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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: VII R 27/02
Rechtsgebiete: DVStB


Vorschriften:

DVStB § 10 Abs. 1
DVStB § 24
DVStB § 29
1. Eine Neubewertung von Prüfungsleistungen durch andere Prüfer als diejenigen, die die Prüfungsleistung ursprünglich bewertet haben, kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn ein Prüfer an der Teilnahme am Überdenkungsverfahren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist. Das gilt nicht nur dann, wenn das Überdenkungsverfahren vor Erhebung einer Klage oder während des Klageverfahrens auf Grund von Einwendungen des Prüflings durchgeführt wird, sondern ebenso, wenn das Gericht die Prüfungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit der Bewertung aufgehoben hat.

2. Ein Prüfer, der in einen Prüfungsausschuss als Beamter der Finanzverwaltung berufen worden ist, ist von der Mitwirkung am Überdenkungsverfahren nicht deshalb ausgeschlossen, weil er vor dessen Abschluss in den Ruhestand getreten ist.


Gründe:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) streitet mit der Beklagten und Revisionsklägerin (der Finanzbehörde) um die Bewertung seiner Leistungen im schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung 1995, und zwar um die Bewertung der Klausur im Bereich Buchführung und Bilanzwesen. Diese Klausur war von dem Leitenden Regierungsdirektor S als Erstprüfer und Regierungsrat B als Zweitprüfer bewertet worden und hatte insgesamt die Note 4,5 erhalten, wobei es auch nach einem Überdenkungsverfahren blieb. Da der Kläger in den beiden anderen Klausuren ebenfalls nur die Note 4,5 bzw. 5 erreicht hatte, teilte ihm die Finanzbehörde mit, dass er die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe. Das Finanzgericht (FG) hat jedoch diesen Bescheid aufgehoben. Aufgrund eines daraufhin gefassten Beschlusses des Prüfungsausschusses wurde der Kläger 1998 erneut dahin beschieden, dass seine Gesamtnote für die schriftliche Prüfung unverändert bei 4,66 liege und er deshalb die Prüfung nicht bestanden habe. Auch diesen Bescheid hat jedoch das FG aufgehoben (Az.: V 6/99), weil die vorgenannten Prüfer gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hätten. Die beiden Urteile sind rechtskräftig geworden.

Im November 2000 haben S, der inzwischen in den Ruhestand getreten war, und B die Klausur Buchführung und Bilanzwesen ein weiteres Mal bewertet. An der Gesamtnote 4,66 änderte sich dadurch jedoch wiederum nichts, so dass dem Kläger mit Bescheid vom 24. November 2000 von der Finanzbehörde mitgeteilt wurde, er habe die Prüfung nicht bestanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage, die vor dem FG mit dem Ergebnis erfolgreich war, dass dieses den vorgenannten Bescheid --unter Abweisung der weiter gehenden Klage-- aufgehoben hat. Das FG urteilte, der Bescheid sei rechtswidrig, weil der Prüfungsausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. S habe nicht (mehr) mitwirken dürfen, weil er bereits aus dem aktiven Dienst ausgeschieden gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 1263 veröffentlicht worden.

Die vom FG zugelassene Revision gegen dieses Urteil begründet die Finanzbehörde sinngemäß damit, dass das FG § 10 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) falsch und in einer mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbaren Weise ausgelegt habe.

Die Revision der Finanzbehörde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verstößt gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist auch im Ergebnis unzutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO).

1. Nach dem in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht darf es einem Prüfling weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen, dass er die Anerkennung eines Bewertungsfehlers in einem gerichtlichen Verfahren erstreiten muss. Vielmehr müssen auch dann so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien wie bei den Mitprüflingen gelten. Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers; bei Fehlen einer normativen Bestimmung sind die Gerichte aufgerufen, die Lücke in der Regelung des Prüfungsablaufs so zu schließen, dass der Prüfling bei der Überprüfung einer strittigen Bewertung den geringstmöglichen Nachteil erleidet, indes dadurch auch keinen Vorteil gegenüber anderen Prüflingen erlangt (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 19. Dezember 2001 6 C 14.01, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, und vom 10. Juli 1964 VII C 82.64, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1965, 122). Regelungen, die für den normalen Prüfungsablauf gelten, stehen dem kraft höherrangigen Rechts nicht entgegen, soweit dies zur Herstellung der Chancengleichheit des im Klagewege erfolgreichen Prüflings geboten ist (vgl. BVerwG-Urteil in Buchholz, a.a.O., 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, mit weit. Nachw.).

