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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: VII R 39/01 (1)
Rechtsgebiete: UStG, TabStG, ZollV, AO 1977


Vorschriften:

UStG § 21 Abs. 2
TabStG § 21
ZollV § 8 Satz 1
ZollV § 8 Satz 2
ZollV § 28 Abs. 1
AO 1977 § 227 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein litauischer Staatsbürger, reiste am 3. August 1998 als Beifahrer eines in Litauen zugelassenen Lastzuges über die Fähre Klaipeda/ Travemünde in die Bundesrepublik Deutschland ein. Fahrer des Lastzuges beim Grenzübertritt war ein Bekannter des Klägers, J. Der Kläger war jedoch in gleicher Weise zum Fahren des Lastzuges berechtigt. Die im Eigentum des Klägers stehende Zugmaschine war mit einem Kühlauflieger verbunden, der weder dem Kläger noch J gehörte. In diesem waren Holzpaletten verladen, die in Travemünde, wie sich aus den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Akten ergibt, zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigt worden waren. Bei einer späteren Kontrolle des Lastzuges im Autobahnrasthof ... und der anschließenden Überprüfung in der Container-Prüfanlage wurden im Dach des Kühlaufliegers in einem eigens hierfür hergerichteten Versteck 2 901 Stangen (= 580 200 Stück) unversteuerter Zigaretten aufgefunden.

Mit Steuerbescheid vom 12. August 1998, geändert durch den Steueränderungsbescheid vom 14. Dezember 1998, nahm das Hauptzollamt ..., an dessen Stelle im Laufe des Revisionsverfahrens der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) getreten ist, den Kläger unter Hinweis auf Art. 233 Unterabs. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 302/1) i.V.m. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nur noch für die Tabaksteuer in Höhe von ... DM gemäß Art. 202, 213 ZK i.V.m. § 21 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2150) i.d.F. des Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes vom 12. Juli 1996 (BGBl I, 962) als Gesamtschuldner mit J in Anspruch.

Das Amtsgericht ... lehnte mit Beschluss vom 22. Januar 1999 sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber J die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts hinsichtlich einer Steuerhinterziehung ab. Es führte aus, dem Kläger und J sei nicht zu widerlegen gewesen, dass die im Dach des Aufliegers gefundenen Zigaretten, von ihnen unbemerkt, von dritter Seite "eingearbeitet" gewesen seien, bevor der Auflieger zur Beladung der Holzpaletten angeliefert worden sei. Die Art des Verstecks sei nicht geeignet gewesen, Argwohn zu wecken.

Der Einspruch des Klägers gegen den Steuerbescheid hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999). Hingegen war seine Klage vor dem FG erfolgreich. Das FG urteilte, das HZA könne den Steuerbescheid nicht auf Art. 202 ZK stützen, weil der Kläger, obschon er als gleichberechtigter Beifahrer des LKW die Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe, die ihm obliegende Gestellungspflicht nicht verletzt habe, so dass in seiner Person keine Zoll- und damit auch keine Tabaksteuerschuld entstanden sei. § 8 Satz 2 der Zollverordnung (ZollV) vom 23. Dezember 1993 (BGBl I, 2449) i.d.F. des Art. 1 Nr. 8 der Verordnung vom 5. Juni 1998 (BGBl I, 1276), der bei versteckten Waren für die Gestellung eine ausdrückliche Mitteilung verlange, sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass nur solche Gestellungspflichtige die Mitteilungspflicht treffe, die von den versteckten Waren Kenntnis hätten oder vernünftigerweise davon Kenntnis hätten haben müssen. Der Kläger habe nach der Überzeugung des Gerichts weder Kenntnis von den versteckten Zigaretten gehabt noch hätte er diese Kenntnis bei Anstrengung aller ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten haben können. Der Kläger sei vielmehr "undoloses" Werkzeug des Hintermannes. Das Verbringen der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft durch den gutgläubigen Fahrer werde dem Hintermann kraft seines überlegenen Wissens zugerechnet, den allein auch die in § 8 Satz 2 ZollV festgelegte Mitteilungspflicht treffe. Da der Hintermann den "undolosen" Beifahrer nicht über die versteckte Ware aufgeklärt habe, handele der Hintermann selbst vorschriftswidrig mit der Folge, dass in seiner Person die Steuerschuld entstanden sei.

