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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.08.2004
Aktenzeichen: VII R 50/02
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 3665/87, CMR, VwVfG, FGO


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 16 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 18 Abs. 3
VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 23 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 47 Abs. 2
CMR Art. 6
VwVfG § 25
VwVfG § 28
VwVfG § 45
VwVfG § 46
FGO § 100 Abs. 1
FGO § 118 Abs. 2
1. "Beförderungspapier" i.S. des Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 ist nur eine über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellte Urkunde, die den ganzen Transportweg abdeckt, nicht auch ein Dokument, aus dem lediglich hervorgeht, dass die Ware an einen Frachtführer übergeben worden ist. Eine lediglich von dem Frachtführer unterzeichnete Übernahmequittung auf dem CMR-Formular genügt als Nachweis der Beförderung der Erstattungsware zum Drittlandsempfänger deshalb nicht.

2. Es bleibt offen, ob eine etwaige Verletzung sich für das HZA aus § 25 VwVfG ergebender Verfahrenspflichten dazu führt, dass trotz Fehlens der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Erstattungsvoraussetzungen Ausfuhrerstattung zu gewähren ist.


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ im März 1996 verschiedene Sorten Käse zur Ausfuhr nach Serbien abfertigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) gewährte der Klägerin für die Waren antragsgemäß Ausfuhrerstattung als Vorschuss. Im März 1997 beantragte die Klägerin beim HZA Fristverlängerung für die Vorlage des Verzollungsnachweises, weil sie diesen trotz intensiver Bemühungen ihres Handelsvertreters vor Ort bisher nicht erhalten habe. Zum Nachweis dafür legte sie entsprechende Unterlagen vor. Zugleich legte die Klägerin die Kopie eines Frachtbriefes und später auch das serbische Zolldokument sowie die vom HZA angeforderte Übersetzung eines darauf befindlichen Zollstempels vor. Das HZA lehnte jedoch den Antrag auf Fristverlängerung ab, setzte mit dem angefochtenen Änderungsbescheid vom ... 1998 die zu gewährende Ausfuhrerstattung wegen Überschreitung der Frist zur Vorlage der Zolldokumente auf 0 DM fest und forderte den vorschussweise gewährten Betrag zuzüglich eines Zuschlags von 15 % zurück. Während des nach erfolglosem Einspruch eingeleiteten Klageverfahrens hat das HZA darauf hingewiesen, dass in dem vorgelegten Frachtbrief Name und Anschrift des Frachtführers nicht vermerkt seien und dieser Umstand ebenfalls erstattungsschädlich sei; die Klägerin hat daraufhin den Frachtführer und seine Anschrift nachträglich benannt.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der angefochtene Bescheid sei nicht rechtmäßig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, weil das HZA den Antrag auf Fristverlängerung für die Vorlage der Zolldokumente nicht hätte ablehnen dürfen. Ob im Hinblick auf die nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) erforderliche Vorlage der Durchschrift oder der Fotokopie des Beförderungspapiers zu fordern sei, dass der CMR-Frachtbrief einen Eintrag des Namens und der Anschrift des Frachtführers im Feld 16 enthalten müsse, könne offen bleiben, weil die Klägerin unverzüglich nach dem Hinweis des HZA auf diesen fehlenden Eintrag die entsprechenden Angaben nachgereicht und einen etwaigen Mangel damit geheilt habe. Dass dieser Nachtrag erst nach Ablauf der Frist des Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 erfolgt sei, stehe dem Erstattungsantrag der Klägerin nicht entgegen, weil das HZA während des gesamten vorangegangenen Zeitraums das Fehlen des Eintrags in Feld 16 des Frachtbriefs nicht bemerkt und dieser Umstand somit offenbar keine Auswirkungen auf die im Erstattungsverfahren getroffene Entscheidung gehabt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des HZA, das meint, der Mangel des vorgelegten Beförderungspapiers habe auch durch unverzügliche Benennung des Frachtführers nicht geheilt werden können. Diese Mitteilung genüge nämlich nicht den Formvorschriften des Erstattungsrechts, das die Vorlage einer Durchschrift oder Fotokopie des vorschriftsgemäß ausgefüllten Beförderungspapiers verlange. Ebenso wenig könne der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vorgelegte Frachtbrief, obgleich er an sich den verordnungsrechtlichen Anforderungen an das Beförderungspapier entspreche, berücksichtigt werden und einen Anspruch der Klägerin auf Ausfuhrerstattung begründen.

