhosen für Windeln und Höschenwindeln für Kleinkinder und Erwachsene sowie Stilleinlagen, Pflegetücher und Windelsäcke zum zollrechtlich freien Verkehr abfertigen. In den Zollanmeldungen gab er die Waren als "Baumwollwindeln" der Code-Nr. 5601 1090 0000 des Deutschen Gebrauchszolltarifs (DGebrZT) --F-Belege 56118, 97057, 114013, 121196-- und als "Windeln aus 100 % Baumwolle, zum Teil mit Schutzvlies aus Chemiefasern" der Code-Nr. 6209 2000 0900 DGebrZT (F-Beleg 85642) an. Für diese Einfuhren forderte das HZA aus verschiedenen Gründen (geänderte Tarifierung nach Überprüfung durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt sowie im Einspruchsverfahren aufgrund der Angaben des Klägers und der von ihm überlassenen Warenmuster, geänderte Zollwerte nach Durchführung einer Außenprüfung) mit Steueränderungsbescheiden vom 2. Juli 1992, 14. April 1994, 17. Juni 1994 und 17. August 1994 vom Kläger insgesamt 17 324,21 DM Zoll nach. Die hiergegen eingelegten Einsprüche des Klägers hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26. August 1994).

Auch die nachfolgende Klage des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Abgaben seien insgesamt zutreffend berechnet worden. Insbesondere seien die Waren nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen und Belegen vom HZA richtig in den Gemeinsamen Zolltarif (GZT) eingereiht worden. Im maßgebenden Zeitpunkt der Entgegennahme der Zollanmeldung habe es sich sämtlich um selbständige Einzelwaren gehandelt und nicht, wie der Kläger meine, um eine zerlegte bzw. noch nicht zusammengesetzte Ware im Sinne der Allgemeinen Vorschrift (AV) 2a und auch nicht um eine Warenzusammenstellung im Sinne der AV 3b. Selbst als Warenzusammenstellung wären die Waren, da dafür keine Sonderregelung im Zolltarif (ZT) vorhanden sei, nach ihrer jeweiligen stofflichen Beschaffenheit in den GZT einzureihen. Auch die Korrekturen des Zollwerts seien zutreffend, weil bei den Einfuhren F 114013 und 121196 die tatsächlich gezahlten Einfuhrpreise zugrunde gelegt worden seien. Das HZA sei zur Nacherhebung verpflichtet gewesen. Ein Absehen von der Nacherhebung komme nicht in Betracht, weil das HZA die Anmeldungen des Klägers ohne ersichtliche Prüfung lediglich übernommen habe, ihm selbst also kein Irrtum unterlaufen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 9. Dezember 1998, dem letzten Tag der Revisionsfrist, sowohl durch seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten als auch durch seinen neu für das Revisionsverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 21. Januar 1999 zeigten die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers dem Bundesfinanzhof (BFH) die Niederlegung des Mandats an. Später teilten sie ferner mit, dass der Kläger erst mit einem am 17. Dezember 1998 bei ihnen eingegangenen Schreiben das Mandat gekündigt habe.

Der für das Revisionsverfahren neu bestellte Prozessbevollmächtigte begründete für den Kläger am letzten Tag der bis zum 11. Februar 1999 verlängerten Begründungsfrist die Revision. Er trägt vor, das FG gehe rechtsfehlerhaft von einer falschen Einreihung der eingeführten Waren aus. Die Waren (Windelhosen mit integrierter Einlage, Überhose für Windeln, Überhose für Höschenwindel, Windeleinlage für Kinder, Windeln und Windeleinlagen für Erwachsene, Windelhose für Erwachsene und Überhose zur Windelhose für Erwachsene) seien entgegen der Auffassung des FG der Pos. 5601 ZT zuzuordnen, da es sich bei diesen um Produkte handele, die "als Windeln für Kleinkinder und ähnliche Waren im Sinne der Pos. 5601 handelt". Bei den eingeführten Stilleinlagen handele es sich um ähnliche hygienische Waren wie hygienische Binden oder Tampons, so dass diese ebenfalls unter Pos. 5601 ZT einzuordnen seien. Im Übrigen lägen für die Warenwindeln, Einlagen und Überhosen (jeweils für Kleinkinder bzw. Erwachsene) die Voraussetzungen vor, dass diese als geschlossenes Gesamtsystem einer einzigen Position zugewiesen werden könnten. Bei dieser Position könne es sich im vorliegenden Fall nur um die Pos. 5601 ZT handeln.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die als Revision des Klägers gegen ein Urteil in Zolltarifsachen zulassungsfrei statthafte Revision (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unzulässig.