Mit seiner Revision rügt das HZA die Verletzung von Bundesrecht. Das FG habe § 8 Satz 2 ZollV rechtsfehlerhaft angewendet. Gestellungspflichtiger sei grundsätzlich derjenige, der die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe. Neben dem Realakt des Verbringens als tatsächliche Handlung müssten keine zusätzlichen subjektiven Tatbestandselemente erfüllt sein, um die Gestellungspflicht des Verbringers, d.h. die Pflicht, das Eintreffen der Ware den Zollbehörden mitzuteilen, zu begründen. Dem trage § 8 Satz 2 ZollV Rechnung, indem er unabhängig von den tatsächlichen Vorstellungen des Gestellungspflichtigen eine ausdrückliche Gestellungsmitteilung für versteckte oder verheimlichte Waren verlange. Anders als das FG meine, kenne der Zollkodex, Titel III, als pflichtige Person nicht die Gestalt des Hintermannes des Verbringers. Art. 40 i.V.m. Art. 38 ZK lege nur der natürlichen Person die Gestellungspflicht auf, welche die Waren in das Zollgebiet verbracht habe. Verbringer sei bei Beförderungsmitteln der Fahrzeugführer hinsichtlich aller Waren, die er im Fahrzeug mit sich führe, auch solcher, von deren Vorhandensein er keine Kenntnis habe. Die zollrechtlichen Pflichten hätten objektiven Charakter. Nur so sei der Zweck der Gestellung, die eingeführten Waren zu erfassen, zu garantieren. Schließlich sei § 8 Satz 2 ZollV wegen seines eindeutigen Wortlauts auch gar nicht interpretierbar. Mit dieser Vorschrift seien national aufgrund von § 28 Abs. 1 des Zollverwaltungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2125) die Formvorschriften erlassen worden, auf die Art. 4 Nr. 19 ZK verweise.

Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger teilt die Auffassung des FG.

Mit Beschluss vom 7. Mai 2002 VII R 39/01 (BFHE 198, 255), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Unterabs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die drei folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Ist Art. 4 Nr. 19 des Zollkodex dahin auszulegen, dass in der Mitteilung an die Zollbehörden darüber, dass sich die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Ware an dem bestimmten Ort befindet, auf versteckte oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlichte Waren ausdrücklich hinzuweisen ist?

2. Für den Fall, dass die unter Nr. 1 gestellte Frage bejaht wird:

Ist Art. 40 des Zollkodex dahin auszulegen, dass diese Mitteilung auch der Fahrer oder der gleichberechtigte Beifahrer eines Lastzuges zu machen hat, der von den in dem Lastzug versteckten oder verheimlichten Waren weder wusste noch hätte wissen müssen?

3. Für den Fall, dass die unter Nr. 2 gestellte Frage bejaht wird:

Spielt es für die Frage, wer Abgabenschuldner nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 Zollkodex geworden ist, eine Rolle, wer die (unvollständige) Mitteilung tatsächlich abgegeben hat?"

Hierauf hat der EuGH mit Urteil vom 4. März 2004 in den verbundenen Rs. C-238/02 und C-246/02 (Beilage zu BFH/NV 2004, 283) wie folgt entschieden:

"1. Die Gestellung von in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren im Sinne des Artikels 4 Nummer 19 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 [ZK] ... betrifft alle Waren, und zwar auch versteckte oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlichte Waren. Die in Artikel 38 des Zollkodex vorgesehene Gestellungspflicht gilt nach Artikel 40 des Zollkodex für den Fahrer und den Beifahrer eines Lastzuges, die diese Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht haben, auch dann, wenn die Waren ohne ihr Wissen in dem Fahrzeug versteckt oder verheimlicht wurden.

2. Die Person, die die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat, ohne sie in der Gestellungsmitteilung anzugeben, ist Abgabenschuldner im Sinne des Artikels 202 Absatz 3 erster Gedankenstrich des Zollkodex."

Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu diesem Vorabentscheidungsurteil des EuGH zu äußern. Sie halten an ihren Anträgen fest.

Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen zu Unrecht aufgehoben. Das HZA hat mit ihnen den Kläger zu Recht als Schuldner der Tabaksteuer in zutreffender Höhe in Anspruch genommen.

