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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 03.04.2001
Aktenzeichen: VII R 6/00
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 238
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in der Zeit vom 17. Juli bis 11. August 1995 mehrere Sendungen mit Gurken der Unterpos. 0707 00 25 der Kombinierten Nomenklatur (KN) der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 256/1) - hier in der Fassung des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1359/95 (VO Nr. 1359/95) der Kommission vom 13. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 142/1) zum freien Verkehr abfertigen. Dabei meldete sie die Waren in vereinfachten Zollanmeldungen sowie in den Sammelzollanmeldungen vom 8. August und 5. September 1995 unter Angabe der Code-Nr. 0707 0025 0720 des Deutschen Gebrauchszolltarifs (DGebrZT) und in den vereinfachten Zollanmeldungen unter Angabe des Verfahrens-Codes 4000.0 zum freien Verkehr an. Bei einem Teil der vereinfachten Zollanmeldungen ist die Code-Nr. 0707 0025 0960 DGebrZT vor Annahme der Zollanmeldung in die Code-Nr. 0707 0025 0720 DGebrZT geändert worden. Die Angabe des Verfahrens blieb immer unverändert. In den Zollwertanmeldungen aller o.a. Waren wurde ein fob-Preis von 106 DM/100 kg zuzüglich Fracht- und Versicherungskosten (Preis frei Grenze) angemeldet.

In den von der Abrechnungszollstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) nicht beanstandeten Sammelzollanmeldungen, die für die Klägerin von einer von ihr beauftragten Spedition abgegeben wurden, berechnete sich die Klägerin die Abgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) selbst, ohne Sicherheiten zu stellen. Einen Nachweis darüber, dass die angemeldeten Preise der von der Klägerin eingeführten Gurken auch ihren Verkaufpreisen entsprachen, führte die Klägerin nicht. Die tatsächlichen Verkaufspreise der Klägerin wurden bei Außenprüfungen festgestellt (Prüfungsberichte vom 16. August 1996 und vom 29. April 1997). Um zu ermitteln, ob der Weiterverkaufspreis der Realität des in der Zollanmeldung angegebenen Preises entsprach, zog das HZA von den ermittelten Verkaufspreisen gemäß dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Mai 1995 III B 4 - Z 5461, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - Nachrichten - 21 95 Nr. 207, als Vermarktungsspanne 8 % sowie die Beförderungs- und Versicherungskosten innerhalb des Zollgebiets und die erhobenen Einfuhrabgaben ab. Auf Grund der so ermittelten Weiterverkaufspreise kam das HZA zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Preises frei Grenze nicht erfüllt seien, berechnete den Zollbetrag auf der Basis der pauschalen Einfuhrwerte neu und erhob mit Steueränderungsbescheid vom 1. September 1997 ... DM Zoll nach und ... DM Zinsen, die nach § 238 der Abgabenordnung (AO 1977) berechnet wurden. Den gegen den Steueränderungsbescheid erhobenen Einspruch wies das HZA zurück (Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 1998).

Die dagegen gerichtete Klage hatte aus den in der Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 2000, 168 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht und zwar namentlich

* Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1),

* Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 3223/94 (VO Nr. 3223/94) der Kommission vom 21. Dezember 1994 mit Durchführungsbestimmungen zur Einfuhrregelung für Obst und Gemüse (ABlEG Nr. L 337/66), insbesondere i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1306/95 der Kommission vom 8. Juni 1995 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 3223/94 ... (ABlEG Nr. L 126/15)

* Art. 5 Abs. 1 a) Satz 2 VO Nr. 3223/94 insbesondere i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 553/95 der Kommission vom 13. März 1995 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 3223/94 ... (ABlEG Nr. L 56/1),

* das Rechtsstaatsprinzip.

Außerdem rügt sie mangelhafte Sachaufklärung.

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen bzw. sie als unbegründet zurückzuweisen.

Es meint, die Revision sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach der Urteilszustellung eingelegt worden sei. Im Übrigen sei sie unbegründet.

