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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: VIII R 27/00
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
HGB § 249 Abs. 1
HGB § 255 Abs. 1
1. Bürgschaften, die die Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft für Verbindlichkeiten der Betriebskapitalgesellschaft übernehmen, können durch den Betrieb der Besitzpersonengesellschaft veranlasst sein und damit zum negativen Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter-Bürgen bei der Besitzpersonengesellschaft gehören, wenn die Übernahme der Bürgschaften zu nicht marktüblichen (fremdüblichen) Bedingungen erfolgt.

2. Die Inanspruchnahme der Gesellschafter aus solchen Bürgschaften führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten für die zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Besitzpersonengesellschaft gehörenden Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft. Der Umstand, dass Verbindlichkeitsrückstellungen nur für solche künftigen Aufwendungen gebildet werden dürfen, die zu sofort abziehbaren Betriebsausgaben führen und nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren sind, steht deshalb einer Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme aus solchen Bürgschaften nicht entgegen.


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ist eine Besitzgesellschaft, an der A, B und C zu je einem Drittel beteiligt sind. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Sie verpachtete ab 1. Januar des Streitjahres 1993 ihr ...-Unternehmen an die ABC-GmbH (GmbH; Betriebsgesellschaft), an welcher ebenfalls die oben genannten drei Gesellschafter zu je einem Drittel beteiligt waren. Das Stammkapital der GmbH (Betriebsgesellschaft) betrug 51 000 DM. Die GmbH-Anteile der drei Gesellschafter wurden in der Gesamtbilanz der Klägerin (GbR) als Anlagevermögen ausgewiesen. Sie stellen unstreitig Sonderbetriebsvermögen der drei Gesellschafter bei der Klägerin dar.

Am 12. Oktober 1993 übernahmen die drei Gesellschafter der Klägerin und der Betriebs-GmbH zur Sicherung von Kreditansprüchen der Volksbank S gegen die Betriebs-GmbH jeweils unentgeltliche selbstschuldnerische Bürgschaften in Höhe von 50 000 DM, zusammen also in Höhe von 150 000 DM.

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der GmbH (Jahresfehlbetrag 1993: 430 550 DM; davon am 31. Dezember 1993 nicht durch Eigenkapital gedeckt: 390 940 DM) schrieb die Klägerin in ihrer Gesamtbilanz zum 31. Dezember 1993 die zuvor mit 51 000 DM aktivierte GmbH-Beteiligung auf einen Erinnerungswert von 1 DM ab und bildete zugleich eine Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme aus den Bürgschaften ihrer Gesellschafter in Höhe von 150 000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Rückstellung nicht an und verminderte deshalb im angefochtenen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb den von der Klägerin für das Streitjahr 1993 erklärten Gesamtverlust um 150 000 DM auf 43 618 DM. Ausgehend von diesem um den streitigen Rückstellungsaufwand reduzierten Verlust stellte das FA in dem ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 17. April 1994 den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 1993 mit 21 921 DM fest.

Das Finanzgericht (FG) hat die gegen beide Bescheide erhobene Klage als unbegründet abgewiesen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 1214).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und

- den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid 1993 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von minus 193 618 DM festgestellt werden,

sowie

- den angefochtenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1993 mit der Maßgabe zu ändern, dass der gewerbesteuerliche Verlustvortrag auf der Grundlage negativer Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von minus 193 618 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme aus den in Rede stehenden Bürgschaften in den Sonderbilanzen der Gesellschafter der Klägerin stehe der Umstand entgegen, dass eine Inanspruchnahme aus diesen Bürgschaften zu nachträglichen Anschaffungskosten der Gesellschafter auf deren ebenfalls zum Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin gehörenden Beteiligungen an der Betriebs-GmbH führten.

1. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) gebietet die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzt u.a. voraus,

- eine betrieblich veranlasste und konkretisierte Verbindlichkeit gegenüber einem anderen, die nach Entstehung, Grund und/oder Höhe und/oder Fälligkeit ungewiss ist; (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 1989 I R 86/85, BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550, unter II. 7. der Gründe; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 5 Rz. 361, m.w.N.);

- die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbindlichkeit besteht oder entstehen wird und der Steuerpflichtige daraus in Anspruch genommen wird. Der Steuerpflichtige muss mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen (können); die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht zur Bildung einer Rückstellung nicht aus (vgl. z.B. Senatsurteil vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359);

- die künftigen Ausgaben müssen sofort als Betriebsausgaben abziehbar, dürfen also ihrer Art nach nicht als Anschaffungskosten oder Herstellungskosten zu aktivieren sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. August 1998 XI R 8/96, BFHE 186, 417, BStBl II 1999, 18; vgl. nunmehr auch § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG n.F.).