Die Klägerin meint, dem Frachtbrief solle nicht zuviel Bedeutung beigemessen werden, weil er überhaupt nicht den Zweck erfülle, den erforderlichen Nämlichkeitsnachweis, dass die ausgeführte Ware bei dem Empfänger angekommen sei, zu erbringen; dieser werde in der Praxis vornehmlich über die Packliste, das Ursprungszeugnis, das Veterinärzertifikat, ein durch den drittländischen Zoll erledigtes Carnet TIR sowie durch den Abgleich von zollamtlich behandelter Ausfuhr- und Einfuhranmeldung geführt. Die in Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 geregelte Vorlagefrist sei im Übrigen keine Ausschlussfrist.

Ferner stützt die Klägerin ihre Klage darauf, dass das HZA unzulässigerweise Gründe nachgeschoben habe, indem es erst im Klageverfahren die Begründung für den Änderungsbescheid ausgewechselt habe und nunmehr auf die Vorlage eines unzureichenden Beförderungspapiers abstelle. Hierdurch werde dem Erstattungsbeteiligten die Möglichkeit einer wirksamen Rechtsverteidigung genommen, weil er einem diesbezüglichen Einwand wegen Ablaufs der Jahresfrist des Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 nicht mehr wirksam begegnen könne. Er gerate in diese Situation zudem, weil das HZA seine Pflichten aus §§ 25 und 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verletzt habe und sich folglich treuwidrig verhalte, wenn es auf das fehlende Beförderungspapier abstelle.

II.

Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den angefochtenen Änderungsbescheid zu Unrecht als rechtswidrig beurteilt. Die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 für die Rückforderung der vorschussweise gewährten Ausfuhrerstattung liegen vor, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Ausfuhrerstattung für die in Rede stehenden Erzeugnisse hat.

1. Nach Art. 16 Abs. 1, Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 ist bei je nach Bestimmung unterschiedlichen Erstattungssätzen (differenzierter Erstattung) die Zahlung der Erstattung u.a. von der Bedingung abhängig, dass der Ausführer in allen Fällen eine Kopie oder Fotokopie des Beförderungspapiers vorlegt. Diese Bedingung hat die Klägerin im Streitfall nicht erfüllt, in dem es um die Gewährung einer Erstattung für Erzeugnisse geht, für die je nach Bestimmung unterschiedliche Erstattungssätze festgelegt sind. Denn der von der Klägerin innerhalb der in Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 vorgeschriebenen Frist vorgelegte "CMR-Frachtbrief" wird den Anforderungen an das von Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 verlangte Beförderungspapier nicht gerecht.

Wie der Senat bereits ausgeführt hat (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2000 VII B 23/00, BFH/NV 2000, 1510), ist mit dem nach Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 erforderlichen Beförderungspapier eine über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag (§ 407 des Handelsgesetzbuchs --HGB--) ausgestellte Urkunde (z.B. § 408 HGB) gemeint. Dabei muss das Beförderungspapier bzw. müssen die Beförderungspapiere insgesamt den ganzen Transportweg abdecken. Es reicht nicht aus, wenn nur für einzelne Teilstrecken ein Beförderungspapier oder wenn gar nur ein Dokument vorgelegt wird, aus dem lediglich hervorgeht, dass die Ware an einen Frachtführer übergeben worden ist. Denn bei Beförderung der Ware außerhalb des Gemeinschaftsgebiets lässt sich allein auf Grund des Beförderungspapiers der Transport verfolgen und damit der Nachweis erbringen, dass die nämliche Ware, für die die Ausfuhrerstattung beansprucht wird, das Bestimmungsland in unverändertem Zustand (Art. 17 VO Nr. 3665/87) erreicht hat.

