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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.04.2009
Aktenzeichen: VIII B 222/08
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 S. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruht auch nicht auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen; ebenso wenig ist es offensichtlich willkürlich oder beruht auf Verfahrensmängeln.

1.

Dass eine ärztliche Notfallpraxis nicht als häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 9 Abs. 5 EStG anzusehen ist, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 5. Dezember 2002 IV R 7/01, BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463; vom 20. November 2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203, jeweils m.w.N.). Ebenso ist geklärt, nach welchen Kriterien ein häusliches Arbeitszimmer von einer im selbstgenutzten Wohnhaus gelegenen ärztlichen Notfallpraxis bzw. einer dort --neben der an einem anderen Ort betriebenen Kassenarztpraxis-- befindlichen Privatpraxis abzugrenzen ist (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203). Als Notfallpraxis sind danach Räume zu verstehen, die erkennbar besonders für die Behandlung von Patienten eingerichtet und für jene leicht zugänglich sind. Da die Beurteilung, ob die Räumlichkeiten entsprechend einer Praxis eingerichtet sind, im Einzelfall schwierig sein kann, misst der BFH der leichten Zugänglichkeit der Räumlichkeiten für die Patienten entscheidende Bedeutung zu. Die Einordnung als Praxis, die entsprechende ärztliche Einrichtung unterstellt, kommt daher nur in Betracht, wenn die Räumlichkeiten über einen von den privaten Räumen separaten Eingang verfügen. Das Vorliegen eines separaten Eingangs ist indes nicht unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer Praxis. Je nach baulicher Gestaltung im Einzelfall kann die nach außen erkennbare Widmung der Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr auch dann bejaht werden, wenn die Praxisräume und die Privaträume über einen gemeinsamen Eingangsbereich (etwa in Form eines Windfangs) verfügen. Der Eingangsbereich muss sich dann aber erkennbar von den ansonsten privat genutzten Räumlichkeiten absetzen und darf --abgesehen von einer Tür-- keine räumliche Verbindung zu diesen aufweisen. Muss der Notfallpatient demgegenüber erst einen Flur oder eine Diele durchqueren, die dem Privatbereich unterfallen, fehlt es an der nach außen erkennbaren Widmung der Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr und damit an der für die Patienten leichten Zugänglichkeit. Die Räumlichkeiten unterliegen dann unabhängig von ihrer Einrichtung dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (BFH-Urteil in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203).

Ob ein mit Wohnräumen des Arztes in räumlichem Zusammenhang stehender Raum als Praxis im vorstehenden Sinne anzusehen ist, muss im Einzelfall festgestellt werden. Die Feststellungslast trägt der Steuerpflichtige (BFH-Urteil in BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463).

Im Streitfall hat sich das FG bei seiner Entscheidung an der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BFH orientiert und ist nach Abwägung der Gesamtumstände des hier zu beurteilenden Einzelfalles und nach Anwendung der vom BFH entwickelten Abgrenzungskriterien zu dem Schluss gekommen, bei den zu beurteilenden Räumlichkeiten der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) handle es sich um ein häusliches Arbeitszimmer. Angesichts dieser Umstände ist eine über den Einzelfall der Kläger hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erkennbar. Ebenso ist das FG nicht von der Rechtsprechung des BFH abgewichen. Es könnte deshalb allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze auf die Besonderheiten des Streitfalles vorliegen. Das reicht aber grundsätzlich als Voraussetzung des Zulassungsgrundes des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht aus (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2002 VIII B 94/01, nicht veröffentlicht). Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn dieser Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder aber, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 200 ff.; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 55 und 68). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.

2.

Das FG-Urteil beruht auch nicht auf unzutreffenden tatsächlichen Feststellungen. Wenn das FG in den Urteilsgründen formuliert, die streitgegenständlichen Räume seien sowohl als Büro als auch als Patientenbehandlungsraum eingerichtet, so beruht das auf seiner Würdigung des Einzelfalles, die von den Feststellungen im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils getragen wird. Dort werden in der Einnahmen-Überschussrechnung für die Praxis Ansparabschreibungen für Einrichtungsgegenstände (Schreibtisch) genannt bzw. Abschreibungen auf Einrichtungsgegenstände (u.a. Sekretär, Schreibtischsessel, Schreibtischlampe, Schrank, Stuhl), die jedenfalls die Folgerung "Nutzung sowohl als Büro ..." tragen.

Unbegründet ist auch die Rüge, das FG habe für die Abgrenzung "häusliches Arbeitszimmer oder Betriebstätte" fehlerhafterweise auf die tatsächliche Nutzung der Räumlichkeiten abgestellt. Das FG hat bei seiner Urteilsfindung vielmehr als Hauptmaßstab auf die "leichte Zugänglichkeit der Räumlichkeiten" abgestellt und lediglich zusätzlich und hilfsweise als weiteres Indiz für die Eingebundenheit der Räumlichkeiten in die häusliche Sphäre den Umstand herangezogen, dass eine Toilette allenfalls im Privatbereich zur Verfügung gestanden und ein intensiver Publikumsverkehr nicht stattgefunden habe.

3.

Mit der Rüge, das FG habe durch Nichterhebung angebotener Beweise --im Streitfall: Vernehmung der Zeugen Dr. A und B-- seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, machen die Kläger zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Den Anforderungen der Vorschrift genügt ihr Vorbringen aber nicht. Da § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte --ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), muss außerdem vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 1994 I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238). Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Kläger nicht gerecht. Denn dass sie das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätten, ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2008 nicht.

Nicht begründet ist auch die Rüge, das FG-Urteil habe bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung festgestanden. Zwar könnte darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) und damit ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen. Unabhängig davon, ob der Klägervertreter angesichts der örtlichen Gegebenheiten im Sitzungssaal des FG überhaupt sehen konnte, ob ein vorgefertigtes Urteil tatsächlich vorgelegen hat, wird aber weder vorgetragen, dass das von ihm genannte Schriftstück bereits von allen Richtern unterzeichnet war, noch dass er diesen --angeblichen-- Verfahrensmangel vorsorglich bereits in der mündlichen Verhandlung oder jedenfalls kurz danach gerügt hätte. Tatsächlich hat das Gericht den Klägern nach ihrem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung mehr als zwei Stunden lang rechtliches Gehör bewilligt. Wenn die Kläger trotz dieses Umstandes wegen eines angeblich bereits feststehenden Urteils eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör geltend machen wollen, so hätten sie das rechtzeitig rügen müssen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass vor der mündlichen Verhandlung gefertigte Voten des Berichterstatters oder Entscheidungsvorschläge, die auf dem Sach- und Streitstand vor der mündlichen Verhandlung beruhen, lediglich der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dienen und keine Verletzung des Rechts auf Gehör beinhalten.

Ende der Entscheidung

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