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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.05.2001
Aktenzeichen: VIII R 43/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17
EStG § 10d
EStG § 2a
EStG § 2a Abs. 1
EStG § 2a Abs. 2
EStG § 22 Nr. 3
EStG § 22 Nr. 3 Satz 3
EStG § 2a Abs. 2 Satz 1
EStG § 2a Abs. 2 Satz 2
EStG § 17 Abs. 1 Satz 3
EStG § 17 Abs. 1 Satz 4
EStG § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Zahnarzt und hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Streitig ist, ob bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1994 ein Verlust aus einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsführung in Spanien zu berücksichtigen ist.

Der Kläger gründete durch Vertrag vom 26. Juni 1987 gemeinsam mit Y und dem kurz darauf ausgeschiedenen Z die X-S.A. in Spanien (im Folgenden auch: die Gesellschaft). Der Kläger hielt bis zum 15. September 1992 ein Drittel der Aktien und danach die Hälfte.

Der Zweck der Gesellschaft bestand in dem Einbringen von Dienstleistungen für medizinische, erzieherische und dem Zeitvertreib dienende Programme, im Erwerb und Verkauf von ländlichen und städtischen Liegenschaften, in der Bauherrentätigkeit, dem Bau und Verkauf von Häusern, Appartements, Chalets, Geschäftsräumen und allgemeinen Bauwerken.

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung für 1994 einen Auflösungsverlust gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von ... DM geltend und trug dazu vor:

Unmittelbar nach der Gründung der Gesellschaft sei auf einem Grundstück, das auf den Namen des Gesellschafters Y eingetragen gewesen sei und das dieser "vertragsgemäß auf die Gesellschaft übertragen musste", eine Freizeitanlage errichtet worden. In den Jahren 1987 bis 1992 habe er zum Erwerb der Aktien und zur Steigerung der Liquidität insgesamt ... DM an die Gesellschaft überwiesen. Seine Aufwendungen in der Bundesrepublik Deutschland für Anwalts- und Notarkosten, Kosten für Patentanwälte, Fahrt- und Reisekosten für das Unternehmen hätten ... DM betragen. Nach der Errichtung der Freizeitanlage habe der Gesellschafter Y diese bewirtschaftet und ihm, dem Kläger, bis einschließlich für das Jahr 1991 Jahresabschlüsse in spanischer Sprache vorgelegt. Als danach trotz ständiger Erinnerungen keine Unterlagen mehr vorgelegt worden seien, habe er, der Kläger, eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, um die Gesellschaft zu liquidieren, zumal ihm bekannt geworden sei, dass die gesamte Freizeitanlage ohne Baugenehmigung errichtet worden und eine Abbruchverfügung ergangen sei. In der Versammlung am 26. November 1994 sei die Auflösung der Gesellschaft beschlossen worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es unter Hinweis auf § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) auch in der Einspruchsentscheidung ab, den Auflösungsverlust zu berücksichtigen.

Zur Begründung seiner Klage wiederholte der Kläger zunächst sein bisheriges Vorbringen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) überreichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Schriftsatz vom 22. August 2000, in dem er nunmehr geltend machte, in Wirklichkeit habe der Mitgesellschafter Y die Freizeitanlage im eigenen Namen errichtet und betrieben; der vorgelegte Jahresabschluss für 1991 sei insoweit falsch. Bei dem als Anlagevermögen der Gesellschaft ausgewiesenen Gebäude handele es sich in Wirklichkeit um eine Forderung gegen den Mitgesellschafter Y für die Lieferung von Baustoffen. Deshalb habe die Gesellschaft tatsächlich ausschließlich mit Waren gehandelt und außerdem den Kiosk betrieben, so dass die Voraussetzungen der sog. Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG erfüllt seien.

Das FG wies die Klage ab und führte aus: Der vom Kläger geltend gemachte Auflösungsverlust sei gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG vom Abzug ausgeschlossen. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen bei der Gesellschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre vor und in dem Veranlagungszeitraum vorgelegen hätten, in dem die negativen Einkünfte bezogen worden seien (§ 2a Abs. 2 Satz 2 EStG). Mit der Errichtung einer Freizeitanlage auf ihrem Grundstück habe die Gesellschaft nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 EStG erfüllt. Zwar habe der Kläger sich darauf berufen, dass die Gesellschaft das Spiel "..." entwickelt habe. Einen Nachweis, dass die gewerbliche Betriebsstätte die Voraussetzungen der Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG erfüllt habe, habe er aber nicht erbracht.