II. Die zulässige Revision ist unbegründet.

1. Die Revision ist zulässig. Entgegen den Ausführungen des HZA ist sie beim Finanzgericht (FG) innerhalb der in § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. vorgeschriebenen Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils eingelegt worden. Laut Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist ihm das Urteil am 14. Dezember 1999 zugestellt worden. Die mit Schriftsatz vom 14. Januar 2000 eingelegte Revision ist noch am selben Tage und damit innerhalb der Frist beim FG eingegangen.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG hat richtig erkannt, dass der angefochtene Steueränderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtmäßig ist. Das HZA hat den Zoll zutreffend auf der Grundlage der pauschalen Einfuhrwerte berechnet und den Differenzbetrag zu dem in den Sammelzollanmeldungen berechneten Zoll nacherhoben sowie die darauf entfallenden Zinsen erhoben. Die dagegen gerichteten Bedenken der Klägerin greifen nicht durch.

a) Rechtsgrundlage für die Bestimmung des maßgebenden Zollsatzes für die eingeführten Gurken ist Art. 23 der Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 (VO Nr. 1035/72) des Rates vom 18. Mai 1972 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse (ABlEG Nr. L 118/1) i.d.F. des Anhangs XIII der Verordnung (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über erforderliche Anpassungen und Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor ... (ABlEG Nr. L 349/105). Danach finden die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs auf die in Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1035/72 (i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 3910/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 --ABlEG Nr. L 370/33--) genannten Erzeugnisse --u.a. Gurken KN-Code 0707 00-- Anwendung. Maßgebend für die Einreihung der Gurken in die KN und die Bestimmung des maßgebenden Zollsatzes ist die VO Nr. 1359/95 Anhang I Teil III Abschn. I Anhang 2. Der maßgebende Zollsatz hängt danach von der Höhe des Einfuhrpreises ab. Die damit zusammenhängenden Regelungen trifft die VO Nr. 3223/94 in der durch die Verordnungen Nr. 553/95 und Nr. 1306/95 geänderten Fassung (VO Nr. 3223/94).

b) Entsprechend der VO Nr. 1359/95 sind die in der Zeit zwischen dem 16. Mai und 30. September 1995 eingeführten Gurken zutreffend in die Unterpos. 0707 00 25 KN eingereiht worden. Da für sie durch die Angabe des Verfahrens-Codes 4000.0 in den vereinfachten Zollanmeldungen die Abfertigung zum unbeschränkt freien Verkehr beantragt wurde, was auch darin zum Ausdruck kam, dass in den vereinfachten Anmeldungen vor deren Annahme die Code-Nr. 0707 0025 0720 DGebrZT eingetragen bzw. die ursprünglich eingetragene Code-Nr. 0707 0025 0960 entsprechend berichtigt worden war, kommen für die im Streitfall eingeführten Gurken die besonderen Zollsätze, die für zur Verarbeitung bestimmte Gurken im Rahmen der besonderen Verwendung vorgesehen sind, nicht zur Anwendung.

Nach der VO Nr. 1359/95 bemisst sich der Zoll für die eingeführten Gurken nach einem festen Wertzoll in Höhe von 19,3 % des Einfuhrpreises (Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 3223/94), der für Einfuhren aus Polen rückwirkend auf 15,4 % herabgesetzt und der Berechnung des Zolls in dem angefochtenen Steuerbescheid zu Grunde gelegt worden ist, ohne dass dessen Rechtmäßigkeit bestritten wird. Der Senat geht daher ebenfalls davon aus, dass es sich insoweit um den zutreffenden Zollsatz handelt.

Der auf der Grundlage dieses Zollsatzes zu berechnende Wertzoll kann sich gemäß der VO Nr. 1359/95 gegebenenfalls um einen abhängig von der Höhe des Einfuhrpreises variablen spezifischen Zusatzzoll erhöhen. Der maßgebende Einfuhrpreis für die Gurken ist nach Art. 5 Abs. 1 der VO Nr. 3223/94 zu bestimmen. Die Vorschrift lautet für den Einfuhrzeitraum unter Berücksichtigung der Änderungen durch die VO Nr. 553/95 und VO Nr. 1306/95 sowie der Berichtigungen im ABlEG Nr. L 89/48 vom 21. April 1995 und im ABlEG Nr. L 23/28 vom 30. Januar 1996:

"Der Einfuhrpreis, zu dem die in Teil A des Anhangs aufgeführten Erzeugnisse im Zolltarif der Europäischen Gemeinschaft eingestuft werden, entspricht nach Wahl des Importeurs:

a) entweder dem fob-Preis der Erzeugnisse im Ursprungsland zuzüglich Versicherungs- und Transportkosten bis zur Zollgrenze der Gemeinschaft, soweit dieser Preis und diese Kosten bei der Anmeldung zum freien Verkehr bekannt sind.

