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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: VII R 33/00
Rechtsgebiete: MinöStV


Vorschriften:

MinöStV § 53 Abs. 1
BUNDESFINANZHOF

Der vom Verkäufer von Mineralöl bei Zahlungsunfähigkeit seines Abnehmers zu tragende Selbstbehalt in Höhe von 10 000 DM ist vom vergütungsfähigen Anspruch in Abzug zu bringen. Vergütungsfähig ist der Anspruch, der sich aus der Summe der Mineralölsteuerbeträge ergibt, die in den ausgefallenen Kaufpreisforderungen, für die jeweils alle weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV erfüllt sind, enthalten sind.


Gründe:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Mineralölhändlerin, ist mit ihren Forderungen aus Lieferungen von Dieselkraftstoff (DK) an die Firma K am 16. und 27. Oktober sowie am 7., 17. und 25. November 1995 ausgefallen, nachdem der Antrag der K auf Gesamtvollstreckung im Juli 1996 wegen Unzulänglichkeit der Masse zurückgewiesen worden ist. Den Antrag der Klägerin auf Vergütung des in diesen Forderungen enthaltenen Mineralölsteueranteils lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) ab. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Der daraufhin erhobenen Klage auf Vergütung von Mineralölsteuer, welche die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) um den Selbstbehalt von 10 000 DM auf 14 884,94 DM ermäßigt hatte, gab das FG nur hinsichtlich der am 16. Oktober 1995 erfolgten Lieferung von 6 935 Liter DK statt, was bei einem Steuersatz von 620 DM/1000 Liter einen zu vergütenden Betrag an Mineralölsteuer in Höhe von 4 299,70 DM ergibt. Hinsichtlich dieser Lieferung hielt das FG alle Vergütungsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV) vom 15. September 1993 (BGBl I, 1602) für erfüllt, wobei es auf das Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung aufgrund der konkreten Umstände des Falles --gegen den offensichtlich schon im Oktober 1995 zahlungsunfähigen Abnehmer des DK sei ein Titel innerhalb weniger Monate nicht mehr erreichbar und vollstreckbar gewesen-- glaubte verzichten zu können. Hinsichtlich der übrigen Lieferungen wies das FG die Klage ab, weil die Klägerin ihre Außenstände nicht überwacht und trotz der erkennbaren Zahlungsschwierigkeiten ihres Abnehmers weiterhin DK auf Kredit geliefert habe.

Mit der Revision wendet sich das HZA gegen seine Verurteilung zur Vergütung des der Klägerin zugesprochenen Betrags. Es rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das angefochtene Urteil beruhe auf einer falschen Auslegung der Vergütungsregelung des § 53 Abs. 1 Nr. 1 MinöStV und der dazu ergangenen Selbstbehaltrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97 (BFHE 187, 177). Das FG sei aufgrund der Reduzierung des ursprünglichen Klagebetrags in der mündlichen Verhandlung um 10 000 DM offensichtlich davon ausgegangen, dass damit dem Selbstbehalt Genüge getan sei. Das FG habe auf diese Weise den Selbstbehalt auf den infolge der Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers tatsächlich ausgefallenen Anspruch, d.h. den darin enthaltenen Mineralölsteuerbetrag, angerechnet. Richtig sei es indessen, was auch die bisherige Entscheidungspraxis des BFH zeige, den Selbstbehalt lediglich auf den vergütungsfähigen Anspruch anzurechnen. Vergütungsfähig sei der Anspruch, für den alle Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV erfüllt seien. Im Streitfall sei, da das FG hinsichtlich der übrigen streitbefangenen Lieferungen die Vergütungsfähigkeit des dabei jeweils ausgefallenen Mineralölsteueranteils wegen mangelnder Überwachung der Außenstände (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV) durch die Klägerin verneint hat, lediglich der Mineralölsteueranteil vergütungsfähig, der auf die Lieferung der 6 935 Liter DK vom 16. Oktober 1995 entfällt, weil nach Auffassung des FG lediglich hinsichtlich dieser Lieferung alle Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV erfüllt seien, mithin ein Steuerbetrag in Höhe von 4 299,70 DM. Dieser Betrag liege innerhalb des Selbstbehalts und müsse daher von der Klägerin getragen werden. Im Übrigen hätte das FG diesen Betrag auch deshalb nicht zusprechen dürfen, weil die Klägerin sich nicht nachdrücklich um die Realisierung ihrer Forderungen bemüht und insbesondere keine Maßnahmen zur gerichtlichen Verfolgung ihres Anspruchs ergriffen habe.

Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das FG der Klage der Klägerin stattgegeben hat, und zur Abweisung der Klage auch im Übrigen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat rechtsirrtümlich den sich aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 MinöStV ergebenden Selbstbehalt in Höhe von 10 000 DM auf den in den tatsächlich ausgefallenen Forderungen enthaltenen Gesamtsteuerbetrag bezogen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass für jede einzelne dieser Forderungen auch die weiteren Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV, insbesondere diejenigen der Nr. 3, erfüllt sein müssen. Die richtige Anwendung des Selbstbehalts auf den nach § 53 MinöStV vergütungsfähigen Anspruch führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass der vergütungsfähige Steuerbetrag in Höhe von 4 299,70 DM innerhalb der Grenzen des Selbstbehalts von 10 000 DM liegt und damit von der Klägerin selbst und nicht von der Allgemeinheit zu tragen ist.

1. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 187, 177 grundlegend und seitdem wiederholt entschieden hat, ist die Vergütungsregelung des § 53 Abs. 1 Nr. 1 MinöStV verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Steuerbetrag in Höhe von 10 000 DM, der bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers des Mineralöllieferanten überschritten sein muss, als echter Selbstbehalt anzusehen ist, der in jedem Fall vom Verkäufer des zum normalen Steuersatz versteuerten Mineralöls bei Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers zu tragen ist. Nur der die 10 000 DM-Grenze übersteigende Betrag an Mineralölsteuer als Bestandteil der durch die Zahlungsunfähigkeit ausgefallenen Forderung darf im Rahmen des § 53 MinöStV erstattet bzw. vergütet werden. Dies setzt aber voraus, dass auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV, insbesondere diejenigen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV, erfüllt sind und der Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht und nachgewiesen wird (§ 53 Abs. 2 MinöStV). Der Selbstbehalt in Höhe von 10 000 DM ist hiernach von dem Steuerbetrag in Abzug zu bringen, der dem Grunde nach vergütungsfähig ist, weil diesbezüglich alle Anspruchsvoraussetzungen des § 53 MinöStV erfüllt sind.

a) Von dieser Beurteilung ist der Senat, ohne dazu näher Stellung zu nehmen, auch in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgegangen. Deutlich wird dies insbesondere im Urteil vom 17. Dezember 1998 VII R 148/97 (BFHE 188, 199), in dem der Senat ausgeführt hat, dass das dort angefochtene Urteil der Vorinstanz deshalb keinen Bestand haben kann, weil "abgesehen davon" (d.h. von der Nichtbeachtung des Abzugs des Selbstbehalts) die vom dortigen Kläger beantragte Vergütung (ausgefallene Mineralölsteuer in Höhe von 27 987,90 DM) auch deshalb nicht beansprucht werden kann, "weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV nicht erfüllt sind". Da der dortige Kläger seinen sich aus vier Lieferungen ergebenden Kaufpreisanspruch nicht gerichtlich verfolgt hatte, ging er infolgedessen leer aus. Entsprechend verhielt es sich im Urteil vom 2. Februar 1999 VII R 18/98 (BFHE 188, 208), wo es allerdings an der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts fehlte.

