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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.03.1999
Aktenzeichen: VIII R 24/97
Rechtsgebiete: AO 1977, StrbEG


Vorschriften:

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 153 Abs. 1
StrbEG § 2 Abs. 1 Satz 1
StrbEG § 1 Abs. 1
StrbEG § 2 Abs. 1 Satz 3
StrbEG § 1 Abs. 1 Satz 1
StrbEG § 1
StrbEG § 2
StrbEG § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Alleinerbe seines im Jahr 1988 verstorbenen Vaters. Dieser hatte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1978 ebenso wie in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre davor und danach hohe, im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte nicht angegeben. Nach dem Tod seines Vaters erklärte der Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 1989 dessen Einkünfte aus Kapitalvermögen in den Jahren 1986 bis 1988 vollständig. Gleichzeitig unterrichtete er den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) davon, daß der Nachlaß seines Vaters im Zeitpunkt des Erbfalls u.a. bei einer ausländischen Bank unterhaltenes Kapitalvermögen in Höhe von ... DM umfaßt habe.

Eine Nacherklärung der im Streitjahr 1978 aus dem im Ausland deponierten Kapitalvermögen vom Erblasser erzielten Kapitaleinkünfte lehnte der Kläger ab. Das FA schätzte deshalb diese Kapitalerträge und erließ am 28. Dezember 1989 gegen den Kläger als Rechtsnachfolger seines Vaters einen entsprechenden, auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Einkommensteueränderungsbescheid 1978.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger, den Einkommensteueränderungsbescheid 1978 aufzuheben. Er machte zum einen geltend, daß der streitige Steueranspruch bei Erlaß des angefochtenen Änderungsbescheids mangels Vorliegens einer Steuerhinterziehung des Erblassers bereits verjährt gewesen sei. Zum anderen habe das FA den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid auch deswegen nicht (mehr) erlassen dürfen, weil durch seine, des Klägers, vollständige Nacherklärungen der Einkünfte des Erblassers aus Kapitalvermögen für die Veranlagungszeiträume ab 1986 die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen (StrbEG) für ein Absehen von der Steuerfestsetzung für Veranlagungszeiträume vor 1986 erfüllt worden seien. § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG stehe dem nicht entgegen, weil diese Regelung gegen Art. 3 und Art. 14 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 1512).

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 StrbEG. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG angenommen, daß der Kläger in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG für ein Absehen von der Steuerfestsetzung für Veranlagungszeiträume vor 1986 erfüllt hat und daß § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG diesem Ergebnis nicht entgegensteht.

1. Der Kläger hat in Erfüllung seiner aus § 153 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 folgenden Verpflichtung innerhalb der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG statuierten Frist die in bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen unrichtigen Einkommensteuererklärungen seines Vaters für die Jahre ab 1986 berichtigt bzw. --soweit der Vater noch keine entsprechende Steuererklärung abgegeben hatte-- von vornherein die Einkünfte aus Kapitalvermögen seines Vaters vollständig erklärt. Mit diesen Erklärungen hat der Kläger bewirkt, daß er für die (objektiven) Steuerverkürzungen durch seinen Vater in den Veranlagungszeiträumen vor 1986 nicht strafrechtlich oder wegen einer bußgeldbewährten Steuerordnungswidrigkeit belangt werden konnte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muß auch davon ausgegangen werden, daß die im Zeitpunkt der "strafbefreienden Erklärung" des Klägers bereits verkürzten Steuern innerhalb der in § 1 Abs. 2 StrbEG vorgesehenen Frist (nach-)entrichtet wurden.

Danach hat der Kläger die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG für ein Absehen von der Steuerfestsetzung gegen ihn als Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters für Veranlagungszeiträume vor 1986 und damit auch für das Streitjahr 1978 verwirklicht.

2. Diesem Ergebnis steht § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG nicht entgegen. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 28. Juli 1998 VIII R 87/94 (BFHE 186, 396, BStBl II 1998, 777, unter II. 1. b, aa, 3. Abs. der Gründe) ausgeführt hat, ist der Wortlaut dieser Regelung insoweit zu weit geraten und bedarf deshalb der teleologischen Einschränkung, als von ihm auch solche Konstellationen erfaßt werden, in welchen Erbfälle mangels Bestehens von Anzeigepflichten Dritter schon in abstracto nicht zur Aufdeckung des steuererheblichen Sachverhalts führen können. Eine solche Sachlage liegt, worauf der erkennende Senat bereits in der zitierten Entscheidung hingewiesen hat, vor allem dann vor, wenn es sich --wie auch im hier vorliegenden Streitfall-- um im Ausland unterhaltenes Kapitalvermögen handelt.

Die nach vorstehender Maßgabe gebotene teleologische Einschränkung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG, die im übrigen auch das dem Verfahren VIII R 87/94 (Urteil in BFHE 186, 396, BStBl II 1998, 777) beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) befürwortet hatte, ergibt sich insbesondere aus folgenden Erwägungen:

Die Regelungen der §§ 1 und 2 StrbEG verfolgten das Ziel, dem Bürger aus rechts- und finanzstaatlichen Gründen den Weg in die Steuerehrlichkeit zu erleichtern. Steuerunehrliche sollten an die Legalität herangeführt, die steuerpflichtigen Einkünfte vollständig erfaßt und damit die Staatseinnahmen vermehrt werden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89, BStBl II 1991, 652, unter B. 2. b der Gründe). Damit kam dem Umstand der Freiwilligkeit der "Rückkehr in die Legalität" entscheidende Bedeutung zu. War der Fiskus in der Lage, sich die Steuereinnahmequelle auch ohne die (freiwillige) Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu erschließen, so bedurfte es den in § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StrbEG geschaffenen Anreizen (Steuerfreiheit, Absehen von Steuerfestsetzungen für die Jahre vor 1986) nicht. Darin lag --wie auch die amtliche Gesetzesbegründung belegt (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 198)-- der Sinn der Ausschlußnorm des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG: Im Erbfall sind die Finanzbehörden in aller Regel auf eine (freiwillige) Mitwirkung der Erben bei der Erschließung der Steuerquelle nicht angewiesen, weil die inländischen Vermögensverwalter und -verwahrer (z.B. Kreditinstitute) dem FA gemäß § 33 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) die Konten- und Depotbestände des Erblassers anzuzeigen haben.

Die Verpflichtung nach § 33 ErbStG trifft indessen naturgemäß nicht die ausländischen Vermögensverwalter und -verwahrer. Bei den im Streitfall in Rede stehenden ausländischen Kapitalanlagen war der deutsche Fiskus daher bei der "Erschließung dieser Steuerquelle" genauso auf die Mitwirkung des Erben (Klägers) angewiesen, wie er auf die Mitwirkung des Erblassers angewiesen gewesen wäre, wenn dieser weitergelebt hätte.

Dies rechtfertigt und gebietet es aber, den Erben von Auslandskapitalvermögen genauso in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG einzubeziehen, wie dies für den Erblasser gegolten hätte (vgl. auch schon Senatsbeschluß vom 9. Februar 1996 VIII B 25/95, BFH/NV 1996, 605).

Ende der Entscheidung

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