Überschreiten diese Preise den pauschalen Einfuhrwert, der für das betreffende Erzeugnis bei der Annahme der Erklärung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gilt, um mehr als 8 %, so leistet der Einführer die Sicherheit gemäß Artikel 248 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93. In diesem Fall können die Einführer mit dem Zoll belastet werden, der bei einer Berechnung unter Zugrundelegung des betreffenden pauschalen Einfuhrwerts fällig gewesen wäre,

b) oder dem nach Artikel 30 Absatz 2 Buchstabe c) der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ermittelten Zollwert für die betreffenden Einfuhrerzeugnisse, wobei die Zölle entsprechend Artikel 4 Absatz 1 abgezogen werden.

In diesem Fall leistet der Importeur eine Sicherheit gemäß Artikel 248 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2453/93 in Höhe des Einfuhrzolls, der bei Einstufung der Erzeugnisse auf der Grundlage des geltenden pauschalen Einfuhrwerts fällig wäre,

c) oder dem pauschalen Einfuhrwert gemäß Artikel 4."

Art. 5 Abs. 1a der genannten Verordnung ist im Streitfall nicht anzuwenden, weil die eingeführten Gurken --wie bereits ausgeführt-- nicht als zur Verarbeitung bestimmt angemeldet wurden.

Grundsätzlich hat der Einführer ein Wahlrecht zwischen den in Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 3223/94 vorgesehenen Methoden zur Bestimmung des Einfuhrpreises. Wählt der Einführer --wie im Streitfall nach den zutreffenden Ausführungen des FG die Klägerin-- die Methode nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung und meldet den Preis frei Grenze an, so hat er gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 VO Nr. 3223/94 eine Sicherheit gemäß Art. 248 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) zu hinterlegen, wenn der angemeldete Preis den nach Art. 4 VO Nr. 3223/94 bestimmten pauschalen Einfuhrwert um mehr als 8 % überschreitet. Die Sicherheit bemisst sich gemäß Art. 248 Abs. 1 Satz 2 ZKDVO i.V.m. der Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 VO Nr. 3223/94 nach der Differenz zwischen dem auf Grund der Anmeldung buchmäßig erfassten Zoll und dem Zollbetrag, der zu erheben gewesen wäre, wenn gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Berechnung des Zolls der pauschale Einfuhrwert zu Grunde gelegt worden wäre (vgl. Müller-Eiselt, EG-Zollrecht, Fach 2215.7, S. 42 Anm. 9). Der Einführer hat in diesem Fall die Möglichkeit, gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 3223/94 nachzuweisen, dass die Partie zu Bedingungen abgesetzt wurde, die der Realität des nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 3223/94 angemeldeten Preises entsprechen. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, so verfällt die Sicherheit (Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 3223/94) und wird als Einfuhrzoll einbehalten (Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 3223/94).

Von dem zuvor geschilderten Normalfall ist der Fall zu unterscheiden, dass der Einführer, der --wie im Streitfall die Klägerin-- gemäß Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3223/94 den Preis frei Grenze als Einfuhrpreis angemeldet hat, aber keine Sicherheit geleistet hat, obwohl dies nach den vorhergehenden Ausführungen erforderlich gewesen wäre, und außerdem nicht für die gesamte in Rede stehende Menge an Gurken den Nachweis erbracht hat, dass sie zu Bedingungen abgesetzt wurden, die der Realität des nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3223/94 angemeldeten Preises entsprechen. Diesen Fall hat der Verordnungsgeber durch Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94 geregelt. Danach ist der in diesem Fall fällige Zollbetrag, der der Differenz zwischen dem bereits erhobenen und dem bei Zugrundelegung des pauschalen Einfuhrwertes zu erhebenden Zoll entspricht, gemäß Art. 220 ZK zuzüglich Zinsen einzuziehen.

c) Entsprechend den vorstehenden Ausführungen hat das HZA in dem angefochtenen Steueränderungsbescheid nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94 den nachzuerhebenden Zoll und die darauf entfallenden Zinsen gemäß § 238 AO 1977 berechnet und angefordert. Dabei hat das HZA die auf die betreffenden Sammelzollanmeldungen jeweils entfallende Menge an Gurken in eine Menge, für die der Nachweis gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 3223/94 nicht gelungen ist, und in eine Menge aufgeteilt, für die der Nachweis gemäß vorstehender Bestimmung als geführt angesehen wurde. Für die zuletzt genannte Menge hat es den Zoll nur auf der Grundlage des Wertzollsatzes von 15,4 % des angemeldeten Preises frei Grenze berechnet, während es für die zuerst genannte Menge den Zoll auf der Grundlage des Wertzollsatzes von 15,4 % des pauschalen Einfuhrwertes zuzüglich eines spezifischen Zolls von 45,7 ECU/100 kg berechnet hat. Von der sich aus beiden Zollbeträgen ergebenden Summe hat das HZA den bereits gezahlten Zoll abgezogen und auf diese Weise die je Sammelzollanmeldung nachzuerhebenden Zollbeträge ermittelt. Insoweit sind Fehler nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die gemäß Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94 i.V.m. § 238 AO 1977 berechneten Zinsen. Eine mehrfache Berechnung von Zoll für dieselbe Ware, wie von der Klägerin behauptet, hat demnach nicht stattgefunden.