b) Bereits die Normstruktur des § 53 Abs. 1 MinöStV zeigt deutlich, dass der Verordnungsgeber den Erstattungs-/Vergütungsanspruch von vier Voraussetzungen (Nr. 1 bis Nr. 4) abhängig gemacht hat, die kumulativ erfüllt sein müssen und gleichrangig sind. Fehlt es auch nur an einer, besteht der Anspruch nicht. Ganz deutlich wird die Struktur der Norm, wenn man von lediglich einer Lieferung Mineralöl ausgeht, hinsichtlich derer der Verkäufer mit seiner Kaufpreisforderung wegen Zahlungsunfähigkeit des Käufers ausgefallen ist. Beträgt der in der Kaufpreisforderung enthaltene Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Käufers 10 000 DM oder weniger, so scheitert der Vergütungsanspruch bereits an der ersten Voraussetzung (Nr. 1). Übersteigt der Steuerbetrag die Grenze von 10 000 DM, sind die folgenden Voraussetzungen (Nr. 2 bis 4) zu prüfen. Stellt sich dabei heraus, dass der Verkäufer z.B. keinen Eigentumsvorbehalt vereinbart hatte oder seine Außenstände nicht laufend überwacht oder nicht rechtzeitig bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung gemahnt oder seinen Anspruch nicht gerichtlich verfolgt hat (Anforderungen nach Nr. 3), entfällt mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch. Sind hingegen alle weiteren Voraussetzungen (Nr. 2 bis 4) erfüllt, steht dem Verkäufer der Vergütungsanspruch nach der genannten Rechtsprechung des BFH, da es sich bei der 10 000 DM-Grenze des § 53 Abs. 1 Nr. 1 MinöStV nicht um eine bloße Bagatellgrenze, sondern um einen echten Selbstbehalt handelt, lediglich gekürzt um diesen Selbstbehalt zu. Der Selbstbehalt ist hiernach entsprechend der Funktion und dem Wesen eines Selbstbehalts vom vergütungsfähigen Steuerbetrag in Abzug zu bringen.

Ist der Verkäufer infolge der Zahlungsunfähigkeit seines Abnehmers mit seinen Kaufpreisforderungen aus mehreren (z.B. drei) Lieferungen Mineralöl ausgefallen, vollzieht sich die Prüfung des Vergütungsanspruchs ganz entsprechend. Zunächst muss nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 MinöStV die Summe der bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in den drei ausgefallenen Kaufpreisforderungen enthaltenen Steuerbeträge mehr als 10 000 DM betragen. Ist dies nicht der Fall, scheitert der Vergütungsanspruch bereits an dieser Voraussetzung. Übersteigt der Gesamtbetrag der Steuer hingegen die 10 000 DM-Grenze, ist sodann für jede der drei ausgefallenen Forderungen (Teilforderungen) getrennt für sich zu prüfen, ob die Vergütungsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 MinöStV erfüllt sind (vgl. dazu etwa den Senatsbeschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98, BFHE 188, 217). Kann dies für jede Teilforderung bejaht werden, ist der Vergütungsanspruch gleich dem Gesamtbetrag der Steuer abzüglich des Selbstbehalts in Höhe von 10 000 DM. Fehlte es hingegen bei einer der Lieferungen auch nur an einer der Vergütungsvoraussetzungen, z.B. bei der zweiten Lieferung ist kein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden und die dritte Lieferung hätte bei ordnungsgemäßer Überwachung der Außenstände gar nicht mehr erfolgen dürfen, so wären die Teilforderungen aus der zweiten und dritten Lieferung bzw. die in ihnen enthaltenen Steuerbeträge vom Gesamtbetrag der ausgefallenen Steuer mangels Vergütungsfähigkeit auszusondern (abzuziehen). Übrig bliebe in diesem Fall der ausgefallene Steuerbetrag aus der ersten Lieferung. Da diesbezüglich alle Vergütungsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV erfüllt sind, handelt es sich bei diesem Betrag um den vergütungsfähigen Steuerbetrag. Hiervon ist der Selbstbehalt in Höhe von 10 000 DM in Abzug zu bringen; die Differenz, soweit sie positiv ist, ergibt den zuzusprechenden Vergütungsanspruch. Liegt der vergütungsfähige Steuerbetrag genau bei 10 000 DM oder sogar unterhalb dieser Grenze, steht dem Verkäufer ein Vergütungsanspruch nicht zu, weil er den Schaden nach Sinn und Zweck des Selbstbehalts selbst zu tragen hat.

