Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.01.1999
Aktenzeichen: VII R 54/98
Rechtsgebiete: StBerG, StBerO, BGB, FGO, AO


Vorschriften:

StBerG § 46 Abs. 1
StBerG § 46 Abs. 1 Satz 2
StBerG § 40 a Abs. 1 Satz 1
StBerO § 19
StBerO § 70 Abs. 1
StBerO § 70 Abs. 1 Satz 2
StBerO § 69
StBerO § 19 Abs. 2
StBerO § 14 Abs. 1 Satz 1
StBerO § 15 Abs. 1 Satz 1
StBerO § 19 Abs. 3 Satz 1
StBerO § 1 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 133
BGB § 157
FGO § 100 Abs. 1 Satz 1
AO § 107a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Diplom-Betriebswirtin (FH), die ihre Berufsausbildung und berufliche Tätigkeit bis zum Jahre 1990 in den alten Bundesländern absolviert hat, wurde am 2. Oktober 1990 die Staatsbürgerschaft der DDR verliehen. Sie beantragte am 12. September 1990 beim Finanzamt (FA) E die Zulassung zur Prüfung als Helfer in Steuersachen. Nachdem ihr die "Prüfungskommission Steuerbevollmächtigte" beim Thüringer Finanzministerium bescheinigt hatte, daß sie die Eignungsprüfung am 7. November 1990 erfolgreich abgeschlossen habe und damit die Voraussetzungen für die Bestellung als Steuerbevollmächtigte gegeben seien, wurde sie am 1. Dezember 1990 vom FA E als Steuerbevollmächtigte bestellt. Mit Schreiben vom 28. Juni 1995 nahm die Beklagte und Revisionsklägerin (die Oberfinanzdirektion --OFD--) die Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte gemäß § 46 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) mit der Begründung zurück, die Klägerin erfülle nicht die Zulassungsvoraussetzung einer mehrjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR.

Die Klage der Klägerin führte zur Aufhebung der Rücknahmeverfügung und der zurückweisenden Einspruchsentscheidung der OFD. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, die Bestellung als Steuerbevollmächtigte sei zwar rechtswidrig, weil die Klägerin keine berufspraktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR erlangt habe. Sie habe aber die Rechtswidrigkeit dieser Bestellung nicht gekannt und auch nicht kennen müssen. Denn die Prüfungskommission habe ihr bescheinigt, daß sie die Eignungsprüfung bestanden habe und damit die Voraussetzungen für die Bestellung als Steuerbevollmächtigte gegeben seien. Damit habe die Prüfungskommission die Bestellung, die daraufhin durch das FA erfolgt sei, als rechtmäßig angesehen. Die Klägerin habe keinen Anlaß gehabt, an dieser Beurteilung zu zweifeln. Die Rechtsauslegung, daß die Berufserfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR erworben sein müsse, sei erst später durch den Bundesfinanzhof (BFH) erfolgt. Sie sei im Zeitpunkt der Bestellung der Klägerin aus den maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht in der nötigen Klarheit abzuleiten gewesen.

Mit der Revision macht die OFD geltend, die Klägerin hätte --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- die Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung als Steuerbevollmächtigte erkennen müssen. Aus der Auskunft der Prüfungsbehörde und der getroffenen behördlichen Entscheidung habe sie nach der Rechtsprechung des BFH keinen Vertrauenstatbestand herleiten können. Sie hätte sich vielmehr durch Einsichtnahme in die am 27. Juli 1990 veröffentlichte und in Kraft getretene Steuerberatungsordnung der DDR --StBerO-- (Gesetzblatt der DDR --GBl DDR--, Sonderdruck Nr. 1455) über die Zulassungsvoraussetzungen informieren müssen. Daraus hätte sie erkennen können, daß sie die Voraussetzungen für die Bestellung als Steuerbevollmächtigte nach § 19 StBerO nicht erfüllte, weil sie nicht zuvor als Helferin in Steuersachen zugelassen worden war.