2. Nach diesen Grundsätzen hätte die Klägerin die streitigen Rückstellungen in den Sonderbilanzen ihrer Gesellschafter jedenfalls dann nicht bilden können und dürfen, wenn die Übernahme der Bürgschaften durch ihre Gesellschafter für (Kredit-) Verbindlichkeiten der Betriebs-GmbH nicht durch den Betrieb der Klägerin (Besitzgesellschaft) veranlasst gewesen wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1998 VIII R 46/95, BFHE 187, 425, BStBl II 1999, 357, unter II. 2. a der Gründe, m.w.N., und vom 19. Oktober 2000 IV R 73/99, BFHE 193, 354, BStBl II 2001, 335, unter II. 1. der Gründe, m.w.N.) gehören zum Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft nicht nur die im Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsvermögen) der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgüter. Vielmehr zählen hierzu auch Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer gehören, die jedoch geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I) oder die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft eingesetzt werden (Sonderbetriebsvermögen II).

a) Im vorliegenden Streitfall gehörten die von den Gesellschaftern der Klägerin und der Betriebs-GmbH persönlich eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen und die damit korrespondierenden Freistellungs- bzw. Regressansprüche gegen die Betriebs-GmbH zwar nicht zum (negativen und positiven) Gesamthandsvermögen der Klägerin. Ebenso wenig gehörten sie zum Sonderbetriebsvermögen I der Gesellschafter der Klägerin, weil hierzu nur Wirtschaftsgüter rechnen, welche objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb der Personengesellschaft selbst bestimmt sind (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 187, 425, BStBl II 1999, 357, unter II. 2. b der Gründe, m.w.N.), wozu insbesondere solche Wirtschaftsgüter gehören, die ein Gesellschafter der Personengesellschaft zur Nutzung für ihre eigengewerbliche Tätigkeit überlässt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1991 IV R 94/90, BFHE 164, 540, BStBl II 1991, 800).

b) Zu Recht gehen das FG und die Beteiligten übereinstimmend jedoch davon aus, dass die streitigen Bürgschaftsverpflichtungen und die mit ihnen korrespondierenden Befreiungs- bzw. Ersatzansprüche, wenn sie denn bilanziell auszuweisen sind (vgl. dazu unten II. 4.), dem Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Klägerin zuzuordnen sind.

aa) Sonderbetriebsvermögen II kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das betreffende Wirtschaftsgut ein Mittel darstellt, um besonderen Einfluss auf die Personengesellschaft auszuüben und damit unmittelbar die Stellung des Gesellschafters in der Personengesellschaft zu stärken (vgl. z.B. Senatsurteil vom 30. März 1993 VIII R 8/91, BFHE 172, 19, BStBl II 1993, 864, m.w.N.). Die Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft kann dabei sowohl dadurch gestärkt werden, dass der Besitz des Wirtschaftsguts für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft ist, als auch dadurch, dass es der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters selbst dient (Senatsurteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383).

bb) In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH zu den Fällen, in denen die Gesellschafter der Besitzgesellschaft der Betriebs-GmbH Darlehen gewähren, ein gewichtiges Indiz für die Stärkung der Beteiligung der Gesellschafter an der Besitzpersonengesellschaft und damit für die Zugehörigkeit der betreffenden Darlehen zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Besitzpersonengesellschaft darin gesehen, dass die Darlehen der Betriebs(kapital)gesellschaft zu nicht marktüblichen bzw. fremdüblichen Bedingungen gewährt werden (vgl. zuletzt BFH-Urteil in BFHE 193, 354, BStBl II 2001, 335, unter II. 1. b und c der Gründe). Entsprechendes muss für den hier zu beurteilenden --wirtschaftlich vergleichbaren-- Fall gelten, dass die Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft der Betriebs-GmbH, statt Letzterer eigene Kredite zu gewähren, durch die Übernahme entsprechender Bürgschaften die Aufnahme von Krediten bei Fremdgläubigern (hier: der Volksbank S) ermöglichen.

cc) Nach diesen Grundsätzen rechneten die streitigen Bürgschaftsverpflichtungen und die mit ihnen korrespondierenden Befreiungs- und Ersatzansprüche zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Klägerin: Die Gesellschafter der Klägerin hatten die Bürgschaften für die Bankschulden der Betriebs-GmbH nicht zu drittüblichen Bedingungen übernommen. Dies folgt vor allem daraus, dass die Gesellschafter die in Rede stehenden Bürgschaften zu einem Zeitpunkt übernahmen, als sich die GmbH bereits in einer sehr angespannten wirtschaftlichen Lage befand und --zumindest buchmäßig-- erheblich überschuldet war. In dieser Krisensituation hätte ein fremder Dritter (Nichtgesellschafter der GmbH) entsprechende Bürgschaften --wenn überhaupt-- allenfalls gegen die Gewährung einer angemessenen (erhöhten) Risikoprämie übernommen, wo hingegen die Gesellschafter der Klägerin die Personalsicherheiten sogar unentgeltlich gewährten.