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 2a Abs. 2 Satz 2 EStG sowie Verfahrensfehler.

Er beantragt,

1. die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 1. November 1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 1997 dergestalt zu ändern, dass Verluste nach § 17 EStG in Höhe von ... DM berücksichtigt werden,

2. das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StÄndG 1992 wegen unzulässiger Rückwirkung vorzulegen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG verfassungsgemäß. Das FG hat aber seiner Entscheidung, die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 EStG seien entgegen der Auffassung des Klägers nicht erfüllt, nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt.

1. Zwischen den Beteiligten und dem FG besteht Übereinstimmung darüber, dass der Kläger im Streitjahr 1994 dem Grunde nach einen Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 EStG erlitten hat und dass das Besteuerungsrecht dafür gemäß Art. 13 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Spanien) vom 5. Dezember 1966 (BGBl II 1968, 10) der Bundesrepublik als dem Wohnsitzstaat des Klägers zugewiesen ist. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn zu den Kapitalgesellschaften i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung rechnen auch solche, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Februar 1989 I R 11/85, BFHE 156, 170, BStBl II 1989, 794, 795, m.w.N.). Der Kläger war auch zu mehr als 25 v.H., also wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG, an der Gesellschaft beteiligt, weil er ein Drittel bzw. die Hälfte der Aktien innehatte. Die Gesellschaft ist im Jahr 1994 aufgelöst worden. Da nach dem Vortrag des Klägers mit der Zuteilung von Vermögen seitens der Gesellschaft nicht zu rechnen und der Mitgesellschafter Y "unpfändbar zahlungsunfähig" war, hat der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Auflösungsverlustes i.S. des § 17 EStG dem Grunde nach schlüssig dargelegt.

2. Jedoch dürfen gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr 1994 gültigen Fassung des StÄndG 1992 negative Einkünfte in den Fällen des § 17 EStG bei einem Anteil an einer Kapitalgesellschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen und auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Diese Vorschrift ist entgegen der Auffassung des Klägers verfassungsgemäß.

a) Der BFH hat zu § 2a EStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 (HBegleitG 1983) vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) --im Folgenden: § 2a EStG a.F.-- entschieden, dass die Beschränkung des steuermindernden Ausgleichs der von dieser Vorschrift erfassten negativen ausländischen Einkünfte mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Er hat in Urteilen vom 17. Oktober 1990 I R 182/87 (BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136) und vom 26. März 1991 IX R 162/85 (BFHE 164, 327, BStBl II 1991, 704) im Einzelnen und umfassend dargelegt, weshalb diese Vorschrift weder gegen das Grundgesetz noch gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft verstößt. Beide Urteile betreffen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F.

Der I. Senat hat seine Rechtsprechung in dem Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 177/87 (BFH/NV 1992, 174), betreffend § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F., und in zwei Urteilen vom 12. Dezember 1990 I R 127/88 (BFH/NV 1992, 104), betreffend Einkünfte aus einer land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte i.S. des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F., und I R 176/87 (BFH/NV 1991, 820) betreffend § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F., bestätigt. Der IV. Senat des BFH hat sich mit Urteil vom 5. September 1991 IV R 40/90 (BFHE 165, 512, BStBl II 1992, 192), betreffend § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F., der Rechtsauffassung des I. und IX. Senats angeschlossen. An dieser Rechtsprechung ist in der Folgezeit festgehalten worden (Beschlüsse vom 30. September 1992 I R 88/91, nicht veröffentlicht --NV--; vom 20. April 1993 IV B 21/92, NV; Urteil vom 13. Mai 1993 IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100, betreffend § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F.).

Die Verfassungsbeschwerden gegen die BFH-Urteile in BFHE 165, 512, BStBl II 1992, 192, in BFH/NV 1992, 174 und BFH/NV 1994, 100 sowie gegen die Beschlüsse I R 88/91 und IV B 21/92 hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschlüsse vom 20. April 1998 2 BvR 62/92; vom 17. April 1998 2 BvR 374/91; vom 27. März 1998 2 BvR 1986/93, 2 BvR 2058/92 und 2 BvR 220/92, jeweils NV).

b) Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung zu § 2a EStG a.F. in den zitierten Urteilen an. Die darin angeführten Gründe für die Vereinbarkeit des § 2a EStG a.F. mit dem Grundgesetz treffen für § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung des StÄndG 1992 gleichermaßen zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die Ausführungen insbesondere in den Urteilen in BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136 und in BFHE 164, 327, BStBl II 1991, 704 Bezug genommen. Wegen der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit dem EG-Recht wird auf die Ausführungen in dem Urteil in BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136 unter IV. der Entscheidungsgründe verwiesen.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision entfaltet § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG jedenfalls für Veräußerungen im Streitjahr 1994 auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des IX. Senats in dem Aussetzungsbeschluss vom 5. März 2001 IX B 90/00 (BStBl II 2001, 405) keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.