Die Klägerin hätte auch nach § 70 Abs. 1, § 19 StBerO i.V.m. der Anordnung über die Zulassung zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuersachen und die Registrierung von Stundenbuchhaltern vom 7. Februar 1990 (MdF-AnO) deshalb nicht zum steuerberatenden Beruf bestellt werden dürfen, weil sie keine praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR aufzuweisen habe. Soweit der BFH die Auffassung vertreten habe, daß dieses Zulassungserfordernis für den Berufsbewerber aus der MdF-AnO nicht hinreichend deutlich erkennbar gewesen sei, sei seine Rechtsprechung zu Fällen ergangen, in denen der Zulassungsantrag vor dem Inkrafttreten der StBerO gestellt worden sei. Die Klägerin habe aber ihren Antrag auf Zulassung zur Prüfung als Helfer in Steuersachen erst am 12. September 1990, d.h. etwa sechs Wochen nach Inkrafttreten der nunmehr maßgeblichen StBerO gestellt.

Die OFD beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie meint, die Auffassung der Revision hinsichtlich der Verletzung ihrer Informationspflicht bezüglich der StBerO sei nicht nachvollziehbar. Denn nur in Verbindung mit der Berichtigung vom 27. August 1990 in § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO könne eine Verschärfung bzw. Klarstellung der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 dahin gesehen werden, daß die DDR-Staatsbürgerschaft und DDR-Steuerpraxis für die Berufszulassung nötig seien. Diese "Berichtigung" sei aber mangels Zustimmung des Ministerrats der DDR nicht rechtswirksam. Ohne sie ergäben die Vorschriften der StBerO an keiner Stelle einen Hinweis auf eine Änderung bzw. Klarstellung der MdF-AnO hinsichtlich der Bestellungsvoraussetzungen für den Steuerbevollmächtigten. Die Unkenntnis einer nichtigen Vorschrift könne ihr aber nicht entgegengehalten werden.

Im übrigen habe sie auf die rechtliche Beurteilung und Entscheidung durch die Bestellungsbehörden auch nach den Vorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches), die im öffentlichen Recht rechtsanalog anzuwenden seien, vertrauen dürfen. Danach brauche der Empfänger eine Willenserklärung oder Äußerung zum Vertragsgegenstand durch eine Vertragsseite nicht als falsch anzusehen. Er könne vielmehr davon ausgehen, daß sie redlich gemeint und gesetzmäßig erfolgt sei.

Ihre Bestellung als Steuerbevollmächtigte sei nach § 70 StBerO i.V.m. der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 erfolgt; § 19 StBerO sei auf ihren Fall nicht anwendbar. Berufliche Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR seien aus ihrer Sicht nicht erforderlich gewesen. Auch der BFH habe ausgeführt, daß für Bestellungen kurze Zeit vor oder erst nach der Wiedervereinigung die westdeutsche Steuererfahrung in den Vordergrund getreten sei und daher dem Antragsteller nicht grobe Fahrlässigkeit vorgehalten werden könne, wenn er diese für ausreichend gehalten habe.

Da die StBerO für den Bereich der Bestellung als Helfer in Steuersachen/Steuerbevollmächtigter keine Änderungen erbracht habe, komme es --entgegen der Auffassung der Revision und des BFH-- auf den Zeitpunkt der Antragstellung --vor oder nach Inkrafttreten der StBerO-- nicht an. Denn die Bestellungsvoraussetzungen seien insoweit unverändert geblieben; lediglich die Berufsbezeichnung habe sich geändert.

Schließlich seien auch, da die Rücknahme ihrer Bestellung erst im Jahre 1995 erfolgt sei, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes verletzt.

Die Revision der OFD ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Die Rücknahme der vorläufigen Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte ist rechtmäßig und verletzt diese nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn die Klägerin ist zu Unrecht als Steuerbevollmächtigte bestellt worden, und sie hätte die Rechtswidrigkeit der Bestellung kennen müssen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG).