1. Im Streitfall ist gemäß Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a ZK eine Einfuhrzollschuld entstanden, da die Zigaretten als einfuhrabgabenpflichtige Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden sind. Die Zollschuld ist in dem Zeitpunkt des vorschriftswidrigen Verbringens in der Person des Klägers entstanden (Art. 202 Abs. 2 und 3 Anstrich 1 ZK). Gleichzeitig ist auch eine Einfuhrumsatzsteuer- und eine Tabaksteuerschuld entstanden (Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG und § 21 TabStG).

a) Kein Zweifel besteht daran, dass die im Dach des Kühlaufliegers verborgenen Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden sind. Zwar ist der Begriff des Verbringens im gemeinschaftsrechtlichen Zollrecht nicht ausdrücklich festgelegt. Vom Wortsinn her dürfte er aber dahin zu verstehen sein, dass er nicht nur voraussetzt, dass eine Ware objektiv in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangt, sondern dass er zusätzlich verlangt, dass die Ware mit menschlichem Willen, d.h. mit dem Willen einer bestimmten Person, in das Zollgebiet der Gemeinschaft befördert wird. Dabei ist es zunächst unerheblich, wer den Verbringungswillen hat, d.h. ob dies in jedem Fall derjenige ist, der die Waren wissentlich oder unwissentlich befördert, oder etwa, im Falle von versteckten oder verheimlichten Waren, von denen der Beförderer selbst keine Kenntnis hat und auch nicht haben kann, derjenige, der dem gutgläubigen Beförderer die betreffenden Waren untergeschoben hat. In jedem Fall sind die Zigaretten mit dem Willen einer bestimmten Person in das Zollgebiet gelangt und damit im Sinne der Vorschrift verbracht worden.

b) Die Zigaretten sind auch vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden. Vorschriftswidrig ist jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Art. 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich ZK (Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK). Im Streitfall ist gegen die Verpflichtung zur Gestellung der Zigaretten gemäß Art. 40 ZK verstoßen worden. Hiernach sind in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren, die unter Einhaltung der Beförderungspflicht nach Art. 38 Abs. 1 Buchst. a ZK am Amtsplatz der zuständigen Zollstelle eintreffen, von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat. Unter Gestellung ist nach Art. 4 Nr. 19 ZK die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden, zu verstehen.

§ 8 Satz 1 ZollV legt fest, dass die vorgeschriebene Mitteilung in beliebiger Form erfolgen kann. Welchen genauen Inhalt die Mitteilung haben muss, regelt das Gemeinschaftsrecht nicht ausdrücklich. Nach Sinn und Zweck der Gestellungsverpflichtung, nämlich den grenzüberschreitenden Warenverkehr in seiner Totalität zu erfassen, liegt es aber nahe, dass sich die erforderliche Mitteilung, dass eingeführte Waren am Amtsplatz sind, nicht nur auf solche Waren bezieht, zu denen die Zollbehörden unter normalen Umständen auf dem Transportmittel Zugang haben, sondern darüber hinaus auch solche Waren erfassen muss, die versteckt oder durch Anbringung besonders angebrachter Vorrichtungen verheimlicht worden sind.

Der EuGH hat in dem vom Senat eingeholten Vorabentscheidungsurteil diese Auffassung bestätigt und dazu ausgeführt, dass sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Art. 4 Nr. 19, Art. 38 Abs. 1 und Art. 40 ZK klar ergebe, dass alle in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren zu gestellen seien. Der Umstand, dass bestimmte Waren in Verstecken des Beförderungsmittels verheimlicht würden, bewirke nicht, dass sich die Gestellungspflicht --und damit die Mitteilungspflicht-- nicht auf sie erstrecke (Rdnr. 22). Solche Waren sind somit nur gestellt, wenn ihr Vorhandensein ausdrücklich mitgeteilt wird. Angesichts dieser Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH ist die in § 8 Satz 2 ZollV getroffene Anordnung, dass es hinsichtlich versteckter oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlichter Waren einer ausdrücklichen Mitteilung bedürfe, nicht zu beanstanden.

