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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.12.1997
Aktenzeichen: VII R 30/97
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 166
AO 1977 § 350
BGB § 421
BGB § 427
BGB § 709 Abs. 1
BGB § 714
BGB § 744 Abs. 2
BUNDESFINANZHOF

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gemäß § 166 AO 1977 gilt nicht gegenüber dem Gesellschafter einer GbR, der für Steuerschulden der Gesellschaft als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, wenn dieser nicht zur Alleinvertretung der GbR berechtigt war. Das gilt auch im Hinblick auf ein etwaiges Notgeschäftsführungsrecht nach § 744 Abs. 2 BGB analog.

AO 1977 §§ 166, 350 BGB §§ 421, 427, 709 Abs. 1, §§ 714, 744 Abs. 2

Urteil vom 16. Dezember 1997 - VII R 30/97

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1997, 591)


Gründe

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und eine KG waren Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck es war, ein Grundstück zu erwerben, mit Eigentumswohnungen zu bebauen und diese zu veräußern. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gegenüber der GbR einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 1985, mit dem er die Veräußerung einer Wohnung wegen offenen Ausweises der Umsatzsteuer in der dem Erwerber erteilten Rechnung der Umsatzsteuer unterwarf. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit dem angefochtenen Haftungsbescheid nahm das FA den Kläger für die von der GbR geschuldete Umsatzsteuer 1985 nebst Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten nach § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. §§ 421, 427, 431 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Anspruch.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der der Kläger u.a. vortrug, der dem Haftungsbescheid zugrundeliegende Umsatzsteuerbescheid 1985 sei rechtswidrig, weil der fragliche Umsatz bereits im Veranlagungszeitraum 1984 ausgeführt worden sei (Fertigstellung des Bauvorhabens in 1984), führte zur Aufhebung des Haftungsbescheides hinsichtlich der festgesetzten Umsatzsteuer. Wegen der Entscheidungsgründe des Finanzgerichts (FG) wird auf den Urteilsabdruck in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 591 Bezug genommen.

Mit der Revision macht das FA geltend, entgegen der Auffassung des FG müsse der Kläger gemäß § 166 AO 1977 die eingetretene Bestandskraft des Umsatzsteuerbescheides 1985 gegen sich gelten lassen, da er aufgrund seiner Notgeschäftsführungsbefugnis analog § 744 Abs. 2 BGB rechtlich in der Lage gewesen sei, diesen Bescheid im eigenen Namen anzufechten.

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Das FA hat --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- den Kläger zu Unrecht wegen Umsatzsteuer 1985 der GbR in Haftung genommen. Die gegenüber der GbR --bestandskräftig-- festgesetzte Umsatzsteuerschuld 1985 ist rechtswidrig. Denn der in diesem Bescheid der Umsatzsteuer unterworfene Umsatz ist nicht im Veranlagungszeitraum 1985, sondern, wie das FG festgestellt hat und zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, bereits im Veranlagungszeitraum 1984 ausgeführt worden. Entgegen der Auffassung des FA kann der Kläger Einwendungen gegen die Erstschuld im Haftungsverfahren geltend machen, obwohl diese gegenüber der Steuerschuldnerin (GbR) unanfechtbar festgesetzt worden ist.

2. Nach § 166 AO 1977 muß derjenige eine dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbare Steuerfestsetzung gegen sich gelten lassen, welcher in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Der Kläger war weder berechtigt, den gegenüber der GbR ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1985 als deren Vertreter anzufechten, noch stand ihm eine Anfechtungsbefugnis kraft eigenen Rechts gegenüber diesem Steuerbescheid zu. Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gemäß § 166 AO 1977 greift deshalb ihm gegenüber nicht ein, so daß die Befugnis des Klägers, sich im Haftungsverfahren auf die Fehlerhaftigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung 1985 zu berufen, durch diese Vorschrift nicht ausgeschlossen worden ist.

a) Anfechtungsberechtigt kraft eigenen Rechts ist nur derjenige, der geltend machen kann, durch die Steuerfestsetzung beschwert zu sein (§ 350 AO 1977). Bei Steuerfestsetzungen, die sich --wie im Streitfall der Umsatzsteuerbescheid 1985-- gegen eine GbR als Steuerschuldnerin richten, fehlt es --wie das FG ausgeführt hat-- an einer Beschwer des einzelnen Gesellschafters, da nicht ihm gegenüber, sondern nur gegenüber der GbR als selbständigem Steuersubjekt eine Steuerschuld festgesetzt wird. Die GbR wird bei der Anfechtung des Bescheides durch die zu ihrer Geschäftsführung befugten Personen vertreten (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977, § 58 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO--). Mangels entgegenstehender besonderer Vereinbarungen --wie für den Streitfall festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO)-- steht die Geschäftsführung einer GbR den Gesellschaftern gemäß § 709 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich zu und sind die Gesellschafter nur gemeinschaftlich i.S. von § 714 BGB zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berechtigt. Eine nur gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis der Gesellschafter hinsichtlich der Umsatzsteuer der Gesellschaft besteht auch dann, wenn die Gesellschaft nicht mehr bestehen sollte (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB) und sogar wenn einer der Gesellschafter für eine im Namen der Gesellschaft erhobene Klage die Erteilung einer Vollmacht schikanös verweigert (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 1995 IV B 161/94, BFH/NV 1996, 155, m.w.N.). Das FG ist demnach zu Recht davon ausgegangen, daß mangels Alleinvertretungsberechtigung der Kläger den gegenüber der GbR ergangenen Umsatzsteuerbescheid nicht wirksam im Namen der GbR anfechten konnte.

