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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.10.1998
Aktenzeichen: VIII B 61/98
Rechtsgebiete: EStG, UmwG, AO 1977, FGO


Vorschriften:

EStG § 6b
UmwG § 2 Nr. 1
UmwG § 39
UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2
HGB § 247
AO 1977 § 350
AO 1977 § 352 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 352 Abs. 1 Nr. 3
AO 1977 § 352
AO 1977 § 352 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 40 Abs. 2
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 48
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) --eine GmbH & Co. KG-- ist Rechtsnachfolgerin der K-KG. An der K-KG waren im Streitjahr die K-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin mit 0,25 v.H., und die Eheleute X mit 94,7625 v.H. (Herr X) und mit 4,9875 v.H. (Frau X) als Kommanditisten beteiligt.

In den Jahren 1978 bis 1988 erzielte die K-KG Umsatzerlöse aus der Herstellung und dem Vertrieb von ... sowie aus der Vermietung und Verpachtung eigenen Grundbesitzes. Im Streitjahr 1987 veräußerte die K-KG vier ihrer bisher verpachteten Grundstücke in A an zwei zum X-Konzern gehörende Personengesellschaften. Für die Gewinne aus der Veräußerung dieser Grundstücke bildete die K-KG Rücklagen nach § 6b EStG.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, die Rücklagen nach § 6b EStG seien zu Unrecht gebildet worden, da die veräußerten Grundstücke dem Umlaufvermögen der Antragstellerin zuzurechnen seien. Das FA erließ entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide und setzte u.a. den Gewinn der K-KG für das Streitjahr 1987 durch Bescheid vom 23. April 1997 auf ... DM fest. Gegen diesen Bescheid hat die K-KG mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 15. Mai 1997 Einspruch eingelegt, über den das FA noch nicht entschieden hat.

Den Antrag der K-KG auf Aussetzung der Vollziehung hat das FA mit Verfügung vom 28. August 1997 abgelehnt.

Bereits durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Dezember 1996 war die K-KG mit Wirkung zum 31. Dezember 1996 auf die Antragstellerin im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß §§ 2 Nr. 1, 39 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) umgewandelt worden. Die Fusion wurde am 1. September 1997 in das Handelsregister eingetragen.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1997 --beim Finanzgericht (FG) am 27. Oktober 1997 eingegangen-- stellte die Antragstellerin "als Rechtsnachfolgerin der K-KG" beim FG den Antrag, die Vollziehung des geänderten Feststellungsbescheides 1987 vom 23. April 1997 aufzuheben.

Das FG hat den Antrag als unbegründet abgelehnt. Es hat die Beschwerde zugelassen.

Die Antragstellerin hat gegen den Beschluß des FG Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat.

Die Rechtsauffassung des FA, die veräußerten Grundstücke seien dem Umlaufvermögen der K-KG zuzuordnen, sei mit handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften nicht zu vereinbaren. Die Grundstücke seien dazu bestimmt gewesen, dauernd dem Betrieb der K-KG zu dienen (§ 247 des Handelsgesetzbuches --HGB--). Die K-KG habe deshalb für den bei der Veräußerung der Grundstücke entstandenen Gewinn Rücklagen nach § 6b EStG bilden können.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Vollziehung des geänderten Feststellungsbescheides 1987 vom 23. April 1997 in Höhe von ... DM ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung aufzuheben, und zwar mit Wirkung ab dem Fälligkeitstag bis zur Bestandskraft des Bescheides.

Das FA hat keinen Antrag gestellt.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die Antragstellerin ist zur Einlegung der Beschwerde schon deshalb befugt, weil der den Antrag ablehnende Beschluß gegen sie als Beteiligte ergangen ist (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, Vor § 115 Rz. 13). Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung unzulässig ist.

1. Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheides kann nur derjenige beantragen, der selbst befugt ist, Rechtsbehelfe gegen den Bescheid einzulegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. November 1993 I S 9/93, BFH/NV 1994, 684, m.w.N.). Die Antragstellerin ist als Rechtsnachfolgerin der K-KG nicht befugt, Einspruch oder Klage gegen diesen Bescheid einzulegen.

a) Feststellungsbescheide, in denen der Gewinn der Gesellschaft und die Anteile der Gesellschafter an diesem Gewinn als Grundlage für die Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer festgestellt werden, richten sich nach ihrem Inhalt und ihren Wirkungen gegen die Gesellschafter, so daß diesen nach § 350 der Abgabenordnung (AO 1977), § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch die Befugnis zustehen müßte, gegen diesen Bescheid Einspruch einzulegen oder Klage zu erheben. Diese Befugnis wird jedoch durch §§ 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO i.d.F. des Gesetzes vom 24. Juni 1994 --BGBl I, 1403-- (entspricht §§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 a.F., 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F.) eingeschränkt. Danach sind im Regelfall nur die zur Vertretung befugten Geschäftsführer der Gesellschaft befugt, gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Einspruch einzulegen oder Klage zu erheben. Den Gesellschaftern selbst steht ein eigenes Einspruchs- oder Klagerecht gegen Feststellungsbescheide nur in den Fällen zu, in denen die Voraussetzungen der §§ 352 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AO 1977 n.F., 48 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 FGO n.F. vorliegen.