c) Problematisch erschien dem Senat in diesem Zusammenhang nur, und das war der Grund für die Vorlage an den EuGH, wer unter den besonderen Umständen des Streitfalls Gestellungspflichtiger ist und damit die geforderte Mitteilung abzugeben hat. Denn wer als Gestellungspflichtiger die Gestellungspflicht verletzt, wird Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK. Art. 40 ZK geht davon aus, dass die Person Gestellungspflichtiger ist, die die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat. Werden Waren auf einem LKW eingeführt, so ist dies regelmäßig der Führer des Beförderungsmittels bzw., wie im Streitfall, der gleichberechtigte Beifahrer, also der Kläger. Im Streitfall war der Kläger gutgläubig. Nach den Feststellungen des FG wusste er weder von den Zigaretten, die in dem Lastzug bzw. in dem Kühlauflieger verborgen waren, noch hätte er hiervon nach den gesamten Umständen wissen müssen. Ist er gleichwohl Gestellungspflichtiger nach Art. 40 ZK, wird von ihm die Mitteilung gegenüber der Zollstelle verlangt, dass sich in dem LKW verborgene Zigaretten befinden, obwohl es ihm nach seinem Kenntnisstand subjektiv unmöglich ist --objektiv unmöglich ist die Erfüllung dieser Verpflichtung allerdings nicht, da der Hintermann, der die Zigaretten versteckt hatte, eine solche Mitteilung machen könnte--, eine solche Mitteilung zu machen. An die Verletzung dieser vom Kläger nicht erfüllbaren Pflicht wird sodann als Sanktion die Entstehung der Zollschuld in der Person des Klägers geknüpft (Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK). Diese Konstruktion erschien dem Senat aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich, da es jedenfalls dem nationalen Steuerrecht grundsätzlich fremd ist, an eine vom Pflichtigen subjektiv nicht erfüllbare Anmelde- bzw. Mitteilungspflicht die Entstehung einer Steuerschuld zu knüpfen (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 12. Juli 1999 VII B 2/99, BFH/NV 2000, 99, mit dem der Senat in einer vergleichbaren Situation Prozesskostenhilfe gewährt hat).

Der EuGH ist auf diese Bedenken in seiner Vorabentscheidung allerdings nicht eingegangen. Er schließt bereits aus dem Wortlaut des Art. 40 ZK, dass gestellungspflichtig all die Personen sind, die die Herrschaft über das Beförderungsmittel im Zeitpunkt der Verbringung haben, nämlich der Fahrer, der das Fahrzeug lenkt, und sein Beifahrer oder Ersatzmann, sofern er sich im Fahrzeug befindet, sowie jede andere sich im Fahrzeug befindende Person, wenn sie nachweislich hinsichtlich der Verbringung der Waren die Verantwortung trägt (Rdnr. 23 der Vorabentscheidung). Damit wird gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass ein möglicher Hintermann, der das Geschehen lenkt, im Gegensatz zu den Vorstellungen des Senats in seinem Vorlagebeschluss und der Auffassung des FG in dem angefochtenen Urteil nicht gestellungspflichtig ist, wenn er sich nicht mit im Fahrzeug befindet. Zwangsläufig --so folgert der Senat-- wird damit neben dem gestellungspflichtigen Fahrer auch der gestellungspflichtige Beifahrer, der keine Mitteilung über die ohne sein Wissen im Fahrzeug versteckten oder verheimlichten Waren macht, Zollschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK, selbst wenn andere Personen für dieselben Waren aufgrund anderer Bestimmungen des Art. 202 ZK zu Abgabenschuldnern erklärt werden können (vgl. Rdnr. 28 und 29 der Vorabentscheidung). Unbeachtlich ist dabei, welche der beiden gestellungspflichtigen Personen im Streitfall tatsächlich die unvollständige Gestellungsmitteilung abgegeben hat. Denn beide Personen, Fahrer und Beifahrer, waren zur Abgabe der vollständigen, d.h. auch die verheimlichten Waren umfassenden Mitteilung verpflichtet.