Der Normgeber hat hinsichtlich der Steuerberaterprüfung die erforderlichen Verfahrensregelungen für den Fall, dass ein Prüfling gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung Einwendungen erhebt und deren Korrektur verlangt, im Wesentlichen in § 29 DVStB getroffen. Danach sind "die Prüfer ... verpflichtet, ihre Bewertung zu überdenken, wenn dies von einem Bewerber, der die Prüfung nicht bestanden hat, mit begründeten Einwendungen ... beantragt wird ...". Diese Vorschrift ist durch das 7. Steuerberatungsänderungsgesetz (7. StBerÄndG) vom 24. Juni 2000 (BGBl I, 874) in die DVStB eingefügt worden; sie gilt seit 1. Juli 2000 (Art. 11 Nr. 1 des vorgenannten Gesetzes), war also auf das hier im November 2000 durchgeführte Überdenkungsverfahren schon anzuwenden. Denn vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung, dass bereits begonnene Verfahren wie das hier seit 1995 anhängige Prüfungsverfahren des Klägers, dessen Teil das durch das Urteil des FG Az.: V 6/99 ausgelöste (erneute, hier strittige) Überdenkungsverfahren ist, nach bisherigem Recht zu Ende zu führen sind --eine solche Regelung ist in dem 7. StBerÄndG was § 29 DVStB angeht nicht getroffen worden--, entspricht es einem allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsatz, die Verfahrensvorschriften anzuwenden, die in dem Zeitpunkt der Vornahme der betreffenden Verfahrenshandlung gelten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Februar 1991 V R 25/87, BFHE 164, 1, BStBl II 1991, 496).

Die vorgenannte Vorschrift hat das FG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Sie spricht gegen die Annahme des FG, ein aus einer Prüfungskommission nach Abnahme einer Prüfungsleistung (hier: der ersten Bewertung der Klausur Buchführung und Bilanzwesen) ausgeschiedener Prüfer sei an einem diese Prüfungsleistung betreffenden Überdenkungsverfahren nicht mehr beteiligt, sondern durch einen anderen Prüfer zu ersetzen.

§ 29 DVStB geht davon aus, dass diejenigen Prüfer eine Bewertung "überdenken", die sie vorgenommen haben. Das ergibt sich aus dem gesamten Wortlaut der Vorschrift ebenso wie aus dem Begriff "überdenken" als solchem, der nicht die Überprüfung der Bewertung eines anderen, sondern die (selbstkritische) Überprüfung der eigenen Beurteilung einer Prüfungsleistung bezeichnet. Es ergibt sich aber auch klar aus Wesen und Aufgabe des verwaltungsinternen Überdenkungsverfahrens.

