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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: VII R 81/99
Rechtsgebiete: MinöStG, MinöStV


Vorschriften:

MinöStG 1993 § 25 Abs. 1 Nr. 4
MinöStG 1993 § 4 Abs. 1 Nr. 2
MinöStG 1993 § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c
MinöStV § 17 Abs. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden, dass der Senat auf Grund dessen durch Beschluss entscheiden kann (§ 126a der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Das Vorbringen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Schriftsatz vom 10. April 2001 führt zu keiner anderen Beurteilung.

1. Die Klägerin, ein Druck- und Verlagshaus, setzt in ihrer Druckerei beim Betrieb einer Rollenoffsetdruckmaschine Erdgas ein. Beim Rollenoffsetdruck werden besondere Druckfarben, die sog. Heat-Set-Farben, verwendet. Beim Auftragen der Farben auf die Papierbahnen werden diese infolge der in den Farben enthaltenen Lösungsmittel (hochsiedende Mineralölanteile) und durch andere Einwirkungen durchfeuchtet. Eine Weiterverarbeitung der Papierbahnen ist nur nach vorherigem Trocknen möglich. Zu diesem Zweck setzt die Klägerin vier Heißlufttrockner ein, die durch Verbrennen von Erdgas erhitzt werden. Während die Papierbahnen die Trockner durchlaufen, werden durch die erzeugte Hitze bei ca. 150-220 Grad Celsius die hochsiedenden Mineralölanteile und andere Schadstoffe aus den Papierbahnen verdampft (ausgetrieben) und mittels spezieller Abzugsventilatoren über besondere Rohrleitungen einer räumlich von den Trocknern getrennten thermischen Nachverbrennungsanlage zugeführt, in der ebenfalls durch Verbrennen von anderem, separat zugeführtem Erdgas die betreffenden Schadstoffe vernichtet (entsorgt) werden. Sobald die noch heißen Papierbahnen (ca. 130 Grad Celsius) den Trocknerbereich verlassen, werden sie zur Abkühlung auf etwa 20 Grad Celsius über mit Wasser gefüllte Kühlwalzen (Feuchtspindeln) geführt. Hier findet der eigentliche Trocknungsvorgang statt, denn infolge des Temperaturunterschieds zwischen der Papierbahntemperatur und der Kühlwalzentemperatur schließen sich die Farboberflächen. Auf diese Weise wird der Farbfilm so gefestigt ("gehärtet"), dass die Papierbahnen den weiteren Produktionsvorgängen gewachsen sind.

Mit Schreiben vom 14. November 1997 begehrte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) die Vergütung der Mineralölsteuer für die im III. Quartal 1997 bei ihrem Produktionsprozess eingesetzten Mengen an Erdgas. Mit Verfügung vom 20. November 1997 gab das HZA diesem Antrag im Hinblick auf das in der thermischen Nachverbrennungsanlage eingesetzte Erdgas statt, lehnte ihn aber für das in den Brennkammern der Trockner eingesetzte Erdgas (beanspruchter Vergütungsbetrag: ... DM) ab, weil es sich insoweit um ein die Vergütung der Steuer hinderndes Verheizen von Mineralöl handele. Der Einspruch der Klägerin (Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 1998) und die nachfolgende Klage hatten keinen Erfolg.

2. Das Finanzgericht (FG) hat zutreffend entschieden, dass das von der Klägerin bei dem Betrieb der Rollenoffsetdruckmaschine zur Erzeugung der erforderlichen Prozesswärme in den Trocknern eingesetzte Erdgas verheizt worden ist und daher nicht steuerfrei verwendet werden konnte. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vergütung der entsprechenden Mineralölsteuer nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 des Mineralölsteuergesetzes i.d.F. von Art. 5 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 --MinöStG 1993-- (BGBl I, 2150, 2185) i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 besteht daher nicht.

a) Unstreitig ist das Erdgas, für welches die Klägerin Steuervergütung begehrt, in den Brennkammern der zur Rollenoffsetdruckmaschine gehörenden Heißlufttrockner verbrannt worden, um die für den weiteren Produktionsprozess erforderliche Wärme zu erzeugen. Durch das Verbrennen des Erdgases wurde die die Brenner umgebende Luft erhitzt, um diese erhitzte Luft unter Einsatz der angebrachten Ventilatoren sowie unter Ausnutzung des in den Trocknern herrschenden Unterdrucks gezielt und bewusst, wie die Klägerin in ihrer Revisionsschrift selbst einräumt, auf die mit hoher Geschwindigkeit die Trockner durchlaufenden feuchten Papierbahnen zu lenken. Die erzeugte Wärme ist mithin, wie das FG richtig erkannt hat, zunächst auf die Luft als anderen Stoff übertragen worden, um damit, in einem zweiten Schritt, die Papierbahnen auf die für die Austreibung der Schadstoffe aus den darauf aufgetragenen Farben erforderliche Temperatur zu bringen. Die Wärmeerzeugung durch Verbrennen des eingesetzten Erdgases war auch nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung, denn sie war unabdingbar notwendig, um den weiteren Produktionsprozess zu ermöglichen. Damit sind aber bereits alle Merkmale des Begriffs des Verheizens, so wie ihn die Rechtsprechung des Senats begreift (s. zuletzt das Senatsurteil vom 21. November 2000 VII R 13/99, BFHE 193, 245 --Ammoniaksynthesegaserzeugung--) erfüllt.

