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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: VII R 71/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 138 Abs. 1
1. Die einseitige Hauptsacheerledigung kann auch im Revisionsverfahren erklärt werden.

2. Das Bestehen einer berufseröffnenden Prüfung --hier: Steuerberaterprüfung-- im zweiten Anlauf führt zur Erledigung einer gegen die vorherige negative Prüfungsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage, wenn der Prüfungskandidat das Anfechtungsbegehren von vornherein erkennbar nur auf die Kassation der negativen Prüfungsentscheidung beschränkt hat und es ihm nicht um die Beseitigung des ihm aufgrund des Bescheides anhaftenden Makels eines Repetenten ging (Abgrenzung zu der Senatsentscheidung vom 22. März 1977 VII R 26/76, BFHE 122, 11, BStBl II 1977, 611, und zu den BVerwG-Urteilen vom 12. April 1991 7 C 36.90, NVwZ 1992, 56; vom 30. Juni 1972 VII C 22.71, BVerwGE 40, 205, und vom 13. Oktober 1972 VII C 17.71, BVerwGE 41, 34).


Gründe:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat die Steuerberaterprüfung 1998 nicht bestanden. Bei den schriftlichen Aufsichtsarbeiten erreichte die Klägerin die Gesamtnote 4,66 und wurde daher von der Teilnahme an der mündlichen Prüfung ausgeschlossen.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage, die sie auf die fehlerhafte Durchführung der schriftlichen Prüfung stützte, begehrte die Klägerin die Entscheidung über das Nichtbestehen der Prüfung aufzuheben und die beklagte Finanzbehörde zu verpflichten, sie eine der Klausuren wiederholen zu lassen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Mit der dagegen von dem FG zugelassenen Revision rügt die Finanzbehörde die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel.

Die Finanzbehörde beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich die Steuerberaterprüfung 1999/2000 bestanden hat, hat sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Finanzbehörde aufzuerlegen. Hilfsweise beantragt sie (sinngemäß), festzustellen, dass die Stellung der Bilanzsteuerrechtsklausur aufgrund fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig war.

Die Finanzbehörde sieht den Rechtsstreit nicht als erledigt an und hält an ihrem Revisionsantrag fest. Mit dem Bestehen der Steuerberaterprüfung 1999/2000 sei für die Klägerin zwar das subjektive Interesse an der Fortführung des Verfahrens entfallen, eine Erledigung sei aber nur zu bejahen, wenn das Klagebegehren infolge einer eintretenden Änderung der Sach- und/oder Rechtslage objektiv gegenstandslos geworden sei. Daran fehle es vorliegend, da sich durch das Bestehen der Prüfung die streitgegenständliche Prüfungsentscheidung nicht erledigt habe.

Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Auf den Antrag der Klägerin ist vielmehr die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Das angefochtene Urteil wird damit wirkungslos.

1. Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und schließt sich der Beklagte dieser Erklärung nicht an, ist der Rechtsstreit als Streit über die Erledigung fortzuführen. Mit der einseitigen Erledigungserklärung --die auch im Revisionsverfahren zulässig ist-- nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und beantragt stattdessen die Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 27. September 1979 IV R 70/72, BFHE 128, 492, BStBl II 1979, 779; vom 12. Oktober 1988 I R 212/84, BFHE 154, 491, BStBl II 1989, 106; vom 30. Juli 1997 I R 8/95, BFH/NV 1998, 187; Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Urteile vom 25. November 1981 1 WB 131.80, BVerwGE 73, 312; vom 31. Oktober 1990 4 C 7.88, BVerwGE 87, 62). Das Gericht hat dann nur noch über den Feststellungsantrag zu entscheiden. Der Erfolg der Klage sowie vorliegend des Rechtsmittels beurteilt sich mithin nur noch danach, ob die Erledigung des Rechtsstreits eingetreten ist.

2. Der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache erledigt.

Ein Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch das das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende, in dem Verfahren streitige Klagebegehren objektiv gegenstandslos geworden ist (BFH-Urteil vom 17. April 1996 I R 82/95, BFHE 180, 365, BStBl II 1996, 608, m.w.N.). Es reicht nicht aus, dass der Kläger an der Fortführung des Rechtsstreits kein Interesse mehr hat (BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 187; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 138 Anm. 2, m.w.N).