Die gerichtliche Kontrolle einer Prüfungsentscheidung stößt dort an Grenzen, wo sie nicht auf fachspezifischen Urteilen darüber beruht, ob etwas "falsch" oder "richtig" ist, sondern auf einem Bewertungsvorgang, der sich auf der Basis der persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der einzelnen beteiligten Prüfer vollzieht. Die durch den Grundsatz der Chancengleichheit gebotene gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten ist deshalb nur erreichbar, wenn den Prüfern bei solchen prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt wird. Für den dadurch bewirkten, mitunter weitgehenden Ausfall einer gerichtlichen Kontrolle der Prüfungsentscheidung stellt das verwaltungsinterne Verfahren des Überdenkens der Bewertung einer Prüfungsleistung einen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (vgl. u.a. Beschluss vom 17. April 1991 1 BvR 419/81 und 213/83, BVerfGE 84, 34) und der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. statt aller Urteil des BVerwG vom 24. Februar 1993 6 C 35.92, BVerwGE 92, 132 und des erkennenden Senats, Beschluss vom 10. August 1993 VII B 68/93, BFHE 172, 273, BStBl II 1994, 50, und Urteil vom 11. November 1997 VII R 66/97, BFHE 184, 157, BStBl II 1998, 218) unerlässlichen Ausgleich dar. In diesem Verfahren haben die beteiligten Prüfer ihre ursprüngliche Bewertung der Prüfungsleistung auf der Grundlage der vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände zu überdenken und ggf. zu korrigieren, weil nur sie dazu unter vollständiger Wahrung der Chancengleichheit im Stande sind. Ein Überdenken der vom Prüfling beanstandeten prüfungsspezifischen Wertungen kann also in aller Regel nur durch die betroffenen Prüfer selbst erfolgen (vgl. BVerwG-Urteile vom 9. Dezember 1992 6 C 3.92, BVerwGE 91, 262 und in BVerwGE 92, 132). Die Funktion des Überdenkungsverfahrens, einen der Eigenart prüferischer Entscheidungen angepassten Rechtsschutz zu gewähren, würde verfehlt, wenn dieses Verfahren nicht unter maßgeblicher Beteiligung der betroffenen Prüfer, sondern von anderen Mitgliedern der für die betreffende Prüfung errichteten Prüfungsausschüsse oder gar der Prüfungsbehörde als solcher durchgeführt würde (vgl. auch Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 3. Aufl. 1994, Rdnr. 315 und 368; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2001, Rdnr. 449, 587). Denn prüferische Bewertungen sind von den Erfahrungen und Wertvorstellungen des einzelnen Prüfers abhängig und damit unvertretbare höchstpersönliche Urteile. Die Überprüfung der Bewertung durch einen anderen Prüfer wäre wegen dieses höchstpersönlichen und unvertretbaren Charakters prüfungsspezifischer Wertungen in Wahrheit --ganz genauso wie deren Ersetzung durch eine Beurteilung der vom Prüfling erbrachten Leistungen durch ein Gericht-- nicht bloße Rechtsschutzgewährung gegenüber der ursprünglich getroffenen Bewertung, sondern eigenständige Bewertung außerhalb des ursprünglichen Vergleichsrahmens. Hierauf hat indes der Prüfling im Allgemeinen keinen Anspruch.

Diese Grundsätze gelten nicht nur dann, wenn das verwaltungsinterne Überdenkungsverfahren vor Erhebung einer gerichtlichen Klage oder --wie es meist der Fall ist-- während des Klageverfahrens in der Weise durchgeführt wird, dass das Gericht sein Verfahren zunächst aussetzt, der Prüfungsbehörde Gelegenheit gibt, den Einwendungen des Prüflings nachzugehen, und erst wenn die Prüfer dessen Einwendungen nicht Rechnung tragen, seinerseits anhand des ihm zu Gebote stehenden (eingeschränkten) Kontrollmaßstabes die Bewertung überprüft und ggf. die Prüfungsentscheidung aufhebt, weil es deren Rechtswidrigkeit feststellt. Der eben dargestellte Grundsatz, dass die Überprüfung der einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegenden Bewertung der vom Prüfling erbrachten Leistungen in einer dem Gebot der Chancengleichheit entsprechenden Weise nur durch die ursprünglichen Prüfer, nicht durch Dritte erfolgen kann und deshalb grundsätzlich durch jene zu erfolgen hat, gilt auch dann, wenn das Gericht die Prüfungsentscheidung --wie im Streitfall-- wegen der von ihm festgestellten Rechtswidrigkeit der ihr zugrunde liegenden Bewertung aufgehoben hat (zur Aufhebung einer Prüfungsentscheidung trotz Möglichkeit der verwaltungsinternen Abhilfe vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 2000 VII R 52/99, BFH/NV 2000, 755). Das FG und die Beteiligten sind mit Recht stillschweigend davon ausgegangen, dass auch in diesem --von § 29 DVStB schon seinem Wortlaute nach miterfassten-- Fall die Bewertung in einem verwaltungsinternen "Überdenkungsverfahren" zu überprüfen ist.

