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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: VII R 22/08
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin des verstorbenen X (Rechtsvorgänger), der in den Streitjahren Naturheilmittel vertrieb, wobei er mit seinen Umsatzsteuererklärungen die von seinem Unternehmen gelieferten Omega-3 Lachsölkapseln als Ergänzungslebensmittel mit dem ermäßigten Steuersatz anmeldete. Im Rahmen einer für die Jahre 1996 bis 1998 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer dagegen die Ansicht, dass diese Waren dem Regelsteuersatz unterlägen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) änderte daraufhin die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1999 und setzte auch für die Jahre 2000 und 2001 die Umsatzsteuer für die Omega-3 Lachsölkapseln nach dem Regelsteuersatz fest.

Im anschließenden Einspruchsverfahren erteilte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion auf Anfrage des FA eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke, derzufolge die Omega-3 Lachsölkapseln der Unterpos. 1504 20 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) und damit dem Regelsteuersatz unterfielen. Lachsöl sei der Pos. 1504 KN zuzuordnen. Das dem Lachsöl in den Kapseln zugesetzte Tocopherol (Vitamin E) diene lediglich als Antioxidationsmittel und nicht der Vitaminisierung, da es sonst in einer höheren Dosierung hätte zugesetzt werden müssen. Die Verkapselung durch die Gelatinekapsel ändere die Einreihung nicht. Mit seiner Einspruchsentscheidung unterwarf das FA daraufhin unter Zugrundelegung einer Aufstellung des Rechtsvorgängers der Klägerin 20% der Umsätze der Streitjahre aus den Nahrungsergänzungsmitteln dem Regelsteuersatz.

Auf die hiergegen erhobene Klage änderte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuerbescheide dahin, dass es für die Lieferungen der Omega-3 Lachsölkapseln den ermäßigten Steuersatz zugrunde legte. Das FG urteilte, dass es sich bei den Omega-3 Lachsölkapseln um Zubereitungen tierischer Öle der Unterpos. 1517 90 99 KN handele. Durch die Verkapselung des Lachsöls und den Zusatz von 15 mg Tocopherol (Vitamin E) auf 500 mg Lachsöl entstehe eine zum menschlichen Verzehr geeignete Zubereitung tierischer Öle. Dass der Zusatz von Vitamin E geringer sei als die für den menschlichen Ernährungsbedarf erforderliche Dosis, sei unerheblich. Die Kapselhüllen seien keine bloße Verpackung, sondern hätten eine eigenständige Funktion, weil sie den menschlichen Verzehr des an sich ungenießbaren Lachsöls erst ermöglichten. Die Verkapselung habe daher nicht allein die Funktion einer Schutz- und Darreichungsform, sondern bewirke eine Umqualifizierung des ungenießbaren Fischöls in ein für den menschlichen Verzehr geeignetes Nahrungsergänzungsmittel.

Mit seiner Revision macht das FA geltend, dass nicht gemischte, lediglich raffinierte Fette und Öle nicht zur Pos. 1517 KN gehörten und dass die Verkapselung des Lachsöls als Verpackung anzusehen sei und nicht zur Einreihung in diese Position führe.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung i.V.m. Nr. 26 Buchst. f der Anlage zu dieser Vorschrift unterlag (u.a.) die Lieferung genießbarer Mischungen und Zubereitungen tierischer Öle aus Pos. 1517 KN dem ermäßigten Steuersatz. Die Feststellungen des FG zur Beschaffenheit der streitigen Lachsölkapseln rechtfertigen ihre Einreihung in die Pos. 1517 KN jedoch nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der sich der Senat angeschlossen hat, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN --AV-- 1 und 6). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. zuletzt: EuGH-Urteil vom 27. November 2008 C-403/07 --Metherma--, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2009, 15; ebenso Senatsurteil vom 17. November 1998 VII R 50/97, BFH/NV 1999, 688). Auf den sich aus den objektiven Merkmalen und Eigenschaften ergebenden Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 42/98, BFHE 190, 501, m.w.N.).

1.

Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Herstellung und Beschaffenheit der vom Rechtsvorgänger der Klägerin vertriebenen Omega-3 Lachsölkapseln ist davon auszugehen, dass der Ausgangsstoff für dieses Produkt Öl von Fischen der Unterpos. 1504 20 90 KN ist, dessen Lieferung dem Regelsteuersatz unterliegt, weil Waren der Pos. 1504 KN in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht aufgeführt sind. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Für den Streitfall entscheidend ist daher, ob das Fischöl für die Herstellung der Omega-3 Lachsölkapseln in einer Weise Be- oder Verarbeitungen unterzogen oder mit anderen Stoffen vermischt worden ist, die dazu führen, dass das Endprodukt als eine Mischung oder Zubereitung tierischer Öle i.S. der Pos. 1517 KN anzusehen ist.

2.

Der Zusatz von 3% Tocopherol (Vitamin E) führt nicht zu einer Zubereitung tierischer Öle i.S. der Pos. 1517 KN. Die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 1517 Rz. 05.0 nennen beispielhaft die Bearbeitungsvorgänge, die zu einer Zubereitung i.S. dieser Position führen, und benennen daneben bestimmte Zusätze, deren Vorhandensein in geringer Menge die Einreihung in die Pos. 1517 KN nicht hindert. Dementsprechend hat der Senat mit Urteil in BFH/NV 1999, 688 lediglich ausgeführt, dass der Zusatz von 15 mg Antioxidant (Vitamin E) der Einreihung des seinerzeit zu tarifierenden Nachtkerzenöls in die Pos. 1517 KN nicht entgegenstehe. Daraus folgt jedoch nicht, dass tierische oder pflanzliche Öle bereits wegen eines 3%igen Zusatzes von Antioxidant "Zubereitungen" i.S. der Pos. 1517 KN sind. Der Wortlaut dieser Position erfasst nur genießbare, also für die menschliche Ernährung geeignete Zubereitungen tierischer oder pflanzlicher Fette oder Öle. Die Zubereitung, d.h. die Bearbeitung des Öls z.B. durch Vermischung mit anderen Stoffen, muss also seinen Charakter als Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmittel in Richtung auf eine andere Art von Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmittel verändert haben. Beim Zusatz eines Antioxidants, der lediglich der Verbesserung der Haltbarkeit des Öls dient --was im Streitfall in Bezug auf das Lachsöl zwischen den Beteiligten unstreitig ist--, ist dies nicht der Fall. Der Charakter des Lachsöls wird durch den Zusatz von Tocopherol nicht verändert.

Die vom FG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 2. September 2008 11 K 130/02 (nicht veröffentlicht) geäußerten Zweifel, ob ein 3,7%iger Vitaminzusatz noch als "geringer" Zusatz i.S. der ErlHS zu Pos. 1517 Rz. 05.0 anzusehen ist, teilt der Senat nicht.

3.

Für die tarifliche Einreihung der streitigen Ware ist es auch ohne Bedeutung, dass sich das Lachsöl für die Einnahme portioniert in einer Gelatinekapsel befindet. Die Gelatinekapsel ist eine Art von Aufmachung für den Einzelverkauf, also eine Verpackung i.S. der AV 5b und ist daher wie die darin enthaltene Ware einzureihen (vgl. für Nachtkerzenölkapseln: Senatsurteil in BFH/NV 1999, 688). Der Ansicht des FG, dass die Kapselhüllen keine bloße Verpackung seien, sondern insoweit eine eigenständige Funktion hätten, als sie das in seiner Grundsubstanz ungenießbare Lachsöl zum menschlichen Verzehr erst geeignet machten, ist nicht zu folgen. Zum einen hat der erkennende Senat bereits mit vorgenanntem Urteil in BFH/NV 1999, 688 ausgeführt, dass eine Verpackung nicht nur dem Schutz der Ware beim Transport, beim Umschlag oder bei der Lagerung dient, sondern auch zusätzliche Funktionen haben kann. Zum anderen gibt es keinen Anhaltspunkt für die Annahme des FG, dass Lachsöl ungenießbar ist. Es ist nicht erkennbar, worauf das FG diese Annahme stützt; offenbar hat es insoweit lediglich das klägerische Vorbringen übernommen, wonach Lachsöl wegen seines extrem fischigen und äußerst unangenehmen Geschmacks ungenießbar sei. Wie bereits ausgeführt, meint aber die Pos. 1517 KN mit "genießbaren" Zubereitungen solche, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Diese Voraussetzung entfällt nicht allein dadurch, dass ein Erzeugnis oder eine Zubereitung nach dem Geschmacksempfinden eines durchschnittlichen europäischen Verbrauchers schlecht schmecken mag. Es dürfte eine Reihe tierischer oder pflanzlicher Fette und Öle sowie eindeutig zur Pos. 1517 KN gehörende Zubereitungen geben, die man, insbesondere wenn sie pur genossen werden, im Allgemeinen als nicht gut schmeckend empfinden wird.

