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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.12.2004
Aktenzeichen: VIII B 252/04
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 73 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 121
FGO § 128 Abs. 3
FGO § 128 Abs. 3 Satz 2
FGO § 155
ZPO § 321a
ZPO § 321a Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VIII B 252/04 VIII S 23/04 (PKH)

Gründe:

A. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) beantragte mit Schreiben vom 30. Juli 2003 u.a., die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1997 auszusetzen. Zuvor beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Antragsgegner) gestellte Anträge hatten nur teilweise Erfolg.

In der Sache wehrt der Antragsteller sich gegen die Hinzuschätzung von Einkünften aus Kapitalvermögen; weiterhin begehrt er die Anerkennung von Zinsen in Höhe von 33 000 DM jährlich für einen zum Zwecke des Erwerbs von Kapitalanlagen aufgenommenen Kredit in Höhe von 300 000 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 14. Juli 2004 1 V 45/03 ab. Soweit der Antragsgegner die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide bereits teilweise ausgesetzt hatte, sah es den Antrag als unzulässig, im Übrigen als unbegründet an. Das FG ließ in seinem dem Antragsteller am 15. Juli 2004 zugestellten Beschluss die Beschwerde nicht zu. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es, dass die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) nur zulässig sei, wenn sie zugelassen worden sei.

Mit seiner von ihm persönlich erhobenen, an das FG gerichteten und dort am 30. Juli 2004 eingegangenen Beschwerde rügt der Antragsteller die Verletzung rechtlichen Gehörs. Außerdem ist er der Auffassung, dass es an einem fairen Verfahren gemangelt habe.

Gleichzeitig beantragt er die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren.

B. I. Die Verbindung des Beschwerdeverfahrens und des Verfahren über den Antrag auf Gewährung von PKH beruht auf §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

II. Beschwerde

1. Der Senat versteht die Beschwerde nicht als eine solche gegen die Nichtgewährung der AdV durch das FG, denn ein solches Rechtsmittel wäre unzulässig.

Die Beschwerde gegen einen Beschluss des FG über die AdV ist nur gegeben, wenn das FG sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 FGO; BFH-Beschluss vom 2. Februar 1994 II B 171/93, BFH/NV 1994, 647; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 186, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses des FG auch nicht missverständlich. Aus dem Hinweis, dass die Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie zugelassen worden ist, ergibt sich im Umkehrschluss mit hinreichender Deutlichkeit, dass bei Nichtzulassung der Beschwerde der Beschluss unanfechtbar ist.

Wie der Formulierung "wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist" (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO) zu entnehmen ist, findet eine Zulassung der Beschwerde in den Fällen des § 128 Abs. 3 FGO durch den BFH nicht statt (BFH-Beschluss vom 7. Januar 2000 VII B 292/99, BFH/NV 2000, 481, m.w.N.; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; vom 11. Dezember 2002 X S 9/02 (PKH), BFH/NV 2003, 495). Die in § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO vorgesehene entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO regelt mithin nur, nach welchen Kriterien das FG seine Entscheidung, ob die Beschwerde zugelassen werden soll, zu treffen hat. Eine Beschwerdezulassung durch den BFH findet auch dann nicht statt, wenn die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird (Gräber/Ruban, a.a.O., § 128 Rz. 14, m.w.N.).

2. Die Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser u.a. auch die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, ist im Wege der rechtsschutzgewährenden Auslegung als Gegenvorstellung anzusehen.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung ist mit dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl I 2001, 1887, BStBl I 2001, 546) zum 1. Januar 2002 und der Einfügung des § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) eine außerordentliche Beschwerde zum BFH wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht mehr statthaft (BFH-Beschlüsse in BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; in BFH/NV 2003, 495; vom 12. Dezember 2002 V B 185/02, BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270; vom 13. Februar 2003 IV B 28/03, BFH/NV 2003, 1063; vom 30. Juli 2003 VIII B 210/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2004, 55; vom 30. Oktober 2003 VI B 117/02, BFH/NV 2004, 355; vom 5. November 2003 I B 105, 106/03, BFH/NV 2004, 359; vom 22. März 2004 VIII B 134/03, BFH/NV 2004, 1117). Solche als Beschwerde oder außerordentliche Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelfe sind daher nach neuerer Rechtsprechung als an das FG gerichtete Gegenvorstellungen zu werten. Das entspricht der Interessenlage der Beteiligten, die nur auf diese Weise eine Prüfung des gerügten Verfahrensmangels erreichen können. Entsprechend hat sich der Antragsteller im vorliegenden Fall mit seiner Beschwerde auch an das FG und nicht an den BFH gewandt.

Eine Gegenvorstellung ist im vorliegenden Fall auch statthaft, da gegen die angefochtene Entscheidung kein förmlicher Rechtsbehelf gegeben ist und ein schwerwiegender Verfahrensfehler --hier ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör-- gerügt wird (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; in BFH/NV 2003, 1063).

Über die Gegenvorstellung entscheidet das Gericht, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat (BFH-Beschlüsse vom 2. Februar 1995 VII B 182/94, BFH/NV 1995, 898; vom 28. September 1998 VII B 154/98, BFH/NV 1999, 340; vom 24. Februar 2000 III B 1/00, BFH/NV 2000, 1111; vom 26. April 2001 X B 167/00, BFH/NV 2001, 1413; vom 10. April 2002 VIII B 122/01, BFH/NV 2002, 1309; in BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270; in BFH/NV 2004, 359; in BFH/NV 2004, 1117). Das Verfahren war also an das FG zurückzugeben. Dies geschieht durch Senatsbeschluss (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; in DStRE 2004, 55; in BFH/NV 2004, 1117). Das FG wird zu entscheiden haben, ob die gemäß § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO einzuhaltende Frist zur Erhebung der Gegenvorstellung gewahrt ist und ob die vom Antragsteller erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet ist.

III. PKH

Da der Senat über die Beschwerde in der Sache nicht entscheidet, sondern das Verfahren an das FG zurückgibt, ist er auch für die Entscheidung über den Antrag auf PKH nicht zuständig. Zuständig ist vielmehr das FG, bei dem der Antrag auch gestellt wurde. Das PKH-Verfahren ist daher, ebenso wie das Beschwerdeverfahren, durch Beschluss an das FG zurückzugeben.

IV. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

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