Im grenzüberschreitenden Verkehr kommt als Beförderungspapier der CMR-Frachtbrief in Betracht, der nach Maßgabe des Übereinkommens vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr --CMR-- (BGBl II 1961, 1120) auszustellen ist. Das FG ist, ohne dies näher auszuführen, davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in Kopie (fristgerecht) vorgelegte Urkunde ein solches Beförderungspapier i.S. des Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 darstellt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar handelt es sich bei der vorgelegten Kopie um ein nach dem für einen CMR-Frachtbrief vorgeschriebenen Muster ausgestelltes Dokument. Die Urkunde verbrieft jedoch keinen Frachtvertrag zwischen der Klägerin und dem Frachtführer und auch keinen Frachtvertrag, der zwischen diesem und dem Käufer der Ausfuhrware abgeschlossen worden ist, sondern stellt lediglich eine Quittung (§ 368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) darüber dar, dass die Ware durch eine (offenbar vom Käufer beauftragte) Person übernommen worden ist (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl., § 409 Rdnr. 4). Das stellt die Klägerin auch selbst nicht in Frage, welche vielmehr die betreffende Urkunde treffend als Übernahmequittung gekennzeichnet hat.

Der vermeintlich als Beförderungspapier anzusehende Frachtbrief enthält nämlich die in Art. 6 Abs. 1 des vorgenannten Übereinkommens vorgesehenen Angaben nur teilweise; es fehlen insbesondere schon Name und Anschrift des Frachtführers --wenn auch die Klägerin diese Angaben später nachgereicht hat-- sowie die Angaben über die mit der Beförderung verbundenen Kosten (vgl. Art. 6 Abs. 1 Buchst. i des Übereinkommens), ferner und vor allem die in Feld 24 des CMR-Formulars vorgesehene Bestätigung des Empfängers, das Gut erhalten zu haben. Deshalb bezeugt das Dokument, wie auch die anstelle des Frachtführers enthaltene Angabe "Selbstabholung" sowie die Abhol-Klausel "unfrei ab Werk ..." verdeutlichen, nicht den Abschluss eines Frachtvertrages, sondern lediglich, dass ein --unterzeichneter, aber namentlich nicht benannter-- Frachtführer die Erstattungsware im Werk der Klägerin abgeholt hat. Das genügt aber nicht als Nachweis der Beförderung zum Drittlandsempfänger, um den es bei der Vorlage des Beförderungspapiers geht. Die eigene Darstellung der Klägerin zur Abwicklung der Lieferung bestätigt die Richtigkeit jener Schlussfolgerung. Denn danach ist ein Beförderungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Frachtführer nicht geschlossen worden, die Klägerin mithin auch nicht Absender i.S. des Übereinkommens, sondern lediglich Abholstelle (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 28. April 1988 I ZR 32/86, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1988, 3095). Dementsprechend hätte in Feld 22 der Stempel oder die Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers, also des drittländischen Abnehmers der Klägerin, angebracht werden müssen, woran es fehlt; dort ist vielmehr die Klägerin (maschinenschriftlich) aufgeführt.

Ob eine erst nach Ablauf der in Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 festgesetzten Frist erfolgte Ergänzung des Frachtbriefes um Angaben, die in ihm hätten enthalten sein müssen --hier: die Mitteilung von Name und Anschrift des Frachtführers-- trotz Fristablaufs noch berücksichtigt werden könnte oder ob einzelne für die vorgenannte Beurkundungsfunktion unwesentliche Mängel des Frachtbriefes dessen Anerkennung als "Beförderungspapier" unter Umständen nicht entgegenstehen, ist nach alledem nicht zu entscheiden, weil das vorgelegte Papier auch nach Ergänzung durch Angaben der Klägerin zum Frachtführer ungeeignet ist, den Transport der Ausfuhrware vom Herstellerwerk zu dem drittländischen Abnehmer zu bezeugen. Im Übrigen hat der Senat bereits entschieden (Beschluss in BFH/NV 2000, 1510), dass es sich bei dem Beförderungspapier um die Urkunde handele, die über den den Transport betreffenden Frachtvertrag --mag dieser zivilrechtlich wirksam sein oder nicht, was in diesem Zusammenhang selbstredend ohne Belang ist-- ausgestellt worden ist. Nicht darunter sei deshalb ein "Sekundärpapier" zu verstehen, das von einem nicht an dem Frachtvertrag beteiligten Dritten ausgestellt ist und die Durchführung eines bestimmten Transportes nur bezeugt.