1. Die Rechtmäßigkeit der gemäß § 40 a Abs. 1 Satz 1 StBerG als vorläufig geltenden Bestellung der Klägerin, die im Beitrittsgebiet aufgrund des Steuerberatungsrechts der DDR erfolgt ist, bestimmt sich allein nach den Vorschriften der StBerO, die am 27. Juli 1990 veröffentlicht und mit diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist (§ 69 StBerO). Denn die Klägerin hat ihren Antrag auf Berufszulassung (12. September 1990) erst nach dem Inkrafttreten der StBerO gestellt, und sie ist auch auf deren Grundlage am 1. Dezember 1990 als Steuerbevollmächtigte bestellt worden.

a) Nach § 19 StBerO kam eine Bestellung als Steuerbevollmächtigter nur für Helfer in Steuersachen, die über eine Zulassung gemäß § 107a der Abgabenordnung in der Fassung vom 18. September 1970 --AO DDR 1970-- (GBl DDR Sonderdruck Nr. 681) verfügten --insoweit Bestellung kraft Gesetzes gemäß § 19 Abs. 2 StBerO-- und für ehemalige Verantwortliche und leitende Mitarbeiter der VEB Rechnungsprüfung und Wirtschaftsberatung sowie der Finanzorgane (der DDR) --§ 19 Abs. 3 StBerO-- in Betracht. Da die Klägerin zu diesem Personenkreis, der nur Angehörige bestimmter Berufe umfaßte, die sich nur in der DDR entwickelt hatten, nicht gehörte, durfte sie nach dieser Vorschrift nicht als Steuerbevollmächtigte bestellt werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, ließen die Vorschriften der StBerO eine Bestellung von Berufsbewerbern aus den alten Bundesländern, die --wie die Klägerin-- dort ihre Berufsausbildung und berufspraktischen Tätigkeiten absolviert haben, als Steuerbevollmächtigte nicht zu (vgl. Urteile vom 11. Mai 1993 VII R 98/92, BFH/NV 1994, 194, und vom 26. September 1995 VII R 19/94, BFH/NV 1996, 369), so daß die Bestellung der Klägerin rechtswidrig war.

b) Nach § 70 Abs. 1 StBerO findet die MdF-AnO vom 7. Februar 1990, die auf der Grundlage des § 107a AO DDR 1970 u.a. zur näheren Regelung der bis zum 30. Juni 1990 gesetzlich vorgesehenen Zulassung als Helfer in Steuersachen ergangen war, bis zum 31. Dezember 1990 für die Prüfung und Bestellung von Steuerbevollmächtigten gemäß § 19 dieser Verordnung weiterhin Anwendung. Es erscheint zweifelhaft, ob auf dieser Grundlage eine eigenständige, rechtmäßige Bestellung von Berufsbewerbern aus den alten Bundesländern als Steuerbevollmächtigte überhaupt denkbar wäre, weil § 70 Abs. 1 StBerO wiederum auf § 19 StBerO verweist und der dort genannte Personenkreis nur bestimmte DDR-Bürger und -Berufe umfaßt (vgl. hierzu Dürr, Die Bestellung als Steuerbevollmächtigter nach früherem DDR-Steuerberatungsrecht, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1992, 121, 122; Hein, Die Anwendung und Abwicklung von Steuerberatungsrecht der DDR nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1998, 79, 85). Der Senat kann aber die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 1 StBerO i.V.m. der MdF-AnO als eigenständige Bestellungsregelung für andere als die in § 19 StBerO genannten Berufsbewerber wie schon im Urteil in BFH/NV 1994, 194, 196 so auch im Falle der Klägerin unentschieden lassen. Denn die Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte war auch im Falle der Anwendbarkeit von § 70 Abs. 1 StBerO i.V.m. der MdF-AnO jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin nicht die nach den Vorschriften der StBerO und der MdF-AnO vorgeschriebene berufspraktische Erfahrung besaß.

