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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: VII R 53/03
Rechtsgebiete: KraftStG


Vorschriften:

KraftStG § 9
Ein zweispuriges Kraftfahrzeug ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht als "Kraftrad" zu behandeln.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Halter eines sog. Trike, eines dreirädrigen offenen Kraftfahrzeuges ohne Kabine. Es hat drei Sitzplätze, ein Leergewicht von 560 kg, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 115 km/h und wird mittels eines Lenkers gesteuert. Im Kraftfahrzeugbrief war das Fahrzeug früher als "Personenkraftwagen, offen" bezeichnet worden, bis die Verkehrsbehörde diese Eintragung in "dreirädriges Kraftfahrzeug" änderte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) hat mit Bescheid vom .... 2001 gegen den Kläger Kraftfahrzeugsteuer nach Maßgabe des für PKW geltenden Satzes festgesetzt. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) diesen Bescheid durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1411 veröffentlichte Urteil geändert und die Kraftfahrzeugsteuer nach Maßgabe des für Motorräder geltenden Satzes herabgesetzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision, zu deren Begründung Folgendes vorgetragen wird:

Nach der Überarbeitung des Systematischen Verzeichnisses der Fahrzeug- und Aufbauarten in Anlehnung an die Richtlinie 92/61/EWG über die Betriebserlaubnis für zwei-, drei- und leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge seien Fahrzeuge der strittigen Art teilweise nicht mehr der Fahrzeugart PKW, sondern den Krafträdern zugeordnet. Ein Trike sei danach ein dreirädriges Kfz mit über 50 ccm Hubraum und/oder einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h, während Krafträder mit oder ohne Leistungsbeschränkung als zweirädrig klassifiziert werden. Darauf beruhe die geänderte Eintragung in dem Kraftfahrzeugbrief des Klägers. Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Folgerungen seien daraus jedoch nicht zu ziehen.

Das FG habe zu Unrecht die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für Umbaufälle aufgestellten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall angewandt, der kein Umbaufall sei. Für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung von Trikes ist nach Auffassung des FA entscheidend, dass ein zwei- oder mehrspuriges Kfz ein PKW sei und dass das strittige Trike aufgrund seiner Längs- und Querachse über die typische Bauart eines PKW's verfüge. Alle übrigen vom FG festgestellten Ausstattungsmerkmale prägten die Bauart PKW nicht ebenso maßgeblich wie die Mehrspurigkeit.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger hat sich zu der Revision nicht geäußert.

II.

Die Revision des FA ist begründet (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Ein zweispuriges Kraftfahrzeug wie das strittige ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht als "Kraftrad" zu behandeln (im Ergebnis ebenso schon FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. März 2003 4 K 1906/01, EFG 2003, 807).

Das Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) definiert diesen Begriff freilich ebenso wenig wie das Straßenverkehrsrecht. In beiden Rechtsgebieten steht der Begriff des (Kraft-)Rades allerdings dem des (Kraft-)Wagens gegenüber (vgl. nur § 9 Nr. 1 und 2 KraftStG). Das knüpft ersichtlich an die Umgangssprache an, die unter einem Rad ein --vom Anfang seiner Entwicklung beim sog. Hoch- und Niederrad bzw. dem Draisine an in Wahrheit fast stets mit zwei Rädern ausgestattetes-- Gefährt zu verstehen pflegt, das --wie das typische Fahr- oder Motorrad-- auf zwei "in Reihe" angeordneten Rädern rollt (mag es auch mitunter um einen daneben angeordneten Beiwagen oder einen zweispurigen, auf einer Achse rollenden (Gepäck-)Anhänger ergänzt werden oder wie oftmals bei Rädern für kleine Kinder durch zwei seitlich neben dem hinteren Rad angeordnete kleine Stützräder stabilisiert sein), während ein Wagen ein Gefährt ist, das auf mindestens zwei, in einem gewissen Abstand nebeneinander angeordneten Rädern rollt, so dass es im Ruhezustand aufrecht stehen kann, wobei es neben Wagen mit vier Rädern wie dem typischen zeitgenössischen PKW und Wagen mit mehr als zwei (Quer-) Achsen und entsprechend vielen Rädern solche mit nur zwei Rädern gibt (z.B. von einem oder mehreren Pferden gezogene wie die antiken Kampfwagen), aber insbesondere auch solche mit drei Rädern, eine Bauart, die früher namentlich bei Kleinstlieferwagen üblich war und auch heute noch von der Firma Piaggo (teils mit Lenker, teils mit Lenkrad ausgestattet) verwendet wird und z.B. in Italien überaus verbreitet ist. Immer ist die "Mehrspurigkeit" dem Wagen eigen. Das Rad ist im Gegensatz dazu grundsätzlich einspurig. Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos, wie die Bezeichnung eines Tretfahrzeuges für Kinder mit einem vorderen und zwei nebeneinander angeordneten hinteren Rädern als Dreirad bezeugt. Dementsprechend spricht die Richtlinie 92/61/EWG über die Betriebserlaubnis für zweirädrige und dreirädrige Kraftfahrzeuge (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 225, 72) außer von (zweirädrigen) "Krafträdern" bei Kleinstfahrzeugen sowohl die mit zwei als auch die mit drei Rädern mit dem Begriff "Kleinkrafträder" an (ebenso --unter Bezugnahme auf vorgenannte Richtlinie-- § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Altfahrzeug-Verordnung i.d.F. des Altfahrzeug-Gesetzes vom 21. Juni 2002, BGBl I 2002, 2199 "dreirädrige Krafträder").