Der Senat ist an diese Auffassung des EuGH gebunden. Die Abweichung des Zollrechts von den im nationalen Steuerrecht gängigen Grundsätzen könnte darin ihre Rechtfertigung finden, dass es, wie die Kommission ausgeführt hat (vgl. Rdnr. 20 der Vorabentscheidung), eines der Ziele der Art. 4 Nr. 19, Art. 40 und 202 ZK sei, eine ganz bestimmte Verantwortlichkeit den Personen aufzuerlegen, die ein Transportmittel in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrächten, das geeignet sei, Waren zu enthalten. Zur Gewährleistung einer wirksamen Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs in seiner Gesamtheit trifft damit alle Führer und mitfahrende Ersatzführer eines Beförderungsmittels, die damit Waren in die Gemeinschaft einführen, eine Art Garantiehaftung, wenn sich herausstellt, dass man ihrem Beförderungsmittel Waren untergeschoben hat, von denen sie keine Kenntnis hatten und trotz Anstrengung aller Kräfte auch keine Kenntnis haben konnten. Aufgrund dieser Erwägung stellt der Senat noch etwa bestehende verfassungsrechtliche Zweifel an dieser zollrechtlichen Regelung zurück. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes sind nicht erfüllt.

2. Damit steht für den Streitfall fest, dass der Kläger als Ersatzführer (Beifahrer im Zeitpunkt des Grenzübertritts) des LKW Gestellungspflichtiger war und infolge der objektiven Verletzung dieser Pflicht Zoll- und Abgabenschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG und § 21 TabStG geworden ist. Die Zollschuld und die Einfuhrumsatzsteuerschuld sind gemäß Art. 233 Unterabs. 1 Buchst. d ZK, § 21 Abs. 2 UStG infolge der Beschlagnahme der Zigaretten bei dem vorschriftswidrigen Verbringen und deren späterer Einziehung wieder erloschen, nicht jedoch die Tabaksteuerschuld, da hier die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften im Falle des Erlöschens der Zollschuld durch Einziehung nach dem ausdrücklichen Vorbehalt in § 21 TabStG ausgeschlossen ist. Diese Regelung ist wegen der damit vom Gesetzgeber bezweckten Sanktions- und Präventionswirkung nicht zu beanstanden (Senatsbeschluss vom 7. Mai 2002 VII B 184/01, BFH/NV 2002, 1186). Gegen die Höhe der festgesetzten Tabaksteuer hat der Kläger keine Einwände vorgebracht.

Nicht zu beanstanden ist auch die Inanspruchnahme des Klägers als Gesamtschuldner neben dem im Zeitpunkt des Verbringens als Fahrzeugführer agierenden J (Art. 213 ZK). Weitere Gesamtschuldner sind nach den Umständen nicht ersichtlich bzw. waren nicht ermittelbar. Da die beiden in Anspruch genommenen Gesamtschuldner gleichrangig sind --keiner von ihnen wusste von den verborgenen Zigaretten--, bedurfte die Ausübung des Auswahlermessens durch das HZA keiner weiteren Begründung.

Da das FG in dem angefochtenen Urteil von anderen, der Vorabentscheidung des EuGH entgegenstehenden Grundsätzen ausgegangen und daher zu einem dieser Entscheidung entgegengesetzten Ergebnis gekommen ist, war es aufzuheben und die Klage abzuweisen.

3. Die Rigidität des gefundenen Ergebnisses, das auch nach Auffassung der Kommission möglicherweise exzessiv erscheinen mag, aber sich gemeinschaftsrechtlich aufgrund des objektiven Charakters der Zollschuldentstehungsvorschriften ergibt (vgl. die Stellungnahme der Kommission in dem Vorabentscheidungsverfahren vom 31. Oktober 2002 Rdnr. 30), und national durch die vom Gesetzgeber beabsichtigte Sanktions- und Präventionswirkung des § 21 TabStG vertieft wird, kann im Einzelfall nur durch Anwendung der allgemeinen Billigkeitsregelungen, wie sie in Art. 239 ZK bzw. § 227 der Abgabenordnung --AO 1977-- (vgl. § 21 Satz 2 TabStG, angefügt durch Art. 1 Nr. 5 des Zwölften Euro-Einführungsgesetzes vom 16. August 2001, BGBl I, 2081) vorgesehen sind, also im Rahmen der Regelungen von Erlass bzw. Erstattung, korrigiert werden. Dies hält auch die Kommission (a.a.O.) im Streitfall für möglich. Der Kläger hat nach Aktenlage einen Erstattungsantrag gestellt; er ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem es allein um die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung geht.

Ende der Entscheidung

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