In der Tat ist keinerlei vernünftiger Gesichtspunkt dafür erkennbar, dem Prüfling die Chance einer Neubewertung seiner Leistungen durch andere Prüfer allein deshalb zu geben, weil er mit der Berechtigung seiner Einwendungen gegen die ursprüngliche Bewertung erst bei Gericht Gehör gefunden hat oder das Gericht unabhängig von den von ihm gegen die ursprüngliche Bewertung erhobenen Einwendungen Bewertungsfehler festgestellt hat, welche zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung bzw. zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde zur Neubescheidung geführt haben. Grundsätzlich sind die ursprünglichen Prüfer für die Neubewertung einer (ordnungsgemäß abgenommenen) Prüfungsleistung auch dann zuständig, wenn diese rechtsfehlerhaft bewertet worden ist und der Prüfling seine Beanstandungen im Klageweg erfolgreich vorgebracht hat (Urteil des BVerwG vom 24. Februar 1993 6 C 38.92, Buchholz, a.a.O., Nr. 314; vgl. auch BVerwG-Urteil vom 30. Januar 1995 6 C 1.92, Buchholz, a.a.O., Nr. 343). Nur dieses Vorgehen entspricht dem auch im Schrifttum einhellig anerkannten Gebot der "schonenden" Beseitigung von Fehlern im Prüfungsverfahren (dazu Niehues, a.a.O., Rdnr. 299, 302) unter Anwendung der gleichen Prüfungsmaßstäbe, Vorstellungen und Erfahrungen wie bei den Mitprüflingen (vgl. auch Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rdnr. 449), um deren Gewährleistung willen die Rechtsprechung gerade ihre eigene Kontrollbefugnis eingeschränkt sieht und die Überprüfung von prüferischen Bewertungen den Prüfern zuweist.

Anders als in den Fällen, in denen die betreffende Prüfungsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht werden konnte, es also der Bewertung von vornherein an einem geeigneten Bezugspunkt fehlt, kommt folglich eine (teilweise) Wiederholung des Prüfungsverfahrens in Gestalt einer Neubewertung von Prüfungsleistungen durch andere Prüfer grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ein Prüfer an der Teilnahme am Überdenkungsverfahren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist. Das kann u.a. der Fall sein, wenn er sich als gegenüber dem Prüfling voreingenommen erwiesen hat (vgl. dazu u.a. BVerwG-Urteil vom 4. Mai 1999 6 C 13.98, Buchholz, a.a.O., Nr. 395), was freilich nach der ständigen Rechtsprechung insbesondere des BVerwG nicht allein daraus hergeleitet werden kann, dass jener die ursprüngliche, vom Prüfling angegriffene oder vom Gericht als rechtswidrig verworfene Bewertung abgegeben hat (zur Kritik vgl. von Mutius/Sperlich, Prüfungen auf dem Prüfstand - Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17.4.1991 zur gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen, Die öffentliche Verwaltung 1993, 45; Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rdnr. 504, mit Nachw.).

Der Eintritt eines Mitgliedes des Prüfungsausschusses für die Steuerberaterprüfung in den Ruhestand gehört nicht zu den Situationen, in denen ein Überdenken der Bewertung einer Prüfungsleistung durch die Prüfer, die selbige vorgenommen haben, nicht möglich ist und deshalb Rechtsschutz nur in Gestalt einer eigenständigen Neubewertung der Prüfungsleistung durch andere Prüfer (vgl. z.B. BVerwG-Urteil in Buchholz, a.a.O., Nr. 395 für den Fall eines jahrelang nicht mehr tätigen Prüfers, der sich möglicherweise der Vergleichsmaßstäbe nicht mehr sicher sei; BVerwG-Urteil in Buchholz, a.a.O., Nr. 314) oder sogar --insbesondere bei mündlichen Leistungen-- durch eine Wiederholung des betreffenden Prüfungsabschnitts gewährt werden kann (vgl. BVerwG-Beschluss vom 11. April 1996 6 B 13.96, Buchholz, a.a.O., Nr. 363).

Tritt ein Beamter der Finanzverwaltung, der Prüfer ist und als Mitglied eines Prüfungsausschusses eine schriftliche Leistung bewertet hat, in den Ruhestand, bedarf es nicht der Hinzuziehung eines neuen Prüfers, um eine verwaltungsinterne (Selbst-) Kontrolle der Bewertung durch deren Überdenken durchführen zu können. Denn aus § 10 DVStB lässt sich nicht folgern, ein Prüfer, der in einen Prüfungsausschuss als Beamter der Finanzverwaltung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 DVStB) berufen worden ist, sei von der Mitwirkung an einem verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren ausgeschlossen, weil er vor dessen Abschluss in den Ruhestand getreten ist; ebenso verfehlt wäre eine solche Schlussfolgerung bei einem in den Prüfungsausschuss berufenen Mitglied, dessen dreijährige Amtszeit vor Abschluss eines solchen Verfahrens abgelaufen ist. § 10 Abs. 1 und 2 DVStB regeln, wie die Revision richtig hervorhebt, die Bildung der Prüfungsausschüsse; sie verhalten sich nicht zu der Frage, wie eine von einem Prüfungsausschuss begonnene Prüfung zu Ende zu führen ist, wenn bei einem Mitglied des so gebildeten Ausschusses vor der Beendigung des hinsichtlich des betreffenden Verfahrens von einem Prüfling beantragten Überdenkungsverfahrens die dreijährige Amtszeit abläuft oder Tatsachen eintreten, auf Grund deren der Betreffende möglicherweise nicht mehr zum Mitglied eines Prüfungsausschusses berufen werden kann. Jedenfalls kann § 10 DVStB nicht als eine abschließende Regelung verstanden werden, welche die Mitwirkung der Prüfer auch in dem besonderen Falle eines verwaltungsinternen Überdenkungsverfahrens, wie das FG meint, eindeutig regelt und daher einer modifizierten Anwendung mit Rücksicht auf die Eigentümlichkeiten dieses Verfahrens nicht zugänglich ist.