Wie in den denkbaren Fällen, dass der drittländische Empfänger die Erstattungsware selbst, d.h. mit eigenen Transportmitteln, bei dem Ausführer abholt, ein Beförderungsvertrag mit einem Dritten also nicht abgeschlossen wird, der Forderung der VO Nr. 3665/87 nach Vorlage des Beförderungspapiers nachzukommen ist, braucht der Senat hier ebenso wenig zu entscheiden, weil ein solcher Fall nicht vorliegt. Denn es handelt sich unbeschadet der Angabe "Selbstabholung" in dem Frachtbrief, welche offenbar die Beauftragung des Frachtführers durch den Empfänger kennzeichnen soll, nicht um einen Fall "echter" Selbstabholung in einer Weise, bei der ein Frachtbrief oder ein sonstiges Beförderungspapier nicht ausgestellt worden ist.

2. Der Senat ist nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO daran gebunden, dass das FG die in Rede stehende Kopie als die Kopie eines CMR-Frachtbriefs angesehen hat. Denn die Auslegung des in einer Urkunde Erklärten ist nicht Tatsachenfeststellung, sondern Rechtsanwendung, die im Revisionsverfahren zu überprüfen ist. Das gilt auch, wenn das FG wie im Streitfall hierzu überhaupt nichts ausgeführt hat. Erforderlich ist nur, dass die Tatsacheninstanz die notwendigen Feststellungen getroffen hat, die eine Auslegung durch den Bundesfinanzhof (BFH) ermöglichen. Das aber ist durch die Bezugnahme des FG auf die von der Klägerin vorgelegte und in den Akten befindliche Kopie der betreffenden Urkunde geschehen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rdnr. 24, m.w.N.).

3. Mit der Vorlage des in der mündlichen Verhandlung präsentierten, vom Erwerber der Ware herbeigeschafften Frachtbriefes hat die Klägerin neuen Tatsachenstoff in das Verfahren eingeführt. Das ist im Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich unzulässig. Das Revisionsgericht hat vielmehr von der Sachlage auszugehen, über die das FG geurteilt hat. Demzufolge stellt sich von vornherein auch nicht die Frage, ob der jetzt präsentierte Frachtbrief trotz Überschreitung der gemeinschaftsrechtlichen Vorlagefrist (Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87) berücksichtigt werden könnte, d.h. das Verstreichen der Vorlagefrist ohne Vorlage der erforderlichen Dokumente nicht zum Verlust des Erstattungsanspruches führt, wie die Klägerin offenbar meint.

4. Der Umstand, dass das HZA zunächst das vorgelegte angebliche "Beförderungspapier" unter den von dem erkennenden Senat für wesentlich gehaltenen Gesichtspunkten nicht bzw. nur wegen der ungenügenden Angaben über den Frachtführer beanstandet hat, rechtfertigt es nicht, der Klägerin die ihr als Vorschuss gewährte Ausfuhrerstattung endgültig zu belassen.

§ 28 VwVfG, aus dem die Klägerin dies offenbar herleiten will, ist von vornherein nicht einschlägig, weil er den Fall der Ablehnung eines Antrages auf Gewährung einer Vergünstigung nicht betrifft (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 28 Rdnr. 26, mit Rechtsprechungsnachweisen). Aber auch § 25 VwVfG kommt der Klägerin nicht zugute, weil die Vorlage des Beförderungspapiers nicht im Sinne dieser Vorschrift --aus der insofern maßgeblichen Sicht des HZA-- offensichtlich nur versehentlich bzw. aus Rechtsunkenntnis unterblieben ist, sondern das HZA davon ausgehen konnte, dass die mit den Vorschriften des Erstattungsrechts vertraute Klägerin das vorgelegte Papier nach Prüfung für ausreichend hielt, den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu genügen.