Die Gesellschafterbürgschaften dienten folglich dazu, die Vermögens- und Ertragslage der Betriebs-GmbH zu verbessern. Sie stärken dadurch zugleich die Beteiligung der Gesellschafter an der Klägerin (Besitzpersonengesellschaft) auf zweifache Weise: Zum einen dienten diese finanziellen Maßnahmen zur Stützung der Betriebs-GmbH der Sicherung und Erhaltung der laufenden Pachteinnahmen der Klägerin selbst. Zum anderen führten diese Maßnahmen aber auch zu einer Stärkung der Mitunternehmerstellung der Gesellschafter in der Klägerin, indem die Bürgschaften --gleichsam reflexartig-- den Wert der zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Klägerin gehörenden Anteile an der Betriebs-GmbH erhielten oder gar erhöhten. Letzteres erhellt nicht zuletzt auch aus der Erwägung, dass sich die Betriebs-GmbH infolge der Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsübernahmen Aufwendungen (Betriebsausgaben) ersparte und ein dadurch verursachter höherer Gewinn zu Ausschüttungen führen konnte, die im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Anteile der Gesellschafter an der Betriebs-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der Klägerin Sonderbetriebseinnahmen darstellten und damit den Gesamtgewinn der Klägerin erhöhten. Gerade die Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsgewährung schließt die für eine Zuordnung der Bürgschaften zum eigenen, außerhalb der Klägerin (GbR) angesiedelten (privaten) Interessenbereich der Gesellschafter sprechende Annahme aus, die betreffenden Sicherheitsleistungen seien (vorrangig) durch private Erwägungen, etwa dem Wunsch nach einer günstigen Einnahmequelle, bestimmt worden (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 193, 354, BStBl II 2001, 335, unter II. 1. a der Gründe).

3. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, die Bildung der streitigen Rückstellungen in den Sonderbilanzen der Gesellschafter bei der Klägerin scheitere daran, dass eine etwaige künftige Inanspruchnahme der Gesellschafter aus den Bürgschaften nicht zu sofort abziehbarem Aufwand, sondern zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Anteile an der Betriebs-GmbH führe.

aa) Zwar hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung zum Bereich des § 17 EStG die Auffassung vertreten, dass der Begriff der Anschaffungskosten im Sinne dieser Vorschrift mit Rücksicht auf das die Einkommensbesteuerung bestimmende Nettoprinzip weit auszulegen ist und demgemäß als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG nicht nur Aufwendungen in Betracht kommen, die auf der Ebene der (Kapital-)Gesellschaft als Nachschüsse (vgl. § 26 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder verdeckte Einlagen zu werten sind, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Aufwendungen des Gesellschafters, sofern diese nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Veräußerungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG sind (aus jüngerer Zeit vgl. z.B. Senatsurteile vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter II. 3. a der Gründe; vom 12. Dezember 2000 VIII R 62/93, BFHE 194, 130, BStBl II 2001, 234, unter 1. der Gründe; vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286, unter II. der Gründe, und vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter II. 2. und 3. der Gründe). Danach kommen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG namentlich auch Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters in Gestalt der Gewährung eigenkapitalersetzender Darlehen und Bürgschaften in Betracht (speziell zu den eigenkapitalersetzenden Bürgschaften vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter II. 3. bis 5. der Gründe; vom 26. Januar 1999 VIII R 50/98, BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559; vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817).

