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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: VIII B 197/07
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
AO § 174 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet; entgegen der Auffassung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) liegen die Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) oder wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht vor.

1. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage,

ob die Grundsätze der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des formellen Bilanzenzusammenhangs der Vorschrift des § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) vorgehen,

bezeichnet keine im Revisionsverfahren klärungsbedürftige Rechtsfrage.

a) Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nur, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, 52).

b) Die Klärungsbedürftigkeit fehlt im Streitfall, weil die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO in ständiger Rechtsprechung des BFH geklärt sind.

aa) Danach verlangt die Vorschrift nur, dass aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen ein bereits ergangener Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert wird und dass dabei eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts richtig gestellt wird. Die eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO ermöglichende Änderung des (anderen) Bescheids muss nach dem Gesetzeswortlaut lediglich durch einen Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen ausgelöst worden sein (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637). Zweck der Vorschrift ist es allein, nach antragsgemäßer Änderung eines Steuerbescheids ggf. unter Durchbrechung der Bestandskraft die in einem anderen Steuerbescheid gezogenen steuerlichen Folgerungen rückgängig zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 59/00, BFHE 195, 286, BStBl II 2001, 564), die sich nachträglich als unzutreffend erwiesen haben (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks VI/1982, S. 153, 154; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83). Die Vorschrift ist auf alle Fälle einer sachlichen oder rechtlichen Fehlbeurteilung anwendbar, wenn dadurch eine Besteuerungslücke geschlossen wird (BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89). Unerheblich ist danach, ob der Steuerpflichtige oder das FA den Irrtum veranlasst haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 286, BStBl II 2001, 564; BFH-Beschluss vom 28. Februar 2002 V B 167/01, BFH/NV 2002, 1010; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 62).

bb) Eine Klärungsbedürftigkeit ergibt sich auch nicht hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen § 174 Abs. 4 AO und dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs.

Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung müssen Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Nur wenn eine solche Berichtigung nicht mehr möglich ist, weil die Feststellungs- oder Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind oder keine Änderungsvorschrift --wie im Streitfall § 174 Abs. 4 AO-- eingreift, kommt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zum Tragen. Er ermöglicht dann die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist, soweit nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht oder der fehlerhafte Bilanzansatz (bestandskräftig) in den Vorjahren ohne Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Steuern geblieben ist (vgl. BFH-Urteile vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512, 516; vom 29. August 1996 VIII R 24/95, BFHE 182, 307; vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443; sowie vom 30. März 2006 IV R 25/04, BFHE 213, 315, BStBl II 2008, 171).

2. Des Weiteren ist die Revision nicht wegen Verfahrensmängeln nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

a) Soweit der Kläger geltend macht, dass FG habe zu Unrecht die Voraussetzungen des § 174 AO in einem Fall des Vorsatzes fehlerhafter Rechtsanwendung bejaht, betrifft dies allein das Verfahrensrecht der Behörde (Anwendung der AO), nicht aber das Gerichtsverfahrensrecht, dessen Verletzung allein mit der Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorzutragen ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 76, m.w.N.).

b) Soweit er sinngemäß geltend macht, das Finanzgericht (FG) habe unter Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 76 FGO Ermittlungen dazu unterlassen, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Veranlagung für das Jahr 1995 bewusst fehlerhaft durchgeführt habe, fehlt es schon an der nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Darlegung, welche konkreten Tatsachen das FG von sich aus hätte aufklären sollen und/oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, warum der Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und/oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 2001 V B 157/00, BFH/NV 2001, 926; vom 9. Februar 2006 VIII B 52/05, BFH/NV 2006, 1155; vom 16. Februar 2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051, m.w.N.).

3. Die weiteren Einwendungen des Klägers gegen die Ausführungen des FG insbesondere zur Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs betreffen allein die Rüge materiell-rechtlicher Unrichtigkeit, die die Möglichkeit der begehrten Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder wegen Verfahrensmängeln nicht eröffnet.



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