1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Das Recht, Revision gegen ein und dasselbe Urteil einzulegen, kann innerhalb der Revisionsfrist von einem Beteiligten wiederholt wahrgenommen werden (BFH-Beschluss vom 19. Juli 1984 IX R 16/81, BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 120 Rz. 16, m.w.N.). Es handelt sich dann um die Wiederholung desselben (nämlichen) Rechtsmittels, über das das Revisionsgericht auch einheitlich zu entscheiden hat (BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 16, m.w.N.; für die Berufung s. Bundesgerichtshof --BGH--, Beschluss vom 15. Oktober 1992 I ZB 8/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 601, m.w.N. aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung). Erweisen sich bei zweifacher Einlegung der Revision beide Einlegungsakte als unwirksam (unzulässig), ist die Revision durch einheitlichen Beschluss zu verwerfen (BFH-Beschluss vom 18. Mai 1988 X R 36/88, BFH/NV 1989, 119).

So liegt es im Streitfall. Hier hat der Kläger am letzten Tag der Revisionsfrist zwei Revisionen gegen das angefochtene Urteil des FG eingelegt: die erste durch seinen neu für das Revisionsverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten (Eingang des Telefaxes beim FG abgeschlossen um 15.57 Uhr), die zweite durch seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten (Eingang des Telefaxes beim FG abgeschlossen um 16.50 Uhr). In einem solchen Fall ist stets die Wirksamkeit der zuerst eingelegten Revision vorrangig zu prüfen; die zweite Revisionseinlegung kann nur dann selbständige Bedeutung erlangen, wenn und sobald die Unwirksamkeit der ersten feststeht (vgl. für die Berufung BGH in HFR 1993, 601).

a) Die für den Kläger durch seinen für das Revisionsverfahren neu bestellten Prozessbevollmächtigten eingelegte Revision ist unzulässig, weil der Inhalt der Revisionsbegründung nicht die Mindestanforderungen erfüllt.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muss die Revisionsbegründung jedenfalls die verletzte Rechtsnorm enthalten. Dies bedeutet nicht nur, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen muss, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält, sondern darüber hinaus auch, dass der Revisionskläger zusätzlich die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben muss, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (BFH-Beschluss vom 15. Mai 1996 X R 119/94, BFH/NV 1996, 893, m.w.N.). Zur ordnungsgemäßen Revisionsbegründung bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, aus der zu erkennen ist, dass der Revisionskläger die Begründung dieses Urteils und sein eigenes Vorbringen überprüft hat (Senatsurteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791).

Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Revisionsbegründung des Klägers nicht. Sie lässt zwar erkennen, dass der Kläger die Rechtsnormen des GZT, jedenfalls durch Nichtanwendung der Pos. 5601 ZT, für verletzt hält, lässt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit den wesentlichen Gründen des angefochtenen Urteils vermissen. Sie erschöpft sich zum einen in der bloßen Behauptung, die vom FG bestätigte Tarifierung durch das HZA sei rechtsfehlerhaft, weil alle Waren in die Pos. 5601 ZT einzureihen seien, ohne jedoch einen einzigen Grund dafür zu benennen, weshalb die vom Kläger bevorzugte Tarifierung der vom FG zugrunde gelegten vorzuziehen sei. Zum anderen stellt sie der Feststellung des FG, dass es sich vorliegend um keine Warenzusammenstellung (mit ggf. abweichender Tarifierung), sondern um selbständig in den ZT einzureihende Einzelwaren handele, nur die gegenteilige Behauptung entgegen, die Voraussetzungen für die Annahme einer Warenzusammenstellung lägen vor, ohne wiederum darzulegen, welches diese Voraussetzungen sind, weshalb sie im Streitfall erfüllt sind und weshalb diese Auffassung des Klägers der vom FG vertretenen vorzuziehen sei. Insgesamt lässt die Revisionsbegründung nicht erkennen, dass sich der Kläger wenigstens kurz mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander gesetzt hat. Daher ist die Revision unzulässig.

Der Senat verkennt nicht, dass das FG selbst sein Urteil, das nicht in verkürzter Form nach § 105 Abs. 5 FGO ergangen ist, nur äußerst knapp und kursorisch begründet hat. Insbesondere fehlen jegliche Ausführungen dazu, welche Tarifpositionen das FG hinsichtlich der eingeführten Waren seiner Entscheidung tatsächlich zugrunde gelegt hat. Ob es damit seiner Pflicht, die tragenden Entscheidungsgründe nachvollziehbar und verständlich darzustellen (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO), nachgekommen ist oder sogar bereits die Grenze der §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO, dass nämlich eine Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist, überschritten ist, kann dahinstehen. Denn der Kläger hat weder eine entsprechende Verfahrensrüge erhoben noch mit seiner Sachrüge die Schwelle der Zulässigkeit der Revision überschritten. Dem Senat ist daher ein Einstieg in die Sachprüfung verwehrt.

b) Die zweite eingelegte Revision des Klägers durch seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten kann den festgestellten Zulässigkeitsmangel nicht beheben, denn für diese Revision ist eine Revisionsbegründung gar nicht mehr eingereicht worden, weil die Prozessbevollmächtigten nach Einlegung der Revision ihr Mandat niedergelegt und dies dem BFH angezeigt haben, ohne jedoch die Revision zurückzunehmen. Dies führt zur Unzulässigkeit dieser Revision bereits nach § 120 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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