b) Auch als potentieller Haftungsschuldner (§§ 421, 427, 431 BGB) --wie der Kläger im Streitfall-- ist der Gesellschafter der GbR nicht befugt, den gegenüber der GbR erlassenen Umsatzsteuerbescheid anzufechten (BFH-Beschluß vom 31. Oktober 1991 V B 194/91, BFH/NV 1992, 402, m.w.N.). Die für die Anfechtungsbefugnis notwendige rechtliche Betroffenheit ergibt sich für den Haftungsschuldner von Umsatzsteuer erst aus dem Haftungsbescheid. Durch den Haftungsbescheid wird der etwaige Haftungsanspruch ihm gegenüber verwirklicht (§ 191 Abs. 1, § 218 Abs. 1 AO 1977). Deshalb können Einwendungen, die die Steuerschuld betreffen, grundsätzlich vom Haftungsschuldner im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Haftungsbescheid geltend gemacht werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 191 AO 1977 Tz. 26). Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird noch dadurch bekräftigt, daß der Erlaß eines Haftungsbescheides nach § 191 Abs. 1 AO 1977 nach der ständigen Rechtssprechung des Senats im Ermessen der Verwaltung liegt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 191 AO 1977 Tz. 6 a, und Ehlers in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 191 AO 1977 Rz. 7 ff., 9, jeweils m.w.H.).

c) Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe die Steuerfestsetzung gegenüber der GbR im eigenen Namen kraft eines ihm zustehenden Notgeschäftsführungsrechts entsprechend § 744 Abs. 2 BGB anfechten können.

Nach dieser Vorschrift aus dem Recht der Gemeinschaft, die im Gesellschaftsrecht entsprechende Anwendung findet (vgl. Karsten Schmidt, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch -- MünchKomm--, 2. Aufl., §§ 744, 745 Rdnr. 41; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4. Mai 1955 IV ZR 185/54, BGHZ 17, 181, 183; BFH-Urteil vom 10. August 1989 V R 36/84, BFH/NV 1990, 386, 387), kann jeder Teilhaber (Gesellschafter) die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber treffen; er hat einen (klagbaren) Anspruch darauf, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erteilen. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Gesellschaft selbst eine akute Gefahr droht und zu ihrer Abwendung rasches Handeln erforderlich ist. Das Notgeschäftsführungsrecht umfaßt im Rahmen des gesetzlich bestimmten Umfangs auch die Befugnis, Rechte der Gesellschaft im eigenen Namen (gerichtlich) geltend zu machen; Vertretungsmacht für die Gesellschaft ist damit nicht verbunden (Ulmer, MünchKomm, § 709 Rdnr. 21; BGH in BGHZ 17, 181, 183, 184, 187; BFH in BFH/NV 1990, 386, 387).