Es mag allerdings nicht zweifelsfrei erscheinen, ob sich die Besetzung des Prüfungsausschusses in einem verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren in dem Falle, dass zur ursprünglichen Besetzung des Ausschusses gehörende Mitglieder inzwischen ausgeschieden sind, unmittelbar aus § 29 DVStB ergibt, diese Vorschrift also (auch) diese Frage dahin regeln will, dass gleichwohl derjenige Prüfer seine Bewertung selbst zu überprüfen hat, der sie vorgenommen hat. Ob dies aus § 29 DVStB folgt, kann jedoch unentschieden bleiben, weil bei der anderenfalls erforderlichen richterrechtlichen Beantwortung jener Frage die Antwort nicht anders ausfallen kann als bei Anwendung des in § 29 DVStB zum Ausdruck kommenden Kontinuitätsgrundsatzes. Das ergibt sich zwingend aus der erläuterten Funktion des Überdenkungsverfahrens, nachdem der weiteren Mitwirkung eines Ruhestandsbeamten im Prüfungsverfahren irgendwelche aus dem Prüfungsrecht anderweit zu gewinnende Rechtssätze nicht entgegen stehen. Insbesondere stehen Sinn und Zweck der in § 10 Abs. 1 DVStB für die Berufung der Mitglieder eines Prüfungsausschusses getroffenen Regelung dem nicht entgegen; denn diese soll nicht etwa der Finanzverwaltung institutionellen, nur bei deren Repräsentation durch "aktive" Mitglieder gesicherten Einfluss auf das Prüfungsverfahren verschaffen --sie vermöchte dies auch kaum, da die Mitglieder des Prüfungsausschusses weisungsunabhängig sind (§ 10 Abs. 6 Satz 1 DVStB)--, sondern sie soll eine bestimmte fachliche Qualifikation der Mitglieder der Prüfungsausschüsse gewährleisten und, was die Nr. 1 des § 10 Abs. 1 DVStB im Besonderen angeht, die spezifischen beruflichen Erfahrungen und steuerrechtlichen Kenntnisse der Mitarbeiter der Finanzverwaltung für die Steuerberaterprüfung fruchtbar machen. Schon deshalb ist es nicht schlüssig, § 10 Abs. 1 Nr. 1 DVStB zu entnehmen, an einem Prüfungsverfahren könne nur ein Beamter mitwirken, dem dies im Rahmen eines Nebenamtes übertragen ist (vgl. auch BVerwG-Beschluss vom 25. August 1983 7 B 165.82, Buchholz, a.a.O., Nr. 183 zu den Rechtsfolgen bei der Pensionierung eines als Vertreter der Wirtschaft bestellten Prüfers). Das durch die Übernahme einer Nebentätigkeit (wie der eines Prüfers zwischen diesem und der Prüfungsbehörde) begründete Rechtsverhältnis erlischt auch nicht gleichsam "automatisch" dadurch, dass das Hauptamt des Betreffenden endigt, was selbst dann nicht der Fall ist, wenn die Nebentätigkeit dem Betreffenden nur wegen seines Hauptamtes übertragen worden ist oder überhaupt hat übertragen werden können, es sei denn, das einschlägige Recht --hier: die DVStB-- sähe einen solchen Automatismus vor, was indes bei der DVStB, wie ausgeführt, nicht der Fall ist.