d) Die dagegen geltend gemachten Bedenken der Klägerin greifen nicht durch.

aa) Die Klägerin beanstandet zu Unrecht, dass das FG die Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der nachgeforderten Zollbeträge nicht geprüft habe, indem es lediglich auf Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94, nicht aber auf Art. 220 Abs. 1 ZK eingegangen sei, und verkannt habe, dass nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94 als fälliger Zollbetrag nur der Betrag eingefordert werden könne, der auf der Basis des fob-Preises zu erfassen ist.

Wie bereits vorstehend (s. oben unter Buchst. b) ausgeführt, findet sich die Rechtsgrundlage für die Nacherhebung der Zollbeträge im Streitfall in Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94. Denn aus der Systematik des Art. 5 VO Nr. 3223/94 wird deutlich, dass sich diese Vorschrift mit dem Fall befasst, in dem der Einführer seinen sich aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht nachgekommen ist. Diese Verpflichtungen bestehen --wie ebenfalls bereits erläutert-- gegebenenfalls in der Leistung einer Sicherheit im Falle des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 3223/94 und in dem Nachweis nach Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 3223/94. Die Regelung bestimmt ferner eindeutig, dass in diesem Fall der noch nicht als Sicherheit geleistete Zoll gemäß Art. 220 ZK nachträglich einzuziehen ist. Denn mit den Worten "den fälligen Zollbetrag" kann sinnvollerweise nur der Betrag gemeint sein, der sich aus der Differenz zwischen dem auf Basis des angemeldeten Preises bereits buchmäßig erfassten Zollbetrag einerseits und andererseits dem Zollbetrag ergibt, der auf der Basis des pauschalen Einfuhrwertes festzusetzen gewesen wäre (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 VO Nr. 3223/94). Die von der Klägerin zur Diskussion gestellte andere Auslegungsvariante, wonach der fällige Zollbetrag nur derjenige sein kann, der sich auf der Basis des angemeldeten Preises frei Grenze ergibt, wird dem Sinn der Vorschrift nicht gerecht. Denn insoweit kommt die in der Bestimmung vorgesehene Nacherhebung nicht mehr in Betracht, weil dieser Zollbetrag bereits auf Grund der Anmeldung buchmäßig erfasst ist.

bb) Nicht zu folgen ist der Klägerin ferner in ihrer Auslegung des Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 3223/94. Sie meint zu Unrecht, dass der in dieser Vorschrift geforderte Nachweis nur in den Fällen erforderlich sei, in denen der Einführer die erforderliche Sicherheit geleistet habe. Denn Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 3223/94 verlangt den Nachweis unabhängig davon, ob der Einführer eine Sicherheit geleistet hat oder nicht. Erst Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 3223/94 zieht im Hinblick auf eine geleistete Sicherheit die Folgerungen daraus, dass der Nachweis nicht geführt worden ist. Das schließt aber nicht aus, dass der Nachweis auch zu führen ist, wenn eine Sicherheitsleistung pflichtwidrig unterblieben ist. Für diesen Fall knüpft Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 3223/94 allgemein an die Verletzung der in diesem Artikel geregelten Pflichten an, zu denen auch die in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 3223/94 geregelte Nachweispflicht gehört.