In der Rechtsprechung des BFH und --soweit ersichtlich-- im steuerrechtlichen Schrifttum ist bisher ein Notgeschäftsführungsrecht des Gesellschafters einer GbR in entsprechender Anwendung des § 744 Abs. 2 BGB zur Anfechtung eines gegen die Gesellschaft gerichteten Steuerbescheides nicht anerkannt worden. Der BFH ist --ohne indes auf die Möglichkeit der Notgeschäftsführung einzugehen-- regelmäßig davon ausgegangen, daß ein Gesellschafter der GbR nicht befugt ist, im eigenen Namen gegen Umsatzsteuerbescheide, die gegen die Gesellschaft gerichtet sind, zu klagen (BFH in BFH/NV 1992, 402), und daß für die insoweit klagebefugte GbR auch dann alle Gesellschafter gemeinschaftlich handeln müssen, wenn einer von ihnen schikanös seine Mitwirkung verweigert (BFH in BFH/NV 1996, 155). In dem Beschluß in BFH/NV 1990, 386, 387 hat der BFH zwar die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 744 Abs. 2 BGB erwähnt und ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte dann, wenn ein Gesellschafter unter Zurückstellung der Gesellschaftsinteressen im bewußten Zusammenwirken mit dem Schuldner sich weigere, eine Forderung der Gesellschaft geltend zu machen, dem anderen Gesellschafter das Recht zur Prozeßführung im eigenen Namen eingeräumt worden sei. Da in dem Streitfall die Klage aber nicht im Namen eines Gesellschafters, sondern namens der GbR erhoben worden sei, bedürfe es keiner Erörterung, ob auch die weiteren Voraussetzungen für ein Handeln des Gesellschafters (im eigenen Namen) gegeben wären. Schließlich hat der BFH in dem Beschluß vom 17. Mai 1994 IV B 54/93 (BFH/NV 1995, 86) trotz des Vortrags der Antragstellerin dieses Verfahrens, ihre Mitgesellschafterin sei untergetaucht, ohne eine entsprechende Anwendung des § 744 Abs. 2 BGB in Erwägung zu ziehen, eine Klagebefugnis der Gesellschafterin im eigenen Namen gegen einen gegen die GbR ergangenen Gewerbesteuer-Meßbescheid verneint. Er hat ausgeführt, der Ausschluß von Einwendungen nach § 166 AO 1977 reiche nicht weiter als die Vertretungsmacht; § 166 AO 1977 gewähre daher keine über die Vertretungsmacht hinausgehende Klagebefugnis gegen die die Gesellschaft betreffenden Steuerbescheide, insbesondere nicht die Befugnis zu Klagen des Gesellschafters im eigenen Namen.

Aus den vorstehenden Entscheidungen folgt, daß der BFH bisher ein Abwehrrecht des Gesellschafters der GbR im eigenen Namen gegen Steuerbescheide, die die Gesellschaft betreffen, auch in solchen Fällen nicht angenommen hat, in denen die Geltendmachung des Anfechtungsrechts durch alle Gesellschafter gemeinsam mit Schwierigkeiten verbunden war. Der Senat hält auch für den Streitfall daran fest, daß die bloße Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des Notgeschäftsführungsrechts nach § 744 Abs. 2 BGB im Gesellschaftsrecht jedenfalls nicht geeignet ist, spätere Einwendungen des als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafters gegen Bestand oder Höhe der Steuer- bzw. Haftungsschuld nach § 166 AO 1977 auszuschließen, wenn der der Haftung zugrundliegende Steuerbescheid bestandskräftig geworden ist.

Die Regelung des § 744 Abs. 2 BGB ist in ihrer direkten Anwendung auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen, die die Substanz oder die Nutzungsmöglichkeit des gemeinschaftlichen Gegenstandes betreffen, beschränkt (Karsten Schmidt, Münchkomm, §§ 744, 745 Rdnr. 35). Schon im Hinblick auf den der Vorschrift innewohnenden Ausnahmecharakter erscheint ihre Übertragbarkeit auf den Fall der Anfechtung eines an die Gesellschaft gerichteten Steuerbescheides zweifelhaft. Soweit im Gesellschaftsrecht auf den Rechtsgedanken des § 744 Abs. 2 BGB zurückgegriffen wird, geschieht dies mit einschränkender Tendenz. Es wird darauf hingewiesen, daß die Vorschrift vom Fehlen einer die Geschäftsführung regelnden Organisation ausgeht, im Gesellschaftsrecht dagegen die vertragsmäßige Organisation Vorrang hat, so daß dem nicht (allein-)geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter allenfalls ein subsidiäres Notgeschäftsführungsrecht etwa zur Abwendung von akuten Gefahren für die Gesellschaft zustehen könnte (vgl. Karsten Schmidt, Münchkomm, §§ 744, 745 Rdnr. 41; Ulmer, MünchKomm, § 709 Rdnr. 21 und Fn. 28; Huber in Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 744 Rdnr. 28). Wie der BGH in BGHZ 17, 181, 187 ausgeführt hat, sollte die für die entsprechende Anwendung des § 744 Abs. 2 BGB in vielen Fällen streitige und zweifelhafte Frage, ob eine Klage zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes oder der Gesellschaft selbst notwendig ist, zunächst unter den Gesellschaftern, ggf. in einem Rechtsstreit ausgetragen werden. Es sei im Interesse der Gesellschafter sinnvoll, wenn in derartigen Fällen der namens der Gesellschaft handelnde Gesellschafter genötigt sei, die Frage der Notwendigkeit der Klageerhebung erst unter den Gesellschaftern zu klären. Im Urteil vom 10. Januar 1963 II ZR 95/61 (BGHZ 39, 14, 20) hat es der BGH ebenfalls abgelehnt, die Aktivlegitimation des Gesellschafters einer GbR, dessen Mitgesellschafter sich pflichtwidrig geweigert hatte, sich an der Klage zu beteiligen, auf § 744 Abs. 2 BGB zu stützen. Die Prozeßführungsbefugnis einzelner Gesellschafter ist in der zivilrechtlichen Rechtsprechung nur in besonders gelagerten Fällen bejaht worden: Danach können einzelne Gesellschafter im eigenen Namen eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn sie an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse haben, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist (BGHZ 39, 14; BGH-Urteil vom 30. Oktober 1987 V ZR 174/85, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1988, 12, 13, m.w.N.; Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 16. November 1972 6 U 94/92, OLGZ 1973, 316; vgl, auch BFH/NV 1990, 386, 387).