Das im Streitfall zu tarifierende Lachsöl ist daher --was auch die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung ausdrücklich hervorhebt-- auch ohne die Umhüllung durch eine Gelatinekapsel für den menschlichen Verzehr geeignet. Die Gelatinekapsel mag die Einnahme des Lachsöls erleichtern, macht aber im Streitfall nicht aus einem ungenießbaren Erzeugnis ein genießbares.

4.

Obwohl das FG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 2. September 2008 11 K 130/02 auch die Frage, ob die Gelatineumhüllungen von Fischölkapseln als Verpackung anzusehen sind, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, hält es der Senat vorliegend nicht für angezeigt, die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache C-410/08 abzuwarten, weil es im Streitfall auf diese Frage ggf. nicht ankommt.

Zur Pos. 1517 KN gehören nämlich nicht nur genießbare Zubereitungen, sondern auch genießbare Mischungen tierischer oder pflanzlicher Fette und Öle. Dementsprechend stellen die ErlHS zu Pos. 1517 Rz. 11.0, auf welche das FA verweist, klar, dass nicht gemischte, lediglich raffinierte Fette und Öle nicht zur Pos. 1517 KN gehören, sondern in ihrer jeweiligen Position bleiben. Nach den ErlHS zu Pos. 1517 Rz. 02.0 ist es insoweit aber nicht ausgeschlossen, dass Mischungen verschiedener tierischer Öle ausschließlich Öle einer Tierart enthalten, m.a.W.: das Merkmal der Verschiedenartigkeit bezieht sich auf die jeweiligen tierischen Öle und nicht auf die Tiere, aus denen sie gewonnen worden sind.

Nach dem Vorbringen der Klägerin --bzw. im erstinstanzlichen Verfahren ihres Rechtsvorgängers-- enthielten die streitigen Lachsölkapseln verschiedene Fettsäuren zu unterschiedlichen Anteilen, u.a. standardmäßig 30% Omega-3 Fettsäuren. Da aber bei der Gewinnung des Lachsöls der Anteil der jeweiligen Partie an Omega-3 Fettsäuren stark geschwankt habe, habe er für die Herstellung der Lachsölkapseln durch Vermischung mit anderen, angeblich auch fremden, Ölen bzw. mit berechneten Mengen von Omega-3 Fettsäuren auf 30% standardisiert werden müssen.

Falls dieses Vorbringen zutrifft, wurden für die Herstellung der streitigen Omega-3 Lachsölkapseln qualitativ verschiedene --wenn auch überwiegend aus derselben Tierart gewonnene-- tierische Öle miteinander vermischt, so dass von einer Mischung tierischer Öle i.S. der Pos. 1517 KN ausgegangen werden kann. Darüber hinaus kann das Standardisieren der Lachsöle als eine Bearbeitung i.S. der ErlHS zu Pos. 1517 Rz. 06.0 (dort aufgeführte Bearbeitungen sind nur beispielhaft genannt) angesehen werden, welche --auch wenn nur an einer Art Fett oder Öl vorgenommen-- die Einreihung in die Pos. 1517 KN rechtfertigt.

Das FG hat zwar im angefochtenen Urteil diese Angaben des Rechtsvorgängers der Klägerin betreffend die Gewinnung der Lachsöle und die Herstellung der Kapseln als Beteiligtenvortrag wiedergegeben, hat aber --ausgehend von seiner Einreihungsauffassung-- keine Feststellungen getroffen, ob dieses Vorbringen zutrifft. Dies wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der Feststellung gelangen, dass das klägerische Vorbringen zur Vermischung verschiedener Öle bei der Herstellung der Kapseln nicht zutrifft, dürfte vor einer Entscheidung des FG das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-410/08 abzuwarten sein. Sollten die streitigen Kapseln auch in Anbetracht dieser Vorabentscheidung nicht in die Pos. 1517 KN eingereiht werden können und somit nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wird außerdem die Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Schätzung eines 20%igen Anteils der Lachsölkapseln an den vom Rechtsvorgänger der Klägerin umgesetzten Nahrungsergänzungsmitteln zu prüfen sein.

Ende der Entscheidung

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