c) Der erkennende Senat hat in Anwendung der StBerO für die Bestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter entschieden, daß eine Bestellung nach dieser Verordnung nur für Bürger der DDR in Betracht kam und daß die als Zulassungvoraussetzung geforderte praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der ehemaligen DDR gewonnen sein mußte (vgl. Urteile in BFH/NV 1994, 194; vom 4. November 1993 VII R 26/93, BFH/NV 1994, 663; vom 1. Februar 1994 VII R 27/93, BFHE 173, 471, BStBl II 1994, 822). Dies ist im wesentlichen damit begründet worden, daß es sich --1.-- um Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR handelt, die auf die Rechts- und Wirtschaftsordnung der DDR zugeschnitten waren und ausschließlich für deren Bürger eine Berufszulassung auf dem Gebiet der Steuerberatung regelten (§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 3 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO), daß --2.-- die Berufszulassung erteilt werden sollte für die Hilfeleistung in Steuersachen, die sich im Zeitpunkt des Erlasses der maßgeblichen Vorschriften auf Angelegenheiten bezog, die die "in Rechtsvorschriften der DDR geregelten Steuern und Abgaben betreffen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerO) und daß --3.-- die Zulassungsregelungen auf einen Personenkreis zugeschnitten waren, der seine berufspraktischen Erfahrungen im Rahmen bestimmter Berufe, wie sie sich nur in der DDR entwickelt haben (vgl. § 15 Abs. 2, § 19 Abs. 2 und 3 StBerO), erlangt haben mußte. Die vorstehende Auslegung gilt nach den oben zitierten Entscheidungen auch für die MdF-AnO vom 7. Februar 1990, die gemäß § 70 Abs. 1 StBerO bis zum 31. Dezember 1990 für die Prüfung und Bestellung von Steuerbevollmächtigten weiterhin Anwendung fand. Das bedeutet, daß die in § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO als Zulassungsvoraussetzung geforderte mehrjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR gewonnen sein muß; daß die in der MdF-AnO getroffenen Regelungen nur für Bürger der DDR anzuwenden sind, ist nunmehr in § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO (eingefügt durch die Berichtigung vom 27. August 1990, GBl DDR I 1990, 1257) ausdrücklich bestimmt. Die letztere Voraussetzung hatte die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Bestellung als Steuerbevollmächtigte erfüllt, so daß es insoweit auf die von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeit der "Berichtigung" vom 27. August 1990 nicht ankommt.

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats ist demnach die Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte auch nach § 70 Abs. 1 StBerO i.V.m. der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 --wie das FG zutreffend entschieden hat-- rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin als Bewerberin aus dem Bundesgebiet die Zulassungsvoraussetzung einer mehrjährigen praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nicht erfüllte.

2. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative StBerG ist eine rechtswidrige vorläufige Bestellung (§ 40 a StBerG) zurückzunehmen, wenn der Begünstigte die Umstände kannte oder kennen mußte, die die Rechtswidrigkeit begründen. Der Senat hat diese Rücknahmevorschrift, auf die die OFD im Streitfall die Rücknahme der Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte stützt, einschränkend dahin ausgelegt, daß die rechtswidrige Bestellung nur dann zurückzunehmen ist, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit als solche (d.h. nicht nur die "Umstände") kannte oder kennen mußte (vgl. Urteil vom 7. März 1996 VII R 61, 62/95, BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 337, m.w.N.). Diese Voraussetzung für die Rücknahme der vorläufigen Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte ist im Streitfall erfüllt.