Im Streitfall war das Klagebegehren mit dem Hauptantrag zunächst auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides über das Nichtbestehen der Prüfung gerichtet (Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung). Da der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler sich lediglich auf den ersten Teil der Gesamtprüfung, die schriftliche Prüfung, bezog, und damit auch aus Sicht der Klägerin eine abschließende Entscheidung über das Bestehen der (Gesamt-)Prüfung nicht in Frage kam, hat sie insoweit zutreffend lediglich eine Anfechtungsklage und keine Verpflichtungsklage erhoben. Mit ihrem weiteren Begehren, die Behörde zu verpflichten, sie die Aufsichtsarbeit, Buchführung und Bilanzwesen wiederholen zu lassen, erstrebte die Klägerin die teilweise Wiederholung des ersten Prüfungsabschnittes. Das Begehren der Klägerin war daher auf ein schlichtes Verwaltungshandeln und nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, weshalb ihr diesbezüglicher Klageantrag entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut als Leistungsklage zu verstehen ist (vgl. zur Bestimmung der zutreffenden Klageart im Prüfungsverfahren: Niehues, Prüfungsrecht, NJW-Schriften 27/2, 3. Aufl., Anm. 381 ff.). Sowohl das Leistungs- als auch das Aufhebungsbegehren haben sich nach der Klageerhebung erledigt.

a) Die Erledigung ergibt sich für das auf die (teilweise) Wiederholung der Steuerberaterprüfung 1998 gerichtete Leistungsbegehren allein deshalb, weil die Klägerin die Steuerberaterprüfung 1999 bestanden hat. Denn die Steuerberaterprüfung kann nur einmal mit Erfolg absolviert werden (vgl. für die Verpflichtungsklage: Senatsurteil vom 22. März 1977 VII R 26/76, BFHE 122, 11, BStBl II 1977, 611). Eine Wiederholung der Prüfung nur zur Verbesserung der Abschlussnote ist in den einschlägigen Prüfungsbestimmungen (Steuerberatungsgesetz; Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften) nicht vorgesehen. Auch kommt der Gesamtnote eine völlig untergeordnete Funktion zu, da den Prüflingen lediglich über das Bestehen der Prüfung eine Bescheinigung ohne Mitteilung der Benotung ausgestellt wird.

b) Auch das Aufhebungsbegehren der Klägerin hat sich nach dem Bestehen der Wiederholungsprüfung in 1999/2000 erledigt. Allerdings hat das BVerwG in den Urteilen vom 12. April 1991 7 C 36.90 (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 1992, 56), vom 30. Juni 1972 VII C 22.71 (BVerwGE 40, 205) und vom 13. Oktober 1972 VII C 17.71 (BVerwGE 41, 34) und ihm folgend der erkennende Senat (Urteil in BFHE 122, 11, BStBl II 1977, 611) ein erledigendes Ereignis trotz bestandener Wiederholungsprüfung in den Fällen berufseröffnender Prüfungen verneint und demzufolge das Fortbestehen bzw. Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses der von den Klägern erhobenen Anfechtungsklagen bejaht. Diese Annahme findet ihre Rechtfertigung in der in dem negativen Prüfungsbescheid weiterhin enthaltenen Beschwer für den Prüfling. Denn die später bestandene Prüfung ist eine Wiederholungsprüfung und weist dem Prüfling --wie hier der Klägerin-- damit zwangsläufig den Status eines Repetenten zu. Er wird mit einem Makel versehen, der seine berufliche Perspektive beeinträchtigen könnte. Gleichwohl wird in den Entscheidungen die dem negativen Prüfungsbescheid weiter innewohnende Beschwer (nach bestandener Wiederholungsprüfung) nicht abstrakt und generell für alle Prüflinge bejaht. Vielmehr hängt auch danach das Vorliegen bzw. Fortbestehen der Beschwer von den weiteren persönlichen Planungen und Zielen des Prüflings ab und kann demgemäß unterschiedlich ausfallen (vgl. insbesondere BVerwG in NVwZ 1992, 56 ff.). Nur unter Heranziehung dieser ausschließlich in der persönlichen Situation der Kläger liegenden weiteren Umstände ist das fortbestehende Rechtsschutzbegehren der Kläger, welches über die bloße Kassation der negativen Prüfungsentscheidung hinausging, bejaht worden. Dabei lagen dem Senatsurteil in BFHE 122, 11, BStBl II 1977, 611 und den Urteilen des BVerwG in NVwZ 1992, 56, in BVerwGE 40, 205 und in BVerwGE 41, 34 Sachverhalte zugrunde, in denen der jeweilige Kläger an der erhobenen Anfechtungsklage festhalten wollte bzw. diese erst erhoben hat, nachdem die Wiederholungsprüfung bestanden war, er also das Vorliegen einer dem negativen Prüfungsbescheid anhaftenden Beschwer und sein Begehren, diese beseitigt wissen zu wollen, zum Ausdruck gebracht hat.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat sich das Klagebegehren der Klägerin vorliegend erledigt.