Ebenso wie Wasserdampf (Senatsbeschluss vom 21. Januar 1997 VII B 84/96, BFH/NV 1997, 531) oder Rauchgas (Senatsurteil vom 30. September 1997 VII R 114/96, BFHE 184, 170, 175) kommt auch Heißluft die Eigenschaft eines neuen Wärmeträgers zu. Wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. zuletzt das genannte Senatsurteil in BFHE 193, 245), genügt jede Transportfunktion des die Verbrennungswärme aufnehmenden Stoffes, um diesen zum Energie- oder Wärmeträger zu machen. Einer zusätzlichen Wärmespeicherfunktion bedarf es nicht. Gerade der konkrete Einsatz des neuen Wärmeträgers und die damit bezweckte Wirkung rechtfertigen den Schluss, dass das zu seiner Erzeugung verbrannte Mineralöl verheizt worden ist.

b) Nach den Feststellungen des FG, gegen die die Klägerin keine Verfahrensrügen erhoben hat und die auch Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze nicht erkennen lassen, besteht der in erster Linie verfolgte Verwendungszweck des eingesetzten Erdgases in der Wärmegewinnung zur Aufheizung der Luft, um mittels dieses Wärmeträgers die erforderliche Aufheizung der Papierbahnen zu bewirken. Besteht aber der eigentliche und vorgreifliche Zweck des Erdgaseinsatzes in der Erzeugung von Heißluft als Energieträger und der Ausnutzung der in der erzeugten Heißluft gespeicherten und transportierten Wärmeenergie im Rahmen eines gewerblichen Herstellungsverfahrens, so handelt es sich um ein Verheizen von Mineralöl, das eine Steuerbefreiung für das eingesetzte Erdgas ausschließt. Ein gegenteiliges Ergebnis widerspräche der Grundkonzeption des Gesetzgebers, wonach die Mineralölsteuer als verwendungsorientierte Verbrauchsteuer auf Energieleistungen jegliche Nutzung von Mineralöl zur Erzeugung von motorischen Leistungen und Wärme erfassen soll (Senat in BFHE 184, 170, 172).

Eine die Annahme eines Verheizens ausschließende rechtliche Beurteilung des Mineralöleinsatzes wie in den vom Senat entschiedenen Fällen (vgl. die Senatsurteile vom 25. Oktober 1994 VII R 96/93, BFHE 176, 165 --Furnaceruß--, und vom 20. September 1994 VII R 57/93, BFHE 176, 502 --Abfackeln und Verbrennen von Abgasen--) kommt im Streitfall ersichtlich nicht in Betracht. Denn anders als im Streitfall fiel dort die Verbrennung des eingesetzten Mineralöls (einschließlich Erdgas) mit der chemischen Umwandlung (Cracken) bzw. Vernichtung des die Wärmeenergie aufnehmenden Stoffes in einem einheitlichen Vorgang zusammen, so dass sich die Frage einer Weiterleitung bzw. Übertragung der aufgenommenen Energie auf einen anderen Stoff gar nicht stellte. Im Streitfall kam es weder zu einer chemischen Umwandlung noch zu einer Vernichtung der die Wärmeenergie aufnehmenden Heißluft im Zusammenhang mit der Verbrennung des streitigen Erdgases. Eine (chemische) Reaktion, nämlich die Austreibung der Schadstoffe aus den Druckfarben, wobei offen bleiben kann, ob es sich dabei lediglich um einen physikalischen oder doch schon um einen chemisch-physikalischen Vorgang handelte, fand vielmehr erst an den zu bearbeitenden Papierbahnen als Folge der Wärmeübertragung statt. Darauf kommt es aber für die Frage des Verheizens nicht an, denn nach abgeschlossener Verwendung des Erdgases etwa verfolgte nachfolgende Verwendungszwecke müssen für die Gewährung der Steuerfreiheit außer Betracht bleiben.