Unerörtert kann bleiben, ob für die Besetzung des Prüfungsausschusses im Übrigen, d.h. soweit seine Mitglieder an der Bewertung der strittigen Prüfungsleistung nicht nach § 24 Abs. 2 DVStB persönlich unmittelbar beteiligt waren, etwas anderes gelten würde (vgl. Beschluss des Senats vom 4. Mai 1995 VII B 193/94, BFH/NV 1995, 1021). Soweit im Übrigen der erkennende Senat in dem Urteil vom 9. Juli 1991 VII R 21/91 (BFHE 165, 156, BStBl II 1991, 893) die Verfahrensweise einer Prüfungsbehörde insoweit als sachgerecht angesehen hat, als diese nach gerichtlicher Aufhebung einer Prüfungsentscheidung, an der ein infolge Ablaufs des Bestellungszeitraums dem Prüfungsausschuss nicht mehr angehörender Prüfer mitgewirkt hatte, ein anderes Mitglied des Prüfungsausschusses mit der erneuten Begutachtung der Aufsichtsarbeit betraut hatte und sodann unter dessen Mitwirkung die Note festsetzen ließ, kann offen bleiben, ob daran trotz der vorstehenden Überlegungen festgehalten werden könnte; jedenfalls gestattet dieses überdies zu § 24 DVStB a.F. ergangene Urteil des Senats nicht den Umkehrschluss, nur jene Verfahrensweise entspreche den maßgeblichen prüfungsrechtlichen Grundsätzen, nicht jedoch der von der Finanzbehörde hier eingeschlagene und jedenfalls seit In-Kraft-Treten des § 29 DVStB n.F. gebotene Weg, dem bisherigen Erstgutachter die Überprüfung seiner Bewertung zu überlassen, soweit dem nicht rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen.

2. Zu Unrecht meint das FG, das sich zu diesen Fragen nicht weiter geäußert hat, der Klage zum Erfolg verhelfen zu können, weil der Mitwirkung eines nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 DVStB (bzw. dem gleichlautenden, vom FG in diesem Zusammenhang angeführten § 10 Abs. 3 Nr. 1 DVStB der bis zum 30. Juni 2000 geltenden Fassung) berufenen, jedoch inzwischen in den Ruhestand versetzten Prüfers im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren § 32 Abs. 2 und § 72 des Hamburgischen Beamtengesetzes entgegenstünden. Diese Auffassung des FG ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Die Durchführung der Steuerberaterprüfung ist im Bundesrecht, nämlich im Steuerberatungsgesetz (StBerG) und in der DVStB abschließend geregelt. Insbesondere ist die Frage der richtigen Besetzung des Prüfungsausschusses im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren keine solche des hamburgischen Landesrechts, sondern anhand des StBerG und der DVStB zu beantworten. Diese sind, wie ausgeführt, nicht dahin auszulegen, dass ein Prüfer, der seines Beamtenstatus wegen nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 DVStB in einen Prüfungsausschuss berufen worden ist, an einem verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren, das eine von ihm beurteilte Prüfungsleistung betrifft, nicht mitwirken darf, sobald er in den Ruhestand getreten ist und deshalb sein Prüferamt nicht mehr als Nebenamt im Sinne des Beamtenrechts ausübt, sondern als Nebenbeschäftigung.

Aus dem hamburgischen Beamtengesetz kann deshalb für die Entscheidung des Streitfalls von vornherein nichts gewonnen werden. Dass dieses nämlich einem Ruhestandsbeamten gleichsam in einer vom Steuerberatungsrecht hinzunehmenden Weise verbietet, nachwirkende Pflichten aus einer ihm als Beamter der Finanzverwaltung als Nebenamt übertragenen Prüfertätigkeit zu erfüllen, ein hamburgischer Ruhestandsbeamter mithin aus Rechtsgründen gehindert wäre, an einem Rechtsbehelfsverfahren mitzuwirken, in dem wie in einem verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren im Rahmen einer Steuerberaterprüfung die persönliche Mitwirkung der ursprünglichen Prüfer notwendig ist, hat das FG dem hamburgischen Landesrecht nicht entnommen. Erst recht nicht ließe sich dies aus dem bundesrechtlichen Rahmenrecht folgern.

3. Das FG ist von anderen Rechtssätzen ausgegangen. Sein Urteil ist aufzuheben. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Prüfungsentscheidung ist rechtmäßig und insbesondere verfahrensfehlerfrei zustande gekommen.

Ende der Entscheidung

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