Ob ein bestimmtes Ereignis einen Rechtsstreit erledigt, richtet sich, wie ausgeführt, danach, was der Kläger ursprünglich beantragt hat. Dabei ist das Klagebegehren nicht nur anhand des Klageantrages zu bestimmen, sondern auch die Klagebegründung sowie das übrige Prozessverhalten zur Bestimmung heranzuziehen. Die Klägerin hatte die Klage zunächst fristwahrend erhoben. Sodann bat sie mit späterem Schriftsatz um Ruhen des Verfahrens, da sie sich zwischenzeitlich erneut zur Prüfung angemeldet habe und sie daher von einer Verfahrenserledigung ausgehe. Da die Finanzbehörde dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens widersprach, wiederholte die Klägerin mit weiterem Klagebegründungsschriftsatz ihr Begehren (Ruhen des Verfahrens) erneut unter Hinweis auf die anstehende Wiederholungsprüfung und kündigte lediglich hilfsweise weitere Klageanträge an. Unter Berücksichtigung dieses Prozessverhaltens geht der Senat davon aus, dass das Rechtsschutzziel bzw. das Rechtsschutzinteresse der Klägerin von vornherein ausschließlich darauf gerichtet war, die negative Prüfungsentscheidung zu beseitigen mit dem Ziel, die Prüfung fortzusetzen, um diese erfolgreich abschließen zu können. Die Klägerin, die bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung beabsichtigte, die Steuerberaterprüfung erneut zu absolvieren, wollte damit ersichtlich lediglich für den Fall Vorsorge treffen, dass sie auch die Wiederholungsprüfung nicht besteht, was angesichts der hohen Misserfolgsquote in den Steuerberaterprüfungen durchaus nachvollziehbar erscheint. Dafür spricht auch der hilfsweise gestellte Klageantrag, die erfolglose Teilnahme nicht als Fehlversuch zu werten. Das Rechtsschutzbegehren war demnach nur auf die Fortsetzung der Prüfung und damit mittelbar auf das Bestehen der Steuerberaterprüfung gerichtet. Der Klägerin ging es erkennbar nicht um die Beseitigung des der negativen Prüfungsentscheidung ebenfalls anhaftenden Makels und somit nicht um die Aufhebung des Bescheides um seiner selbst willen. Es obliegt aber allein dem Kläger, im finanzgerichtlichen Verfahren zu bestimmen, mit welchem Inhalt und in welchem Umfang eine Sache streitig wird. Die Bestimmung des Streitgegenstandes ist allein seine Sache (vgl. BFH-Beschluss vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99). Durch die Bestimmung des Klagebegehrens bringt der Kläger zum Ausdruck, inwieweit er sich in seinen Rechten verletzt sieht und diese Rechtsverletzung beseitigt wissen will. Nur insoweit ist eine Kassationsentscheidung durch das angerufene Gericht zu treffen. Hat vorliegend die Klägerin, wie ausgeführt, ihr Aufhebungsbegehren nur vor dem Hintergrund der Fortsetzung der Prüfung verstanden wissen wollen und hat sie der negativen Prüfungsentscheidung bezogen auf ihre Person für den Fall des Bestehens der Wiederholungsprüfung keine weitere Beschwer beigemessen, deren Beseitigung sie begehrt, hat sich ihr Klagebegehren mit dem Bestehen der Prüfung erledigt.

3. Da dem Antrag der Klägerin, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, zu entsprechen ist, ist das Urteil des FG für wirkungslos zu erklären. Anders als bei beiderseitigen Erledigungserklärungen wird das Urteil des FG nicht von selber wirkungslos (vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 1984 II R 30/81, BFHE 142, 357, BStBl II 1985, 218; vom 5. März 1991 VIII R 6/88, BFHE 164, 319, BStBl II 1991, 744).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (vgl. BFH-Beschluss vom 7. August 1979 VII B 15/79, BFHE 128, 344, BStBl II 1979, 709).

Ende der Entscheidung

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