§ 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfüllt jedenfalls insoweit, als die Veräußerung oder Auflösung nach der Verkündung des Gesetzes erfolgt ist, die Voraussetzungen der sog. tatbestandlichen Rückanknüpfung (auch als "unechte" Rückwirkung bezeichnet), die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach der Verkündung der Norm eintreten, der Tatbestand der Norm aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 79, m.w.N.). Das StÄndG 1992 ist im BGBl vom 28. Februar 1992 verkündet worden und nach seinem Art. 40 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten; § 2a Abs. 1 und 2 EStG ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1992 anwendbar (vgl. § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StÄndG 1992). Der Kläger hat den Tatbestand des § 17 EStG im Jahr 1994 verwirklicht, weil die Gesellschaft erst in diesem Jahr aufgelöst worden ist.

Zwar konnte der Kläger nach der im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft, d.h. nach der im Jahr 1987 bestehenden Rechtslage, davon ausgehen, dass er eventuelle Veräußerungs- oder Auflösungsverluste i.S. des § 17 EStG aus seiner Beteiligung mit seinen inländischen Einkünften verrechnen konnte. Der Gesetzgeber ist aber grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht gehindert, für die Zukunft die steuerlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens (hier: des Erwerbs einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland) zu verschärfen; es muss ihm grundsätzlich möglich sein, auch im Wege tatbestandlicher Rückanknüpfung unter Änderung künftiger Rechtsfolgen auf veränderte soziale Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerks zu reagieren oder durch eine solche Änderung erst bestimmte soziale Gegebenheiten in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen; etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder das Handeln des Gesetzgebers schlechterdings ohne sachlichen Grund erfolgt und darum i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich ist oder wenn die Neuregelung, obwohl sie von sachlichen Gründen getragen ist, ausnahmsweise hinter ein überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen zurücktreten muss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 254). Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte und unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen; für das Einkommensteuerrecht kommen als betroffene Grundrechte je nach Art der betroffenen Einkünfte Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 sowie Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht (BVerfG in BVerfGE 97, 67, 79, m.w.N.).

Es sprachen sachliche Gründe für die durch das StÄndG 1992 in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG getroffene Regelung. Bereits mit Wirkung ab dem Jahr 1983 durften gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. negative ausländische Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte nur mit ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden, wenn die Voraussetzungen der sog. Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG a.F. nicht erfüllt waren. Der Gesetzgeber wollte damit eine Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) aus Verlustzuweisungen unterbinden, die nicht im Interesse der deutschen Volkswirtschaft lagen und daher "unerwünscht" waren (vgl. BTDrucks 9/2074, S. 64). Dagegen konnten bei einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft weiterhin Verluste aus dem Anteilsverkauf oder der Auflösung der Gesellschaft mit inländischen positiven Einkünften ausgeglichen werden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und Abs. 3, § 17 EStG). Der Gesetzgeber hat die sich daraus ergebende steuerliche Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten als nicht gerechtfertigt angesehen und durch das StÄndG 1992 beseitigen wollen (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 50).

Der Senat vermag gegenüber diesen sachlichen Gründen keine Umstände zu erkennen, die das Vertrauen der Betroffenen in das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage als überwiegend schutzwürdig erscheinen lassen könnten. Solche Gründe ergeben sich auch nicht aus dem oben zitierten Aussetzungsbeschluss. Darin äußert der IX. Senat schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der rückwirkenden Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, weil der Gesetzgeber Anschaffungsvorgänge in die Regelung einbezogen hat, für die die "Spekulationsfrist" des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in der vor dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung bereits abgelaufen war. Die vom IX. Senat zu beurteilende Problematik ist mit derjenigen des Streitfalles nicht vergleichbar. Denn für den Abzug negativer ausländischer Einkünfte aus § 17 EStG ist in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG eine erstmalige Regelung durch das StÄndG 1992 getroffen worden und nicht eine bereits bestehende gesetzliche Frist --mit einem möglicherweise erhöhten Vertrauensschutz nach Fristablauf-- verlängert worden. Außerdem sprachen gewichtige Gründe, nämlich die Beseitigung einer sachlich nicht einleuchtenden Ungleichbehandlung, für die in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG getroffene Regelung. Der durch diese Vorschrift bewirkte Eingriff ist darüber hinaus im Vergleich zu der Verlängerung der sog. Spekulationsfrist auf zehn Jahre als weniger belastend anzusehen, weil nicht eine Steuerpflicht begründet worden ist, sondern lediglich die Verrechnungsmöglichkeit für ausländische Einkünfte i.S. des § 17 EStG aus "Verlustgesellschaften" (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 50) mit inländischen Einkünften untersagt worden ist und weiterhin eine Verrechnung mit ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat zulässig bleibt.

