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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: VIII B 200/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Mit der Behauptung, der Sachverhalt des Urteils sei in einem wesentlichen Grund ungenau bzw. unrichtig und verstoße gegen den eindeutigen Inhalt der Steuerakten sowie der im Verfahren vorgelegten Buchführungsunterlagen, weil der Umfang der Lieferung an die Firma T-KG nicht, wie im Urteil des Finanzgerichts (FG) dargestellt, rund 42 v.H. des Gesamtumsatzes im Streitjahr 1996, sondern mehr als 83 v.H. betragen habe, hat das FA keinen Verfahrensmangel bezeichnet.

a) Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt oder seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachkommt. Insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen. Das FG darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lassen oder bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgehen - sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten.

Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint. Insoweit handelt es sich um materiell-rechtliche Fehler, nicht indes um einen Verfahrensverstoß (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 2006 VIII B 113/05, BFH/NV 2006, 803, m.w.N.).

Insbesondere müssen für eine ordnungsgemäße Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten aber die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt haben soll, genau bezeichnet und die sich daraus ergebenden wesentlichen Tatumstände benannt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303, m.w.N.; vom 20. Mai 2003 VIII B 212/02, juris).

b) Danach genügt es nicht, zur Begründung der Verfahrensrüge nur pauschal auf den "eindeutigen Inhalt der Steuerakten sowie der im Verfahren vorgelegten Buchführungsunterlagen" hinzuweisen.

Aus welchen konkreten, zum Gegenstand des Klageverfahrens gemachten Unterlagen sich die in der Beschwerdebegründung angegebenen weiteren Umsätze ergeben sollen, ist ebenfalls nicht erkennbar.

2. Ebenso wenig hat das FA die Divergenzrüge schlüssig vorgetragen.

a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Darüber hinaus ist insbesondere auch auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

b) Der BFH hat im Urteil vom 24. April 1997 IV R 60/95 (BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567) ausgeführt, eine Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- ("Abfärbetheorie") komme nur in Betracht, wenn die Tätigkeit nicht als einheitliche zu betrachtende Gesamttätigkeit anzusehen sei. Eine gemischte Tätigkeit müsse hingegen, unabhängig von der "Abfärbetheorie" danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gebe. Der An- und Verkauf von Waren sei der freiberuflichen Tätigkeit wesensfremd und führe zur gewerblichen Prägung der Gesamttätigkeit, sofern sie nicht ein notwendiges Hilfsmittel für die in jenem Fall unterrichtende oder ärztliche Tätigkeit sei und mit ihr kein besonderer Gewinn erstrebt werde. Der Verkauf von Computerhardware stelle nicht eo ipso ein notwendiges Hilfsmittel für die beratende Ingenieurtätigkeit dar. Dies gelte auch dann, wenn dem Kunden besonders daran gelegen gewesen sei, Software und Hardware aus einer Hand zu beziehen. Allerdings wolle der Senat nicht ausschließen, dass es Fälle geben könne, in denen dem Hardwareverkauf eines Ingenieurbüros eine derartig dienende Funktion zukomme.

Des Weiteren hat der BFH in diesem Zusammenhang ausgeführt, in jenem Verfahren hätten die Kläger Standard-Hardware verkauft, ohne dass dabei ein Bezug zu einer Ingenieurleistung zu erkennen gewesen sei. Deshalb hätten sie anhand konkreter Beispiele substantiiert und nachprüfbar darlegen müssen, weshalb die Ingenieurleistungen ohne Hardware-Lieferungen nicht hätten erbracht werden können.

Das FG ist im angefochtenen Urteil von einer einheitlichen Leistung der Lieferung der Geräte und der Verpflichtung zur Anpassung bei den Endkunden ausgegangen und hat --entsprechend dem auf S. 8 des Urteils in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend wiedergegebenen rechtlichen Maßstab-- stillschweigend eine freiberufliche Prägung dieser einheitlichen Gesamtleistung angenommen. Es ist im Sinne der BFH-Entscheidung von diesem notwendigen engen Zusammenhang zwischen Hardware-Lieferung und Ingenieurleistungen ausgegangen.

Ob diese rechtliche Wertung aufgrund unvollständiger oder unrichtiger tatsächlicher Feststellungen zustande gekommen ist oder im konkreten Fall fehlerhaft erscheint, wie das FA meint, ist für den Zulassungsgrund einer Divergenz unerheblich; denn dafür reicht eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen nicht aus, wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese indes fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalles anwendet. Nicht die Unrichtigkeit des angefochtenen FG-Urteils im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (BFH-Beschlüsse vom 16. April 2002 X B 140/01, BFH/NV 2002, 1046; vom 1. September 2004 II B 77/03, juris, m.w.N.).

3. Soweit das FA beanstandet, für die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) sei nach der angefochtenen Entscheidung weniger die tatsächliche Leistungserbringung als vielmehr die Absicht, ingenieurmäßige Leistungen zu erbringen, ausschlaggebend und damit gehe das FG weit über die bekannte BFH-Rechtsprechung hinaus, in der jeweils nur die tatsächlich erbrachten Leistungen beurteilt worden seien, wird weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Rechtsfortbildung oder der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlüssig geltend gemacht.

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu einer konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.). Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 I B 168/05, BFH/NV 2006, 1121).

Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem "ob" und ggf. "wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen (BFH-Beschluss vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256).

b) Das FA behauptet, ohne konkrete Zitate und insbesondere inhaltliche Auseinandersetzung, das FG gehe weit über die bekannte BFH-Rechtsprechung hinaus, in der jeweils nur die tatsächlich erbrachten Leistungen beurteilt worden seien. Mit diesem Vorbringen wird indes kein --erneuter oder weiterer-- Klärungsbedarf der Rechtsfrage dargetan, ebenso wenig wird damit die Abweichung von einer bestimmten Entscheidung des BFH ersichtlich.

4. Soweit das FA schließlich Verstöße des FG "gegen die Gesetze der Logik und des Marktes" ausmachen will, würde es sich dabei allenfalls um materielle Rechtsfehler handeln. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung vermag indes nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensverstoßes führen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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