Es ist also durch die Rechts- ebenso wenig wie durch die Umgangssprache ohne weiteres zu rechtfertigen, wenn das FA sinngemäß "Mehrspurigkeit" eines Fahrzeuges als für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung hinreichendes Kriterium eines Fahrzeuges als Kraftwagen ansieht.

Sinn und Zweck der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Unterscheidung zwischen Krafträdern und PKW legen es nicht nahe, ein mehrspuriges Fahrzeug, auch wenn es nur eine Querachse wie das hier strittige Fahrzeug hat, als Kraftrad einzustufen. Denn soweit das KraftStG sinngemäß an die durch die Zulassung zum öffentlichen Straßenverkehr vermittelte Möglichkeit zur Nutzung des mit öffentlichen Mitteln hergestellten und unterhaltenen Straßenraums als Besteuerungsgrundlage anknüpft, liegt es nahe, zweispurige Fahrzeuge nicht als Krafträder einzustufen, weil sie den Straßenraum in einer PKW vergleichbaren Weise in Anspruch nehmen, auch wenn sie nur drei Räder statt deren vier oder mehr haben. Die durch die Bauart eines Fahrzeuges seinen Fahrgästen vermittelte Sicherheit, auf die das FG statt dessen wesentlich abgestellt hat, ist für das Kraftfahrzeugsteuerrecht unter diesem entscheidenden Gesichtspunkt ohne Belang, ebenso die Art der vom FG für bedeutsam gehaltenen Steuerung (hier: Lenker statt Lenkrad), ganz abgesehen davon, dass es zumindest in der Vergangenheit auch ihrem gesamten Erscheinungsbild nach als PKW oder LKW anzusehende Fahrzeuge mit Lenker gab. Erst recht nicht kann es kraftfahrzeugsteuerrechtlich erheblich sein, ob ein Fahrzeug Sicherheitsgurte und Kopfstützen hat, die das FG bei dem strittigen Trike vermisst und derenthalben es dieses als Kraftrad besteuert wissen will. Dass die einem Trike fehlende Kabine nicht zur Einstufung als Kraftrad führen kann, ergibt sich überdies bereits aus dem zu sog. Quads (zweiachsige offene Fahrzeuge mit vier Rädern) ergangenen Urteil des Senats vom 3. April 2001 VII R 7/00 (BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451), in dem der erkennende Senat in Übereinstimmung mit den Beteiligten hierin nicht einmal ein erwähnenswertes Kriterium für die Unterscheidung zwischen PKW und anderen in § 9 KraftStG erfassten Fahrzeugen gesehen hat: denn es gibt auch sonst Fahrzeuge ohne Kabine, die gemeinhin eindeutig nicht als (Kraft-) Räder angesehen werden und als solche bei straßenverkehrsrechtlicher Zulassung auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht zu behandeln wären, z.B. solche mit Sitzschalen auf einem seitlich offenen Chassis wie bei einem Go-Kart.

Für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Unterscheidung zwischen Kraftwagen und Krafträdern ist deshalb von den die Bauart und Einrichtung bestimmenden Merkmalen des Fahrzeuges, auf die das FG allerdings an sich zu Recht abgestellt hat und die entgegen der Ansicht des FA nicht nur bei umgebauten Fahrzeugen von (kraftfahrzeugsteuerrechtlich) entscheidender Bedeutung sind (vgl. schon Urteil des Senats vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489), die Ein- oder Mehrspurigkeit als das ausschlaggebende Kriterium anzusehen. Der erkennende Senat folgt insofern der Auffassung des FA, und zwar insbesondere deshalb, weil nur dieses Unterscheidungskriterium, zumindest in aller Regel, eine klare und einfache Zuordnung von Kraftfahrzeugen im Übrigen unterschiedlichster Bauart und Einrichtung ermöglicht und seine Anwendung damit der Rechtssicherheit, insbesondere dem einfachen Verwaltungsvollzug des KraftStG und der Vorhersehbarkeit der Steuerlast für den Kraftfahrzeughalter dient, die bei einer zusammenfassenden Gesamtbetrachtung der Merkmale des jeweiligen Fahrzeuges, wie sie dem FG vorschwebt und in der Tat mitunter bei Anwendung des KraftStG unvermeidlich sein kann (vgl. dazu die Rechtsprechung des Senats zur Unterscheidung von LKW und PKW, statt aller Urteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72), nicht gewährleistet wären. Statt dessen grundsätzlich ausschlaggebend auf die Mehrspurigkeit eines Fahrzeuges abzustellen und deshalb ein Trike der hier strittigen Art als PKW zu besteuern, führt auch nicht zu den Zielen der kraftfahrzeugsteuergesetzlichen Unterscheidung von Kraftwagen und -rädern unangemessenen Ergebnissen, zumal Mehrspurigkeit zwar, wie ausgeführt, die Zuordnung zum Typ des Rades nicht zwingend ausschließt, aber doch im Allgemeinen dazu führt, dass von einem Wagen zu sprechen ist, und nur bei Kleinstfahrzeugen --wie Kinderrädern oder den in der Richtlinie 92/61/EWG als Kleinrädern bezeichneten Fahrzeugen, zu denen das des Klägers schon wegen der von ihm erreichten Höchstgeschwindigkeit nicht gehört-- das Vorhandensein zweier nebeneinander angeordneter Räder mit dem Begriff des "Rades" als vereinbar empfunden wird.

Da das Urteil des FG diesen Überlegungen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO), da der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 FGO).



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