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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.06.1998
Aktenzeichen: VII R 46/97
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Beklagte und Revisionsklägerin (die Oberfinanzdirektion --OFD--) erteilte der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) am 29. Juni 1994 eine verbindliche Zolltarifauskunft --vZTA-- für ein Lichtraster aus Aluminium, das aus Gitterelementen mit geschlitzten und lackierten Aluminiumbändern (ca. 13 mm breit) mit einer Wabengröße von ca. 12 x 12 mm, in universeller Plattengröße besteht. Nach der der vZTA beigefügten Abbildung hat die Ware die Bezeichnung Alu, weiß/p, 13 mm. Die OFD wies die Lichtraster der Unterposition 7610 90 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) 1994 zu (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 1996).

Die Klage, mit der die Einreihung der Ware in die Position 9405 KN --Beleuchtungskörper und Teile davon-- begehrt wurde, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide klageantragsgemäß und führte in seinem in der Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1997, 388 veröffentlichten Urteil vom 2. Dezember 1996 zur Begründung u.a. aus, daß es sich bei dem Lichtraster wegen seiner lichtreflektierenden Oberfläche und der besonders gearteten Wabenform um einen erkennbaren Teil eines Beleuchtungskörpers im Sinne der Unterposition 9405 99 90 KN handele.

Die OFD vertritt in ihrer Revision die Auffassung, daß die Ware entgegen dem Wortlaut der Position und unter Verstoß gegen die Allgemeinen Vorschriften 1 und 3 vom FG in die Unterposition 9405 99 90 KN eingereiht worden sei. Bei der Ware handele es sich nicht um einen Teil eines Beleuchtungskörpers, da die Raster keine spezifischen Merkmale aufwiesen, die den Schluß zuließen, daß es sich um Beleuchtungskörperelemente handeln könne. Das FG habe die Argumente der Klägerin zu dem parabolischen und hochglänzenden Raster AP 25 fälschlicherweise mit in den Tatbestand aufgenommen und demzufolge auch zu Unrecht in der Entscheidung berücksichtigt.

Die OFD beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die streitige Ware weise besondere Eigenschaften auf, weshalb das FG zu Recht davon ausgegangen sei, daß es sich um erkennbare Teile von Beleuchtungskörpern handele, und die Einreihung in die Position 9405 vorgenommen habe.

II. Die Revision der OFD ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG ist nicht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Klägerin angegriffene vZTA rechtswidrig und die davon erfaßte Ware in die Unterposition 9405 99 90 KN einzureihen ist. Die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen sind hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware widersprüchlich, so daß der Senat nicht entscheiden kann, ob die streitigen Lichtraster aus Aluminium (Gitterelemente aus geschlitzten und lackierten Aluminiumbändern, ca. 13 mm breit) mit einer Wabengröße von ca. 12 x 12 mm, in universeller Plattengröße, zu Recht von der OFD mit der am 29. Juni 1994 erteilten vZTA in die Unterposition 7610 90 90 KN (Konstruktionsteile aus Aluminium) eingereiht wurden oder ob der Auffassung der Klägerin zu folgen ist, die eine Einreihung der Ware in die Unterposition 9405 99 90 KN begehrt.

1. Die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts muß die Tatsachen enthalten, die erforderlich sind, um prüfen zu können, ob eine entscheidungserhebliche Rechtsnorm rechtsfehlerfrei angewandt worden ist. Denn es ist Aufgabe des Revisionsgerichts, die Anwendung des Rechts auf den Einzelfall nachzuprüfen, und zwar dahin, ob die Rechtsanwendung auf diesen Sachverhalt fehlerfrei erfolgt ist.

Sind die erforderlichen Angaben widersprüchlich oder unklar, ist die Nachprüfung unmöglich, mit der Folge, daß das angefochtene Urteil aufgehoben werden muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Oktober 1988 VII R 17/85, BFH/NV 1989, 464, m.w.N.). Ob die tatsächlichen Angaben mangelhaft sind, ist aufgrund der Voraussetzungen zu prüfen, von denen die fehlerhafte Anwendung einer Rechtsnorm abhängig ist. Fehlt es an den dazu erforderlichen Feststellungen oder sind diese widersprüchlich, so ist dies ein materiell-rechtlicher Fehler in der Urteilsfindung, den das Revisionsgericht auch ohne ausdrückliche Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen hat (BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979).

2. Das Urteil des FG enthält widersprüchliche Feststellungen, die eine revisionsrechtliche Überprüfung der Entscheidung nicht zulassen.

Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, welche Ware das FG seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum das FG die Lichtraster aus Aluminium (Gitterelemente aus geschlitzten und lackierten Aluminiumbändern, ca. 13 mm breit) mit einer Wabengröße von ca. 12 x 12 mm, in universeller Plattengröße, nicht wie die OFD entsprechend der vZTA vom 29. Juni 1994 in die Unterposition 7610 90 90 KN (Konstruktionsteile aus Aluminium) eingereiht hat, sondern der Auffassung der Klägerin gefolgt ist und die Ware der Unterposition 9405 99 90 KN zugewiesen hat.

a) Hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware verwendet das FG Bezeichnungen und Begriffe, die nur den Schluß zulassen, daß das FG nicht von der Ware ausgegangen ist, die Gegenstand der hier streitigen vZTA ist. Anders als in der vZTA, in der die OFD entsprechend dem Antrag der Klägerin von einem Aluminiumraster (lt. Anlage auf der Rückseite der vZTA: weiß/p, Wabengröße 12 x 12 mm) ausgegangen ist, enthält das Urteil des FG Feststellungen zu zwei von der Klägerin angebotenen Produkten (P 13 und AP 25), die beide nicht mit der Beschreibung der Ware im Antrag der Klägerin auf Erteilung einer vZTA übereinstimmen. Das FG ist offensichtlich aufgrund des (fälschlicherweise) von der Klägerin vorgelegten Prospektmaterials davon ausgegangen, daß die Ware P 13 (Wabengröße 13 x 13 mm) mit der in der vZTA als Alu, weiß/p, 13 mm beschriebenen Ware identisch ist. Daß es sich bei P 13 und der in der vZTA beschriebenen Ware um zwei völlig verschiedene Produkte handelt, hat das FG übersehen, obwohl sich dies ohne weiteres aus den im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten ausführlichen Produktbeschreibungen im Prospektmaterial der Klägerin und den Warenbeschreibungen im Sachverständigengutachten ergibt. Danach weist das Raster P 13 eine parabolische Form jedes einzelnen Steges und eine im Hochvakuum aufgedampfte Metallisierung auf und besteht aus Kunststoff. Die vZTA hingegen ist für ein Lichtraster aus Aluminium mit Gitterelementen aus geschlitzten und lackierten Aluminiumbändern (ca. 13 mm breit) mit einer Wabengröße von ca. 12 x 12 mm erteilt worden. Das Raster besteht nach der Abbildung in der Anlage zur vZTA, auf die in der vZTA ausdrücklich Bezug genommen ist, außerdem aus geraden Gitterstrukturen.

Der unzutreffende Ausgangspunkt des FG wird anhand der im Tatbestand des Urteils verwendeten Formulierung "die Ware P 13 verfügt über eine Wabengröße von etwa 13 x 13 x 11 mm und besteht aus Aluminiumbändern" deutlich. Das FG ist demnach bei seiner Entscheidung von einer Ware ausgegangen, die ausweislich des Firmenprospekts gar nicht existiert, da das Produkt P 13 gerade nicht aus Aluminium besteht. Demgegenüber hat das Raster Alu weiß/p eine weiße Beschichtung und wohl auch keine glänzende Oberfläche. Außerdem geht das FG in seinem Tatbestand noch auf eine weitere Warenbeschreibung, nämlich auf das Raster AP 25 (für das die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ein Muster eingereicht hat) ein, obwohl dieses Produkt nicht Gegenstand der in Rede stehenden vZTA ist, sondern von einem anderen --bereits bestandskräftigen-- Bescheid erfaßt worden ist.

b) Die widersprüchlichen Tatbestandsfeststellungen werden auch nicht durch klare und eindeutige Entscheidungsgründe ausgeräumt, die den Schluß zuließen, daß das FG der Ware nur eine unrichtige Bezeichnung zugeordnet haben könnte und im übrigen von den zutreffenden Beschaffenheitsmerkmalen ausgegangen ist. Auch die Entscheidungsgründe deuten darauf hin, daß das FG davon ausgegangen ist, die vZTA sei für das Aluminiumprodukt P 13 erteilt worden. Die Begründung des FG, bei dem Produkt handele es sich wegen der lichtreflektierenden Oberfläche und der quadratischen Wabenform des Rasters erkennbar um einen Teil eines Beleuchtungskörpers, läßt ausdrücklich offen, welches Produkt das Gericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, da die beiden vom FG genannten Merkmale für eine Vielzahl der klägerischen Waren einschlägig sind. Die Erwägungen des FG bestärken den Senat darin, daß das FG die Ware nicht nur falsch bezeichnet hat, sondern von unzutreffenden Beschaffenheitsmerkmalen ausgegangen ist. Das zeigt sich auch daran, daß das FG nicht erwähnt, daß das Produkt eine weiß beschichtete Oberfläche mit einer Wabengröße von 12 x 12 mm besitzt. Ferner hat das FG unberücksichtigt gelassen, daß die streitbefangene Ware gerade Gitterstrukturen und keine parabolische Form besitzt. Die widersprüchlichen Tatbestandsfeststellungen wurden demnach --aus der Sicht des FG folgerichtig-- in die Entscheidungsgründe übernommen, und somit letztlich eine Tarifierungsentscheidung getroffen, die keinen Bezug zu der erteilten vZTA hat. Daß das FG in seiner Begründung außerdem auf die besondere konkave Wabenform des Rasters AP 25 eingeht, ohne deutlich zu machen, welche Bedeutung dieser Umstand für die Beurteilung der streitbefangenen Ware haben soll, belegt, daß das FG die verschiedenen Produkte der Klägerin nicht mit der gebotenen Trennschärfe behandelt und ihnen jeweils die zutreffenden Beschaffenheitsmerkmale zugeordnet hat. Daher ist die vZTA vom FG zu Unrecht aufgehoben worden.

3. Da die vom FG vorgenommene Einreihung in die Unterposition 9405 99 90 KN nicht durch ausreichende Feststellungen gedeckt ist, beruht das Urteil auf einem Mangel in der Urteilsfindung und ist wegen fehlerhafter Anwendung sachlichen Rechts aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG das Klagebegehren --unter Berücksichtigung der weiteren Einwände der OFD-- insgesamt noch einmal zu überprüfen haben.



Ende der Entscheidung

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