c) Eine Steuerfreiheit kann im Streitfall auch nicht aus § 17 Abs. 11 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) vom 15. September 1993 (BGBl I, 1602) abgeleitet werden. Diese Vorschrift regelt Konkurrenzfälle, d.h. Fälle, in denen das zur Verwendung kommende Mineralöl neben einem begünstigten Zweck auch einen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c MinöStG 1993 von der Begünstigung ausgeschlossenen Zweck erfüllt. Vom grundsätzlichen Ausschluss einer steuerfreien Verwendung bei einer solchen Zweckkonkurrenz wird zugunsten des Verwenders in zwei Fällen abgesehen, nämlich einmal dann, wenn das Mineralöl in einem einheitlichen Verwendungsvorgang in erster Linie zu begünstigten Zwecken dienen soll, und zum anderen dann, wenn das Mineralöl bei zusammenhängenden Verwendungsvorgängen innerhalb eines Geräts oder einer Maschine überwiegend für begünstigte Zwecke verwendet wird.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass im Streitfall ein einheitlicher Verwendungsvorgang nicht etwa deshalb gegeben ist, weil Erdgas sowohl im Bereich der zur Rollenoffsetdruckmaschine gehörenden Trockner als auch bei der thermischen Nachverbrennungsanlage (dort anerkannt steuerfrei) eingesetzt wird. Zur Begründung hat das FG angeführt, dass wegen der unterschiedlichen eingesetzten technischen Einrichtungen und der Tatsache, dass die thermische Nachverbrennungsanlage hinweggedacht werden könne, ohne dass dadurch die technische Einsatzfähigkeit der Rollenoffsetdruckmaschine beeinträchtigt würde, die für die Annahme eines einheitlichen Verwendungsvorgangs erforderliche Einheitlichkeit des Produktionsablaufs nicht gegeben sei. Das ist nicht zu beanstanden. Insbesondere kann allein der Hinweis darauf, dass der Einsatz der thermischen Nachverbrennungsanlage einer gesetzlichen Auflage zur umweltverträglichen Beseitigung der schadstoffbelasteten Luft entspricht, einen einheitlichen Verwendungsvorgang nicht begründen.

Hinzu kommt, dass in den Brennern der Trockner und in der thermischen Nachverbrennungsanlage verschiedene und voneinander körperlich getrennte Mengen an Erdgas zum Einsatz kommen. Schon dies schließt die Anwendung des § 17 Abs. 11 MinöStV aus. Die Ausnahmeregelung von dem Grundsatz, dass bei Konkurrenz eines begünstigten mit einem nicht begünstigten Zweck keine Steuerfreiheit gewährt wird, in Satz 1 dieser Vorschrift ("es sei denn...") soll ersichtlich Härten abmildern, die dadurch entstehen, dass eine bestimmte Menge an eingesetztem Mineralöl, obwohl sie überwiegend einem begünstigten Zweck dient, nur deshalb nicht in den Genuss der Steuerfreistellung kommt, weil bei dem einheitlichen Verwendungsvorgang oder bei zusammenhängenden Verwendungsvorgängen innerhalb einer Produktionseinheit, notwendigerweise gleichzeitig oder unmittelbar aufeinander abfolgend ein an sich steuerschädlicher Nebenzweck (wie etwa das Verheizen) von untergeordneter Bedeutung verwirklicht wird. Die Zweckkonkurrenz muss sich daher, wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 193, 245 entschieden und eingehend begründet hat, auf ein und dieselbe Menge Mineralöl beziehen. Bei getrennten Einsatzmengen findet jede dieser Mengen, wie auch im Streitfall geschehen, unausweichlich ihre eigene steuerliche Behandlung.

d) Auch die von der Revision gegen die Auffassung des FG vorgebrachten weiteren Bedenken greifen nicht durch. Weder führt eine Gesamtbetrachtung des Produktionsprozesses im Betrieb der Klägerin, wie ausgeführt, zur Annahme eines einheitlichen Verwendungsvorgangs noch kann ein solcher hinsichtlich des insgesamt von der Klägerin zum Einsatz gebrachten Erdgases deshalb angenommen werden, weil die zur Wärmeerzeugung in den Trocknern eingesetzte Menge Erdgas prozessnotwendig in dem Sinne sei, dass ohne dieses Erdgas eine (chemische) Reaktion an den auf den Papierbahnen aufgetragenen Farben und damit der Herstellungsvorgang (Weiterverarbeitung der Papierbahnen) im Betrieb der Klägerin insgesamt nicht stattfinden könne. Denn allein die Tatsache, dass der Einsatz von Mineralöl zur Herstellung eines Produkts zwingend notwendig ist, entbindet nicht von der Prüfung, ob dieses Mineralöl bei seinem konkreten Einsatz zur Erzeugung von Wärmeenergie verheizt worden ist.

Die von der Revision schließlich erhobene Rüge der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch das HZA kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin keine vergleichbaren Fälle benannt hat, in denen die Zollverwaltung etwa gegenteilig entschieden hat. Vergleichbar wären, wie das HZA richtig ausgeführt hat, nur solche Fälle, bei denen der technische Produktionsablauf mit dem technischen Ablauf der Vorgänge im Betrieb der Klägerin im Wesentlichen identisch ist. Das ist ersichtlich bei den von der Klägerin benannten Anlagen nicht der Fall, da diese auf dem Prinzip eines kombinierten Trockners mit integrierter thermischer Nachverbrennungsanlage beruhen.



Ende der Entscheidung

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