a) Da von einem Bewerber für die Bestellung zu einem steuerberatenden Beruf erwartet werden muß, daß er sich über die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Bestellung kundig macht (so ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteile vom 7. März 1995 VII R 4/94, BFHE 177, 180, BStBl II 1995, 421; vom 9. Januar 1996 VII R 16/95, BFH/NV 1996, 512, und in BFH/NV 1996, 369), hätte die Klägerin, die als Bewerberin aus den alten Bundesländern die vorstehend genannten Bestellungsvoraussetzungen nicht erfüllte, die Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung zumindest kennen müssen. Dies gilt ohne weiteres hinsichtlich des Fehlens ihrer Zugehörigkeit zu dem nach § 19 Abs. 2 und 3 StBerO für die Bestellung als Steuerbevollmächtigte in Betracht kommenden, eindeutig abgegrenzten Personenkreis (zugelassene Helfer in Steuersachen, ehemalige Mitarbeiter der VEB Rechnungsführung und Wirtschaftsberatung sowie der Finanzorgane). Bei Wahrnehmung der ihr obliegenden Informationspflicht hinsichtlich der Bestellungsvoraussetzungen nach der StBerO in ihrer Gesamtheit hätte die Klägerin auch erkennen können und müssen, daß als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte nach dieser Verordnung nur Bürger der DDR, die berufspraktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts (Steuerwesens) der DDR erlangt hatten, bestellt werden konnten. Dies ist zwar für Steuerbevollmächtigte --abgesehen von der auch durch § 70 Abs. 1 StBerO in Bezug genommenen Vorschrift des § 19 StBerO-- nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht worden wie für die Bestellung als Steuerberater in § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 (Bürger der DDR) und § 15 Abs. 2 StBerO (Katalog von DDR-Berufen). Im Hinblick darauf, daß die Berufszulassungen nach der StBerO erteilt werden sollten für die Hilfeleistung in Steuersachen, die sich im Zeitpunkt des Erlasses der maßgeblichen Vorschriften auf Angelegenheiten bezog, die die "in Rechtsvorschriften der DDR geregelten Steuern und Abgaben betreffen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerO), und die Bestellung als Steuerberater oder als Steuerbevollmächtigter --abgesehen von graduellen Qualifikationserfordernissen-- nicht für einen völlig unterschiedlichen Personenkreis in Betracht kommen konnte, hätte die Klägerin aber --wenn sie sich kundig gemacht hätte-- zweifelsfrei erkennen können, daß auch die Bestellung als Steuerbevollmächtigter berufliche Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR zur Voraussetzung hatte. Denn die StBerO der DDR konnte sich hinsichtlich der Bestellungsvoraussetzungen --wie auch das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 5. Februar 1997 1 BvR 127/97 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 336) ausgeführt hat-- "offenkundig" nur auf Sachverhalte in ihrem Geltungsbereich beziehen.

Bei dieser Beurteilung des Kennenmüssens der Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung durch die Klägerin, kann der Senat die Bedeutung der Berichtigung vom 27. August 1990 in § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO, wonach die in der MdF-AnO getroffenen Regelungen nur für Bürger der DDR gelten sollen, außer Betracht lassen. Selbst wenn diese "Berichtigung" (Ergänzung) der StBerO mangels Zustimmung des Ministerrats der DDR nicht rechtswirksam sein sollte und sie der Klägerin deshalb nicht entgegengehalten werden könnte, ergibt sich für diese --wie ausgeführt-- das Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung bereits aus den vorgenannten anderen Bestimmungen der StBerO. Im übrigen deutet die Tatsache, daß die Klägerin noch am 2. Oktober 1990 die Staatsbürgerschaft der DDR erworben hat, darauf hin, daß auch sie davon ausgegangen ist, daß diese für die begehrte Berufszulassung erforderlich sei.

b) Der Senat hat indes für Fälle, in denen der Zulassungsantrag noch unter der Geltung des § 107a AO DDR 1970 (bis zum 30. Juni 1990) bzw. bis zum Inkrafttreten der StBerO (27. Juli 1990) gestellt worden war, entschieden, daß die Rücknahme der (vorläufigen) Bestellung als Steuerbevollmächtigter, die auf der vorangegangenen Zulassung als Helfer in Steuersachen beruhte (§ 19 Abs. 1 und 2 StBerO), nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerO nicht ohne weiteres darauf gestützt werden kann, der Betroffene habe im Zeitpunkt seiner Zulassung (als Helfer in Steuersachen) die in den maßgeblichen Vorschriften nicht wörtlich aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen (hier: Bürger der DDR zu sein und Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR zu haben) gekannt oder kennen müssen. Das gilt auch dann, wenn aufgrund des vorausgehenden Antrags die Zulassung als Helfer in Steuersachen erst nach Inkrafttreten der StBerO erfolgt ist (Urteile in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334; vom 5. November 1996 VII R 36/96, BFH/NV 1997, 266; vom 25. Februar 1997 VII R 94/96, BFH/NV 1997, 532, und vom 26. November 1996 VII R 11/96, BFH/NV 1998, 90).

