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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.12.2007
Aktenzeichen: VII R 37/06
Rechtsgebiete: AO, SteueranpassungsG


Vorschriften:

AO § 44
AO § 44 Abs. 2 Satz 1
SteueranpassungsG § 7 Abs. 3
SteueranpassungsG § 7 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als Gesellschafterin einer GbR mit Haftungsbescheid für deren Umsatzsteuerschulden in Anspruch. Der Haftungsbescheid gegen einen weiteren Gesellschafter wurde bestandskräftig. Aus der auf den Einspruch der Klägerin ergangenen Einspruchsentscheidung geht hervor, dass der Haftungsbetrag im Benehmen mit dem Ehemann der Klägerin und dem weiteren Gesellschafter entrichtet worden ist. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin sich auf die Tilgung der rückständigen Steuer durch beide Haftungsschuldner berufen hatte, ab. Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids werde nicht dadurch berührt, dass auf die Haftungsschuld gezahlt worden sei. Grundlage für die Verwirklichung des Steueranspruchs sei und bleibe der Bescheid. Denn bei einer Aufhebung des Haftungsbescheids müsse das FA dem Haftungsschuldner seine Leistung zurückerstatten.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des FG stehe im Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Mai 1983 I R 193/79 (BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544). Danach sei der Haftungsbescheid zurückzunehmen, wenn die Steueransprüche erloschen seien. Dagegen habe das FG den Haftungsbescheid bestätigt, obwohl die Steuern nachweislich bezahlt worden seien. Das FA verkenne die Tatsache, dass Steuerschuldner und Haftungsschuldner im Streitfall identisch seien. Wenn der Haftungsschuldner als Steuerschuldner oder umgekehrt die Forderung des FA beglichen habe, seien auch die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nicht mehr gegeben.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid des FA vom 10. Januar 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2001 aufzuheben.

Das FA hält die Entscheidung des FG für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen. Eine Divergenz zum BFH-Urteil in BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544 liege nicht vor, da in jener Entscheidung die GmbH als Steuerschuldnerin ihre Umsatzsteuerschulden bezahlt habe, während im vorliegenden Streitfall die rückständigen Steuern ausschließlich von den beiden Haftungsschuldnern beglichen worden seien.

II. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Haftungsbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Das FG hat --offensichtlich in der Annahme, damit der Entscheidung des BFH vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77 (BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138) zu folgen-- den Haftungsbescheid trotz zwischenzeitlich erfolgter Zahlung des anderen Haftungsschuldners nicht aufgehoben, weil das FA bei Aufhebung des Haftungsbescheids die Leistung zurückerstatten müsse.

Das trifft so nicht zu. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ergibt sich aus dem Gesamtschuldverhältnis zwischen Steuer- und Haftungsschuldner, dass die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner wirkt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 10. März 2005 VII B 307/04, BFH/NV 2005, 1474; vom 11. Juli 2001 VII R 28/99, BFHE 195, 510, BStBl II 2002, 267; vom 8. August 1991 V R 19/88, BFHE 165, 307, BStBl II 1991, 939, und in BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138). Nach dem auch unter der Geltung des § 44 AO einschlägigen Urteil des BFH in BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138 (vgl. auch Urteil in BFHE 165, 307, BStBl II 1991, 939) zu § 7 Abs. 3 und 4 des Steueranpassungsgesetzes setzt die Inanspruchnahme durch einen Haftungsbescheid deshalb voraus, dass die Steuerschuld im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids in Höhe der dort angegebenen Haftungsbeträge noch nicht ganz oder teilweise getilgt ist. Legt ein Haftungsschuldner gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein, muss das FA seine Ermessensentscheidung, ihn als Haftenden in Anspruch zu nehmen, daraufhin überprüfen, ob und ggf. in welcher Höhe die Steuerschuld noch besteht. Inzwischen eingegangenen Zahlungen des Steuerschuldners oder eines anderen Haftungsschuldners auf die Steuerschuld, die zur endgültigen Tilgung dieser Schuld geführt haben, muss das FA dadurch Rechnung tragen, dass es die Haftungsbeträge durch Änderung des Haftungsbescheids herabsetzt oder den Bescheid aufhebt. Denn der Haftungsbescheid ist wegen der Akzessorietät der Haftung insoweit "gegenstandslos" geworden. Die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist in einem solchen Fall nicht aufrechtzuerhalten. Denn maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung; ist in diesem Zeitpunkt die Steuerschuld --sei es durch Zahlung des Steuerschuldners, sei es durch Zahlung eines anderen Gesamtschuldners-- getilgt, so fehlt es an der tatbestandlichen Voraussetzung für die Inanspruchnahme des betreffenden Haftungsschuldners. Zahlungen eines anderen Haftungsschuldners kann das FA bei seiner Einspruchsentscheidung nur dann außer Betracht lassen, wenn dieser den gegen ihn ergangenen Haftungsbescheid ebenfalls angefochten hat und das Rechtsmittelverfahren noch nicht beendet ist. Denn dann muss das FA mit der Möglichkeit rechnen, dass es bei Aufhebung des Haftungsbescheids im Rechtsmittelverfahren dem anderen Haftungsschuldner seine Leistungen zurückerstatten muss, die Steuerschuld insoweit also wieder aufleben kann.

Da im Streitfall im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung die offene Steuerforderung durch den anderen Haftungsschuldner beglichen war und jener seinen Einspruch zurückgenommen hatte, durfte der Haftungsbescheid gegenüber der Klägerin nicht aufrechterhalten werden.

Ende der Entscheidung

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