c) Genau so verhält es sich im Streitfall. Zwar liegt der bei den fünf streitgegenständlichen Mineralöllieferungen der Klägerin an den Käufer K ausgefallene Steuerbetrag von insgesamt 24 884,94 DM über der Schwelle von 10 000 DM. Nach dem insoweit rechtskräftig gewordenen, weil von der Klägerin nicht angefochtenen Urteil des FG steht indes fest, dass lediglich hinsichtlich der ersten Lieferung vom 16. Oktober 1995 (6 935 Liter DK) alle weiteren Vergütungsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV erfüllt sind, während es hinsichtlich der anderen vier Lieferungen an der Vergütungsvoraussetzung der laufenden Überwachung der Außenstände (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV) seitens der Klägerin fehlt. Der vergütungsfähige Steuerbetrag aus der ersten Lieferung beträgt aber lediglich 4 299,70 DM und liegt damit innerhalb des Selbstbehalts von 10 000 DM. Der Ausfall ist folglich von der Klägerin zu tragen und kann nicht der Allgemeinheit angelastet werden.

d) Der gegenteiligen Auffassung der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Zunächst wird, anders als die Klägerin vorträgt, nach der hier dargestellten zutreffenden Berechnungsweise nicht jede einzelne Teillieferung unter den Selbstbehalt gestellt, sondern der Selbstbehalt wird nur einmal in Bezug auf den Gesamtsteuerbetrag, der freilich vergütungsfähig sein muss, in Anwendung gebracht. Die von der Klägerin befürchteten Folgen für den mittelständischen Mineralölhandel sieht der Senat daher nicht. Ferner führte die Auffassung der Klägerin, der Selbstbehalt sei, unabhängig von der jeweiligen Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV, vom tatsächlich ausgefallenen Gesamtsteuerbetrag in Abzug zu bringen, zu einer unzulässigen Umgehung der vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung des Vergütungsanspruchs und zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung desjenigen Verkäufers, der sich entgegen den strengen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV nachlässig in eigenen Angelegenheiten verhält und damit die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung verlässt, gegenüber demjenigen Verkäufer, der alles von ihm Geforderte und in seiner Macht Stehende veranlasst, um den Ausfall seiner Forderungen zu vermeiden oder doch so gering wie möglich zu halten. Nur der sorgfältige, nicht aber auch der sorglose Kaufmann, verdient die, wenn auch bescheidene, Entlastung von der Mineralölsteuer (vgl. den Senatsbeschluss vom 8. Februar 2000 VII B 269/99, BFHE 191, 179).

2. Da der Klägerin mithin bereits deshalb kein Vergütungsanspruch zusteht, weil der nach Auffassung des FG vergütungsfähige Steuerbetrag die Selbstbehaltgrenze nicht überschreitet, kann dahinstehen, ob dieser Steuerbetrag überhaupt vergütungsfähig ist, was die Revision unter Hinweis auf § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV unter dem Gesichtspunkt fehlender gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs bestreitet. Zudem ließen die vom FG dazu festgestellten Tatsachen auch keine eindeutigen Schlussfolgerungen hierzu zu.

3. Da das Urteil des FG auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war es, soweit es das HZA zur Vergütung der Steuer verurteilt hat, aufzuheben, und, da die Sache spruchreif ist, durchzuerkennen und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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