Nach Auffassung des erkennenden Senats waren den Bewerbern in den Urteilsfällen auch bei der gebotenen Einsicht in die maßgeblichen Rechtsgrundlagen die fehlenden Zulassungsvoraussetzungen und damit die Rechtswidrigkeit ihrer Zulassung nicht erkennbar, weil die MdF-AnO hinsichtlich ihres Geltungsbereichs nur von "Bürgern, die den Antrag stellen", (§ 1) sprach und als Zulassungsvoraussetzung lediglich "praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts" (§ 2 Abs. 2 Buchst. a) forderte. Daß die Zulassung nach diesen Vorschriften nur für Bürger der DDR gelten sollte und Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR voraussetzte, hat der Senat unter Berücksichtigung der später ergangenen StBerO erst mit den oben (siehe 1. c) zitierten Urteilen --erstmals im Jahre 1993-- entschieden. Die Rechtsauslegung, wie sie vom BFH schließlich vertreten worden ist, war aber nach Ansicht des Senats für die dortigen Kläger nicht voraussehbar (erkennbar). Denn auch von einem Bewerber um die Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf konnte nicht erwartet werden, daß er die vom BFH in späteren Entscheidungen vorgenommene Auslegung der MdF-AnO über deren Wortlaut hinaus im Lichte der Vorschriften der StBerO bei seiner Einschätzung der Rechtslage in ähnlicher Weise vorwegnehmen mußte. Es war vielmehr --wie der Senat ausgeführt hat-- nach Abschluß des Vertrages über die Währungsunion auch die Auffassung eines Berufsbewerbers vertretbar, daß die Zulassungsvoraussetzung der Erfahrung auf dem "Gebiet des Steuerrechts" sich nicht nur auf das --dort nicht ausdrücklich genannte-- Steuerrecht der DDR beziehe. Das gelte um so mehr, als die Kläger in den Urteilsfällen aufgrund ihrer noch unter der Geltung des § 107a AO DDR 1970 bzw. vor der Veröffentlichung der StBerO gestellten Zulassungsanträge nach der Rechtsprechung des BFH davon ausgehen konnten, daß ihr Antrag nach der bisherigen Rechtslage, also ohne Berücksichtigung der erst am 27. Juli 1990 in Kraft getretenen Vorschriften der StBerO, beschieden werden würde.

Auf die vorstehend dargestellte Rechtsprechung kann sich die Klägerin aber nicht berufen. Bei ihr geht es nicht um die Rücknahme einer Bestellung als Steuerbevollmächtigte, die kraft Gesetzes (§ 19 Abs. 1 und 2 StBerO) auf einer vorausgegangenen (rechtswidrigen) Zulassung als Helfer in Steuersachen beruht, sondern die Klägerin ist durch die Behörde konstitutiv sogleich als Steuerbevollmächtigte bestellt worden. Der wesentliche Unterschied zu den vorgenannten Urteilsfällen besteht zudem darin, daß der Zulassungsantrag der Klägerin erst am 12. September 1990, und damit erst nach der Veröffentlichung und dem Inkrafttreten der StBerO gestellt worden ist. Die Klägerin konnte deshalb im Gegensatz zu den Bewerbern in den genannten Urteilsfällen nicht davon ausgehen, daß ihr Zulassungsantrag --gerichtet auf die Zulassung als Helfer in Steuersachen-- noch nach der alten Rechtslage beschieden werden würde. Für das Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung als Steuerbevollmächtigte waren somit nicht allein die Vorschriften der MdF-AnO, die die hier maßgeblichen Bestellungsvoraussetzungen nicht wörtlich enthielten, sondern in erster Linie die Bestimmungen der StBerO maßgebend, aus denen sich --wie ausgeführt-- bei Wahrnehmung der für die Berufsbewerber gebotenen Informationspflicht die hier fehlende Voraussetzung der berufspraktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR hinreichend deutlich entnehmen ließ.