Für die im Streitfall maßgebliche Frage nach dem Anfechtungsrecht des Gesellschafters der GbR im eigenen Namen gemäß § 744 Abs. 2 BGB analog gegen einen Umsatzsteuerbescheid, der gegenüber der Gesellschaft erlassen worden ist, wird es jedenfalls bei Beachtung der vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze regelmäßig an der zusätzlichen Voraussetzung fehlen, daß die anderen Gesellschafter im bewußten Zusammenwirken mit dem Anfechtungsgegner --hier dem FA-- pflichtwidrig ihre Mitwirkung an der Anfechtung des Bescheides verweigern. Der Senat kann offenlassen, ob im Steuerrecht überhaupt eine Anfechtung eines gegen die GbR erlassenen Bescheides durch einen einzelnen Gesellschafter als Notgeschäftsführer im eigenen Namen zulässig sein kann, und aus welchen Gründen im Streitfall die rechtzeitige Anfechtung des Umsatzsteuerbescheides 1985 durch alle Gesellschafter gemeinsam namens der GbR unterblieben ist. Die sinngemäße Anwendung des § 744 Abs. 2 BGB in dem die Gesellschaft betreffenden Steuerverfahrensrecht liegt jedenfalls so fern und die Zulässigkeit einer Anfechtung des Steuerbescheides unter der Behauptung der Notgeschäftsführung wäre so unbestimmt, daß sich der später als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Gesellschafter bei der Anfechtung des Haftungsbescheides nicht gemäß § 166 AO 1977 auf diese rechtliche Möglichkeit zur Anfechtung des Steuerbescheides --soweit sie überhaupt bestehen sollte-- verweisen lassen muß. Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gemäß § 166 AO 1977 kann gegenüber dem Gesellschafter als Haftungsschuldner nur insoweit eingreifen, als er aufgrund der gesellschaftsvertraglichen und/oder gesetzlichen Regelungen über die Vertretung der Gesellschaft zur Anfechtung des Steuerbescheides befugt gewesen wäre (vgl. BFH in BFH/NV 1995, 86, 87). Ein weitergehender Ausschluß von Einwendungen gegen den Haftungsbescheid, der auf eine rechtlich zweifelhafte und in ihrer Erfolgsaussicht höchst unsichere Anfechtungsbefugnis gegenüber dem Steuerbescheid gestützt werden müßte, ist mit dem verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) des Haftungsschuldners nicht zu vereinbaren.

d) Soweit das FA ausführt, wenn schon kein Notgeschäftsführungsrecht bestehe, müsse von dem Gesellschafter der Nachweis verlangt werden, daß er sich um die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Anfechtung des Steuerbescheides erfolglos bemüht habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. § 166 AO 1977 stellt für die Drittwirkung der Steuerfestsetzung auf die persönliche Anfechtungsbefugnis des jeweiligen (Dritt-)Betroffenen hinsichtlich des Steuerbescheides ab. War --wie im Streitfall-- eine solche alleinige Anfechtungsbefugnis des anschließend in Anspruch genommenen Haftungsschuldners nicht gegeben, so konnte auch sein Bemühen um die Mitwirkung der anderen Gesellschafter, das ggf. erst im Klageverfahren hätte durchgesetzt werden müssen (vgl. oben 2 c, unter Hinweis auf BGHZ 17, 181, 187), innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 1 AO 1977) regelmäßig nicht zu einer zulässigen Anfechtung des Steuerbescheides führen. Da § 166 AO 1977 allein auf die rechtliche und nicht auf die tatsächliche Befugnis zur Anfechtung des Steuerbescheides abstellt (Tipke/Kruse, a.a.O., § 166 AO 1977 Tz. 4), kommt es auch nicht darauf an, ob im jeweiligen Einzelfall ein Bemühen des später als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafters um eine gemeinschaftliche Anfechtung des Steuerbescheides durch alle Gesellschafter der GbR noch innerhalb der Einspruchsfrist von Erfolg gewesen wäre. Der Haftungsschuldner kann deshalb, wenn er --wie im Streitfall-- nicht allein zur Vertretung der Gesellschaft befugt war, noch im Haftungsverfahren alle Einwendungen gegen den bestandskräftigen Steuerbescheid geltend machen, der seiner Inanspruchnahme zugrunde liegt.

Ende der Entscheidung

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