b) Die Rechtsprechung hat §§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 a.F., 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. in dem Sinne ausgelegt, daß die Befugnis, gegen den Feststellungsbescheid Rechtsbehelfe einzulegen, von der Personengesellschaft wahrgenommen wird, die hierbei durch ihre nach Gesellschaftsrecht vertretungsberechtigten Gesellschafter handelt (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672; BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333). Die Gesellschaft wird dabei in gesetzlicher Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter tätig (BFH-Urteile vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333). An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung der §§ 352 AO 1977, 48 FGO nichts geändert (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94, BFH/NV 1996, 485).

c) Die Befugnis der Personengesellschaft, für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, entfällt mit ihrer Vollbeendigung. Die gesetzliche Prozeßstandschaft geht nicht auf einen Rechtsnachfolger der Personengesellschaft über (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; in BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333; Beschluß in BFH/NV 1994, 684). Dabei ist es gleichgültig, ob an dem Rechtsnachfolger einzelne oder alle früheren Gesellschafter der vollbeendeten Personengesellschaft beteiligt sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom 21. Juni 1994 VIII R 5/92, BFHE 174, 451, BStBl II 1994, 856; Beschluß vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426). Nach Vollbeendigung der Personengesellschaft sind allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter einspruchs- und klagebefugt (BFH-Urteile in BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333; in BFHE 174, 451, BStBl II 1994, 856). Unter der Geltung der §§ 352 AO 1977 n.F., 48 FGO n.F. ergibt sich dies auch aus §§ 352 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977, 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO n.F. Danach ist jeder Gesellschafter, gegen den der angefochtene Feststellungsbescheid ergangen ist, einspruchs- und klagebefugt, wenn zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugte Personen im Sinne der Nr. 1 nicht vorhanden sind (vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 48 FGO Tz. 12). Die Vollbeendigung der Personengesellschaft führt notwendig zum Wegfall der Vertretungsbefugnis ihrer geschäftsführenden Gesellschafter (Urteil in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333).

d) Die Antragstellerin ist Rechtsnachfolgerin der K-KG, die aufgrund des notariell beurkundeten Vertrages vom 23. Dezember 1996 mit der Antragstellerin verschmolzen wurde. Mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister am 1. September 1997 ist die K-KG vollbeendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG; BFH-Beschluß in BFH/NV 1994, 684). Die Befugnis der K-KG, in Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter in Gewinnfeststellungssachen Rechtsbehelfe einzulegen und Anträge zu stellen, ist damit erloschen. Diese Befugnis steht seit dem 1. September 1997 allein den im Streitjahr 1987 an der K-KG beteiligten Gesellschaftern zu. Der am 27. Oktober 1997 beim FG von der Antragstellerin als Rechsnachfolgerin der K-KG eingereichte Antrag auf Aufhebung der Vollziehung war deshalb unzulässig. Das FG hätte nicht sachlich über ihn entscheiden dürfen.

2. Der Antrag kann im Streitfall nicht dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden, daß er im Namen einzelner oder aller im Streitjahr an der K-KG beteiligten Gesellschafter oder --soweit diese verstorben oder durch Umwandlung erloschen sind-- ihrer Rechtsnachfolger gestellt worden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Mai 1995 VIII B 146/94, BFH/NV 1995, 1077; Urteil des FG München vom 26. November 1993 10 K 10204/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 760). Der Antrag vom 23. Oktober 1997 ist eindeutig namens und im Auftrag der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der K-KG gestellt worden. Weder aus der Antragsschrift noch aus der eingereichten Prozeßvollmacht ergeben sich irgendwelche Hinweise darauf, daß der Prozeßbevollmächtigte den Antrag für die Gesellschafter der vollbeendeten K-KG stellen wollte. Die beim FG vorgelegte Vollmacht wurde von den früheren Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Antragstellerin unterzeichnet. Aus dem den Unterschriften vorangestellten Zusatz ergibt sich, daß die GmbH nicht im eigenen Namen, sondern als Geschäftsführerin der Antragstellerin handeln wollte. Die Vollmacht wurde ferner ausdrücklich von der Antragstellerin als Mandantin in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der K-KG erteilt. Unter diesen Umständen kommt eine Auslegung der Antragsschrift dahingehend, daß der Antrag für die ehemaligen Gesellschafter der K-KG gestellt werden sollte, nicht in Betracht. Gegen eine solche Auslegung spricht auch, daß der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin im Schriftsatz vom 12. August 1998 die Ansicht vertreten hat, die Antragstellerin könne als Gesamtrechtsnachfolgerin der K-KG in Prozeßstandschaft für die früheren Gesellschafter Rechtsbehelfe einlegen und Anträge stellen.

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