Der Senat kann, da die Anwendung der Vorschrift schon daran scheitert, unerörtert lassen, ob § 25 VwVfG vom HZA verlangt, die ihm eingereichten Unterlagen vor Ablauf etwaiger Fristen zu prüfen, um dem Erstattungsantragsteller ggf. eine Vervollständigung seiner Antragsunterlagen vor Fristablauf zu ermöglichen, ob es dies umfassend auch dann tun muss, wenn --wie im Streitfall-- aus seiner Sicht bestimmte andere Mängel der Erstattungsgewährung --hier: die zunächst fehlende Verzollungsbescheinigung-- ohnehin entgegenstehen, und ob eine etwaige Verletzung sich aus § 25 VwVfG ergebender Verfahrenspflichten des nationalen Rechts dazu führen würde, dass trotz Fehlens der gemeinschaftsrechtlich festgelegten Erstattungsvoraussetzungen Ausfuhrerstattung zu gewähren ist. Ebenso kann offen bleiben, ob eine Pflichtverletzung des HZA einen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides auslöste oder dem § 46 VwVfG entgegenstünde, weil die Klägerin ein den Anforderungen des Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 entsprechendes Beförderungspapier offenbar zunächst nicht besaß und folglich auch auf Hinweis des HZA nicht fristgerecht hätte vorlegen können.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG nicht zu entnehmen, dass das HZA gehindert war, den angefochtenen Änderungsbescheid noch im Klageverfahren auf eine andere Begründung zu stützen. Ein gebundener Verwaltungsakt, um den es sich im Streitfall handelt, kann noch im finanzgerichtlichen Verfahren auf eine andere Begründung gestützt werden --das gilt sogar für die nachträgliche Angabe einer anderen Rechtsgrundlage--, soweit dadurch sein Wesen nicht verändert wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Beschluss vom 5. Februar 1993 7 B 107.92; Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 316, § 45 VwVfG Nr. 23). Denn das FG muss den Bescheid nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO anhand seines Tenors ohnehin und zwar sogar selbständig daraufhin überprüfen, ob er rechtswidrig ist und den Beteiligten in seinen Rechten verletzt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1984 II R 87/82, BFHE 141, 569, BStBl II 1984, 840; BVerwG-Urteil vom 19. August 1988 8 C 29.87, BVerwGE 80, 96; Schmidt-Troje in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 100 FGO Rdnr. 16). Auf die gewählte Begründung des Verwaltungsakts und die angegebene Rechtsnorm kommt es dabei nicht an. Weder das HZA ist gehindert, im finanzgerichtlichen Verfahren seine Begründung um einen weiteren Grund zu ergänzen, noch ist das FG auf die Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Gründe beschränkt, die das HZA im Verwaltungsverfahren oder in seiner Einlassung auf die Klage zur Rechtfertigung seines Bescheides angeführt hat. Auch die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Verjährungsregel der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 312/1) ist insofern ebenso unergiebig wie nationale Verjährungsvorschriften, weil beide nichts mit der Frage zu tun haben, ob eine fristgerecht ergriffene Verwaltungsmaßnahme aufgehoben werden muss, wenn für sie eine zutreffende Begründung erst nach Fristablauf gefunden wird.

Im Streitfall ist das Wesen des Rückforderungsbescheids durch die nachträglich gegebene Begründung des HZA, nach der bei Nichtvorlage eines vorschriftsmäßig ausgefüllten Beförderungspapiers zum Nachweis der Ausfuhr der Ware kein Anspruch auf die Zahlung von Ausfuhrerstattung besteht, nicht geändert worden. Vielmehr blieb es ohne jede Änderung bei der ursprünglichen Rückforderung der vorschussweise gezahlten Ausfuhrerstattung einschließlich des Zuschlags. Der Umstand, dass das HZA noch einen weiteren Grund für die bereits festgesetzte Rückforderung angeführt und der erkennende Senat seinerseits Rückforderungsgründe festgestellt hat, lässt den geltend gemachten Rückforderungsanspruch wesensmäßig unberührt. Darauf, dass nach Meinung der Klägerin zwischen dem Beförderungspapier und dem Ankunftsnachweis, dessen Fehlen bzw. nicht fristgerechte Vorlage das HZA ursprünglich bemängelt hatte, wesensmäßige Unterschiede bestehen sollen, kommt es nicht an; entscheidend ist vielmehr, dass bei Fehlen oder nicht fristgerechter Vorlage des Beförderungspapiers der Vorschuss wegen Nichterfüllung der für die Zahlung der Ausfuhrerstattung verlangten Voraussetzungen ebenso wie bei Fehlen irgendwelcher anderen Erstattungsvoraussetzungen zurückzufordern ist.

Ende der Entscheidung

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