Dieser im Wege der extensiven Auslegung des § 17 EStG gewonnene und am spezifischen Zweck der genannten Norm orientierte erweiterte Anschaffungskostenbegriff (vgl. hierzu z.B. Senatsurteile in BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter II. 3. a der Gründe, und vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, unter 2., vor a der Gründe: "... auf der Grundlage einer normspezifischen und durch das objektive Nettoprinzip bestimmten extensiven Auslegung des Begriffs der nachträglichen Anschaffungskosten" i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG; vgl. ferner auch BFH-Beschluss vom 16. Mai 2001 I B 143/00, BFHE 195, 351, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 2001, 604, mit Anmerkung Dötsch) darf indessen entgegen früherer Äußerungen der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 12. Dezember 1963 IV 287/60 U, BFHE 79, 184, BStBl III 1964, 299, und vom 9. September 1986 VIII R 159/85, BFHE 148, 246, BStBl II 1987, 257) nicht dahin gehend missverstanden und verallgemeinert werden, dass er auch außerhalb des (nur die im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligungen betreffenden) Anwendungsbereichs des § 17 EStG Geltung beanspruche. Außerhalb des Geltungsbereichs des § 17 EStG --insbesondere in dem hier einschlägigen betrieblichen Bereich-- verbleibt es vielmehr bei der Maßgeblichkeit des in § 255 Abs. 1 HGB statuierten, sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz grundsätzlich anzuwendenden Anschaffungskostenbegriffs. Dieser umfasst zwar neben den ursprünglichen ("originären") Anschaffungskosten auch die Nachschüsse sowie alle sonstigen Kapitalzuführungen durch die Gesellschafter, die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft zu offenen oder verdeckten Einlagen führen. Er umschließt aber --anders als im Bereich des § 17 EStG-- gerade nicht die Zuführung von Fremdkapital, wie die Gewährung von Darlehen, oder die hier in Rede stehenden Bürgschaftsleistungen durch die Gesellschafter, mögen diese Finanzierungsmaßnahmen auch eigenkapitalersetzenden Charakter haben und mithin nach Eintritt der Krise bei der Gesellschaft zivilrechtlichen Sonderregeln unterworfen sein, die diese Finanzierungsmaßnahmen bei wirtschaftlicher Betrachtung in mancher Hinsicht dem (formellen) Eigenkapital annähern.

Im Beschluss in BFHE 195, 351, (= Inf 2001, 604) hat der I. Senat des BFH hervorgehoben, dass die Gewährung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens auf der Ebene der Gesellschaft nicht zu einer verdeckten Einlage führe. Eine solche sei vielmehr erst dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen auf die Darlehensforderung verzichte (§ 397 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), wobei für die Höhe der verdeckten Einlage entsprechend den vom Großen Senat des BFH im Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94 (BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) entwickelten Grundsätzen der Teilwert der Darlehensforderung im Zeitpunkt des Verzichts maßgebend sei.

Dem ist beizupflichten. Der erkennende Senat hat schon früher wiederholt klargestellt, dass der von ihm im Bereich des § 17 EStG entwickelte normspezifische erweiterte Anschaffungskostenbegriff die Behandlung eines Forderungsverzichts auf der Ebene der Gesellschaft nicht berührt (vgl. Senatsurteil in BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, 818, und Senatsbeschluss vom 4. August 1999 VIII B 68/99, BFH/NV 2000, 41, jeweils m.w.N.).

Auch auf der Ebene des Gesellschafters führen außerhalb des Geltungsbereichs des § 17 EStG --im betrieblichen Bereich-- grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, die (offene oder verdeckte) Einlagen in das Gesellschaftsvermögen darstellen (vgl. auch Dötsch, Inf 2001, 605). Der Ausfall kapitalersetzender Darlehen und der Ausfall der Regressforderung aus kapitalersetzenden Bürgschaften fallen nicht darunter.

Folglich scheitert die Bildung von Rückstellungen wegen drohender Inanspruchnahme aus den Bürgschaften im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der Klägerin entgegen der Vorstellungen des FG nicht daran, dass die Zahlungen der Bürgen als nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligungen zu aktivieren wären.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig-- offen gelassen, ob die Gesellschafter der Klägerin am maßgebenden Bilanzstichtag ernsthaft mit der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften rechnen mussten. Dies wäre dann zu bejahen, wenn die künftige Inanspruchnahme der Gesellschafter aus den (selbstschuldnerischen) Bürgschaften nach den am Bilanzstichtag (31. Dezember 1993) objektiv gegebenen und bis zur (ordnungsgemäßen) Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren Verhältnissen (überwiegend) wahrscheinlich erschien, d.h. im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprachen.

Entsprechende Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Gelangt es dabei zu dem Ergebnis, dass die Inanspruchnahme der Gesellschafter der Klägerin aus den Bürgschaften im o.g. Sinne wahrscheinlich war, dürfte die Klägerin --weil die übrigen, unter II. 1. genannten Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen unzweifelhaft vorlagen-- in den Sonderbilanzen ihrer Gesellschafter entsprechende Rückstellungen bilden, wenn und soweit die mit der Inanspruchnahme korrespondierenden Regressansprüche (Übergang der Gläubigerforderung nach § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB; Aufwendungsersatzanspruch gegen die GmbH z.B. aus §§ 670, 683 BGB) am maßgebenden Bilanzstichtag nicht mehr werthaltig waren. Auch dieser letztgenannten Frage wird das FG im zweiten Rechtsgang ggf. nachzugehen haben.

Ende der Entscheidung

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