Das HZA ist in dem angefochtenen Steueränderungsbescheid davon ausgegangen, dass die Klägerin diesen Nachweis nur für einen Teil der hier in Rede stehenden Gurken erbracht hat. Dass der Nachweis auch im Übrigen noch möglich gewesen wäre, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es kann daher dahin stehen, ob die für den Nachweis vorgeschriebenen Fristen (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und ggf. Abs. 3 VO Nr. 3223/94) auch im Streitfall anwendbar wären.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Formulierung "In diesem Fall können die Einführer mit dem Zoll belastet werden, ..." in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 VO Nr. 3223/94 nicht zu entnehmen, dass es im Ermessen der Zollbehörde liegt, ob der Einführer mit dem Zoll belastet wird, der bei einer Berechnung unter Zugrundelegung des betreffenden pauschalen Einfuhrwertes fällig gewesen wäre. Die Verwendung des Wortes "können" ist vielmehr daraus zu erklären, dass der Einführer mit dem in der genannten Regelung angesprochenen Zollbetrag nur dann belastet wird, wenn ihm der in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 3223/94 vorgeschriebene Nachweis nicht gelingt. Es handelt sich in diesem Fall also nicht um eine Ermessensvorschrift, sondern um die Berücksichtigung einer Bedingung, bei deren Eintritt der Zoll auf der Basis des pauschalen Einfuhrwerts berechnet und erhoben werden muss. Ferner ist diese Vorschrift an dieser Stelle erforderlich, um den Betrag der nach Art. 248 Abs. 1 ZKDVO festzusetzenden Sicherheit überhaupt bestimmen zu können. Im Übrigen wird durch die Formulierung deutlich, dass der Einführer, anstatt eine Sicherheit für den Differenzbetrag zu leisten, nach Art. 248 Abs. 1 Satz 3 ZKDVO beantragen kann, unmittelbar den gesamten Abgabenbetrag buchmäßig zu erfassen, dem die Waren letztlich unterliegen können.

dd) Die Rüge mangelhafter Sachverhaltsaufklärung, mit der die Klägerin beanstandet, dass das FG nicht aufgeklärt habe, ob das HZA überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat und nach welchen Kriterien diese Ermessensentscheidung ausgefallen ist, geht ins Leere, weil die Nacherhebung des Zolls --wie ausgeführt-- nicht von einer Ermessensentscheidung des HZA abhängt.

ee) Schließlich verstößt die beanstandete Nacherhebung des Zolls entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK. Nach dieser Vorschrift erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung des Zolls, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Im Streitfall fehlt es bereits an einem Irrtum der Zollbehörden. Denn, anders als die Klägerin meint, liegt ein Irrtum der Abfertigungsbeamten schon deswegen nicht vor, weil im Zeitpunkt der Abfertigung der Waren auf Grund der vereinfachten Zollanmeldung überhaupt noch nicht über die Leistung einer Sicherheit zu entscheiden war. Diese Entscheidung war frühestens jeweils nach Annahme der beiden Sammelzollanmeldungen (am 8. August und 5. September 1995) zu treffen, in denen die von der Klägerin beauftragte Spedition allerdings die zu leistenden Zollbeträge selbst berechnet hatte, ohne die erforderliche Sicherheitsleistung zu berücksichtigen. Dass das HZA eine Entscheidung getroffen hat, wonach die Klägerin keine Sicherheit zu leisten habe, ist weder behauptet noch vom FG festgestellt worden. Die kritiklose Entgegennahme der Selbstberechnung stellt aber als solche noch kein Verhalten dar, das auf einen aktiven, nach außen wirkenden, Vertrauen begründenden Irrtum der Abrechnungszollstelle (vgl. zu der Voraussetzung eines aktiven Irrtums st. Rspr. des Senats im Anschluss an die Rspr. des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--: Senatsurteil vom 12. Oktober 1999 VII R 6/99, BFH/NV 2000, 294, m.w.N.) schließen lässt (vgl. Witte/Alexander, Zollkodex, 2. Aufl., Art. 220 Rz. 17).

Aus dem von der Klägerin genannten Urteil des EuGH vom 22. Oktober 1987 Rs. 314/85 (EuGHE 1987, 4225, 4232 Rdnr. 24) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. In jenem Fall hatte die Zollstelle im Gegensatz zum Streitfall eine Entscheidung über die später streitige Frage getroffen, indem sie die Ware ohne Erhebung des Zolls zum freien Verkehr abfertigte. Es lag somit damals eine aktive Handlung der Zollstelle vor, die auf einen Irrtum zurückgeführt werden konnte.

Da somit im Streitfall kein aktiver Irrtum der Abrechungszollstelle vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob ein Irrtum der Zollbehörden in Anbetracht der Kompliziertheit der Materie und der Tatsache, dass die deutsche Sprachfassung des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 3223/94 nachträglich zweimal berichtigt worden ist, zu erkennen gewesen wäre.

3. Der Senat hält es nicht für erforderlich, in dieser Sache eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (ABlEG 1997 Nr. C 340/1, 1999 Nr. L 114/56) einzuholen, weil sich nach den vorstehenden Ausführungen keine vernünftige Zweifelsfrage hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften in dem Sinne ergibt, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415-3442, und Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).



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