Da aus der Gesamtregelung der StBerO zweifelsfrei erkennbar war, daß auf ihrer Grundlage nur Bürger der DDR aufgrund der dort durch die Berufsausübung erworbenen steuerrechtlichen Erfahrungen zu einem steuerberatenden Beruf bestellt werden konnten, hätte die Klägerin, die bereits bei ihrer Antragstellung diese Neuregelung des Steuerberatungsrechts der DDR berücksichtigen konnte, bei der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen, daß ihre in den alten Bundesländern erworbene Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts für die Bestellung nicht ausreichte. Im Hinblick darauf, daß die StBerO eine gewollte und erkennbare Privilegierung von DDR-Bürgern mit dort erworbenen steuerrechtlichen Erfahrungen gegenüber den strengeren Zulassungsvoraussetzungen des StBerG enthielt, konnte die Klägerin --im Gegensatz etwa zu den Bewerbern, die ihren Zulassungsantrag noch vor Inkrafttreten der StBerO gestellt hatten-- von vornherein nicht davon ausgehen, daß ihrem Bestellungsantrag zu Recht werde stattgegeben werden können. Wegen des eingeschränkten Kreises der Begünstigten, auf die die StBerO erkennbar abzielte, konnte sie auch im Hinblick auf die bevorstehende Wiedervereinigung nicht darauf vertrauen, daß ihre im Bundesgebiet erworbene berufspraktische Erfahrung als gleich- oder gar höherwertig für die beantragte Bestellung berücksichtigt werden könnte.

c) Entgegen der Auffassung des FG kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, daß ihr die Prüfungskommission bescheinigt hat, sie verfüge über die Voraussetzungen für die Bestellung als Steuerbevollmächtigte, und sie daraufhin durch das FA bestellt worden ist. Der Senat hat in bezug auf die Rücknahme der Bestellung als Steuerberater mehrfach entschieden, daß allein die Bestellungspraxis, die von der objektiven Rechtslage abwich, mit Rücksicht auf eine klare Regelung im Gesetz nicht als Indiz für die schwere Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit einer Bestellung gewertet werden könne. Denn anderenfalls könnten nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG rechtswidrige Bestellungen niemals zurückgenommen werden, weil sie einen Rechtsverstoß der zuständigen Behörde gerade voraussetzen (vgl. Senatsurteile in BFHE 177, 180, BStBl II 1995, 421, und in BFH/NV 1996, 512). Von einem Bewerber um die Bestellung zu einem steuerberatenden Beruf muß --wie oben ausgeführt-- nach dieser Rechtsprechung erwartet werden, daß er sich über die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Bestellung kundig macht. Das gilt auch im Hinblick auf fehlerhafte Auskünfte der Behörde, die erst zur Stellung des Antrags auf Bestellung als Steuerberater bzw. als Steuerbevollmächtigter geführt haben (BFH/NV 1996, 512). Diese Grundsätze sind auch auf den Streitfall anzuwenden. Weder die für die Klägerin günstige Auskunft (Bescheinigung) der Prüfungskommission noch die fehlerhafte Bestellung durch das FA waren ausreichend, ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit ihrer Bestellung zu begründen. Als Bewerberin um Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf oblag es der Klägerin, sich selbst durch Einsichtnahme in die bereits im Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltende StBerO über die Rechtslage kundig zu machen und sich nicht allein auf behördliche Auskünfte und darauf zu verlassen, daß die Bestellungsbehörde gesetzmäßig handeln werde. Daß die Klägerin noch am 12. September 1990 beantragt hat, sie als Helferin in Steuersachen zuzulassen, obwohl es diesen Beruf nach der StBerO nicht mehr gab, deutet im übrigen darauf hin, daß sie sich weder über die geltende Rechtslage noch um die Bestellungsvoraussetzungen für die steuerberatenden Berufe im einzelnen informiert hat.

3. Die OFD hat demnach die vorläufige Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG zu Recht zurückgenommen. Die Anwendung dieser Rücknahmevorschrift verstößt --wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat-- nicht gegen Vorschriften höherrangigen Rechts; das gilt auch dann, wenn zwischen der Bestellung und der Rücknahme ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt (vgl. Urteile in BFHE 177, 180, 185 ff., BStBl II 1995, 421, und in BFH/NV 1996, 512, 514; Hein, DStZ 1998, 79, 81 ff., m.w.N.).

Ende der Entscheidung

Zurück