bb) Auch der Beschluss des BVerfG vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88) steht der Verfassungsmäßigkeit der in § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG getroffenen Regelung, wonach negative ausländische Einkünfte aus § 17 EStG nur mit Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden dürfen, nicht entgegen. Nach diesem Beschluss verstößt der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände nach § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG sind mit denjenigen aus § 17 EStG schon deshalb nicht vergleichbar, weil es sich bei ersteren um laufende Einkünfte handeln kann, bei denen dann, wenn die Erwerbsaufwendungen und die Erwerbseinnahmen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen anfallen, in dem einen Jahr zwar die Einnahmen erfasst, aber die Aufwendungen in dem anderen Jahr nicht berücksichtigt werden. Dagegen werden die Einkünfte aus § 17 EStG durch eine stichtagsbezogene Berechnung ermittelt, bei der gemäß § 17 Abs. 2 EStG der Veräußerungspreis bzw. der gemeine Wert (§ 17 Abs. 4 EStG) den (ggf. auch nachträglichen) Anschaffungskosten und Veräußerungskosten gegenübergestellt wird. Außerdem hat das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 22 Nr. 3 EStG in BVerfGE 99, 88, 97 auch beanstandet, dass die Gesetzesmaterialien keine Begründung für die Einschränkung des Verlustausgleichs in stärkerem Umfang als bei den übrigen Einkünften mit beschränkter Verlustverrechnung enthielten. Für das in § 2a EStG geregelte Abzugsverbot wird aber eine sachliche Begründung gegeben. Denn in den Gesetzesmaterialien wird dargelegt, dass "unerwünschte" Verlustzuweisungen aus ausländischen Betriebsstätten unterbunden werden sollen, während der Verlustausgleich möglich bleiben soll, wenn die Auslandsbetriebsstätten die Interessen der deutschen Volkswirtschaft fördern, was typisierend angenommen wird, wenn die Voraussetzungen der sog. Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG erfüllt sind (vgl. BTDrucks 9/2074, S. 64).

3. Die Anwendung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG wäre jedoch nach § 2a Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeschlossen, wenn der Kläger nachgewiesen hätte, dass die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen bei der Gesellschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre vor und in dem Veranlagungszeitraum vorgelegen haben, in dem die negativen Einkünfte bezogen worden sind. Nach § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG greift das Verbot des Abzugs negativer Einkünfte nicht ein, wenn die negativen Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte im Ausland stammen, die ausschließlich oder fast ausschließlich die Herstellung oder Lieferung von Waren, außer Waffen, die Gewinnung von Bodenschätzen sowie die Bewirkung gewerblicher Leistungen zum Gegenstand hat, soweit diese nicht in der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen, oder in der Vermietung oder der Verpachtung von Wirtschaftsgütern einschließlich der Überlassung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen oder Kenntnissen bestehen.

Im Streitfall beruht die Entscheidung des FG, der Kläger habe das Vorliegen der Voraussetzungen der sog. Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht nachgewiesen, auf einem Verfahrensfehler. Denn das FG ist nicht auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 22. August 2000 eingegangen, den der Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. August 2000 während der Sitzung übergeben hat. Dieser Schriftsatz enthält ein von dem ursprünglichen Tatsachenvortrag des Klägers abweichendes Vorbringen. Indem das FG dieses abweichende Vorbringen nicht berücksichtigt hat, hat es --wie der Kläger auch dem Sinn nach rügt-- seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zugrunde gelegt. Es wird im zweiten Rechtsgang die ihm als der Tatsacheninstanz obliegende Würdigung des Vorbringens in diesem Schriftsatz nachzuholen und dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, die Richtigkeit seiner Behauptungen durch geeignete Mittel unter Beweis zu stellen.

Ende der Entscheidung

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